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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Genfer und eines Adolf Monod erklärt war. Dies waren die Sünden wider
den christlichen Glauben.

Sehr erheblich fielen sie eben nicht ins Gewicht. Ernster mußten wohl
die Versündigungn an der Autorirät des Presdyterialraths sein. In der
That war dem Suffragan Martin-Paschoud's vorgeworfen, daß er einen syste¬
matischen Krieg gegen diese Behörde geführt, seine Kanzel den vorgerücktesten
Mitgliedern der neuen Schule eingeräumt, der liberalen Union seinen publi-
cistischen Beistand geleistet, endlich eine Art von Privatdiaconat gegründet
habe, durch das er sich einen Kreis von Anhängern über seine Gemeinde
hinaus verschaffe. In seiner Vertheidigungsrede konnte Coquerel mit Recht
entgegnen, nicht gegen eine Behörde, sondern gegen eine Parteimeinung,
nicht gegen eine bestehende Autorität, sondern gegen deren Zusammensetzung
habe er gekämpft; wenn er Colani von Straßburg und Re'ville von Rotter¬
dam, angestellte Geistliche, aus seine Kanzel habe steigen lassen, so sei dies ein
Recht und ein Gebrauch, der nie angefeindet worden sei; seltsam sei es, ihn
für die Illlion UKöMiZ verantwortlich zu machen, die ohne seine Mitwirkung
sich gebildet habe und deren Mitglied er nicht sei; endlich, was man hämisch
ein Privatdiaconat nenne, sei, wie Jedermann wisse, nichts als ein Wohl¬
thätigkeitsverein, den er unter seinen Katechumenen gestiftet habe, und der,
wie alle Privatwohlthätigkeitsanstalten dazu bestimmt sei, die officiellen An¬
stalten zu unterstützen und dem Diaconat eine sehr erlaubte Concurrenz zu
machen. Den Nerv der Sache aber, um die es sich handelte, traf Coquerel
am Schlüsse seiner Rede, wenn er sagte: mit Befremden habe er Eins im
Bericht der Commission vermißt, nämlich daß derselbe mit keinem Wort
weder die geistlichen Bedürfnisse, noch die Gewissensrechte berücksichtigt habe.
Die Commission habe sich nur an Einen Punct der vorliegenden Fragen und
nicht den wichtigsten und christlichsten gehalten; sie habe vergessen, daß die Re¬
gierenden sür die Regierten da seien und in einer Kirche die Bedürfnisse der
Seelen und Gewissen dasjenige seien, worauf Alles ankomme. Was ich verlange,
fuhr er fort, ist dies: Eine große Anzahl von Seelen, deren Leitung Sie mir
übertragen und mehrfach bestätigt haben, wünscht mich mis ihren Pfarrer zu
behalten; sie haben die Ueberzeugung, daß mein Amt von oben gesegnet und
ihnen förderlich sei, sie wünschen, daß ich den religiösen Unterricht ihrer Kin¬
der, den ich angefangen, fortsetze. Diese Seelen glauben sich in der Aus¬
übung eines ihrer kostbarsten Rechte verkürzt und in der Erfüllung einer
ihrer heiligsten Pflichten beeinträchtigt, wenn Sie mein Seelsorgeramt ver¬
nichten. In ihrem Namen also verlange ich vom Presbyterialrath. daß er
mich von Neuem bestätige als Suffragan des Pfarrers Martin-Paschoud.

Damit war die Sache ganz richtig formulirt. Von liberaler Seite
wurde verlangt, daß eine Meinung, eine Minorität allerdings, die aber schon


Genfer und eines Adolf Monod erklärt war. Dies waren die Sünden wider
den christlichen Glauben.

Sehr erheblich fielen sie eben nicht ins Gewicht. Ernster mußten wohl
die Versündigungn an der Autorirät des Presdyterialraths sein. In der
That war dem Suffragan Martin-Paschoud's vorgeworfen, daß er einen syste¬
matischen Krieg gegen diese Behörde geführt, seine Kanzel den vorgerücktesten
Mitgliedern der neuen Schule eingeräumt, der liberalen Union seinen publi-
cistischen Beistand geleistet, endlich eine Art von Privatdiaconat gegründet
habe, durch das er sich einen Kreis von Anhängern über seine Gemeinde
hinaus verschaffe. In seiner Vertheidigungsrede konnte Coquerel mit Recht
entgegnen, nicht gegen eine Behörde, sondern gegen eine Parteimeinung,
nicht gegen eine bestehende Autorität, sondern gegen deren Zusammensetzung
habe er gekämpft; wenn er Colani von Straßburg und Re'ville von Rotter¬
dam, angestellte Geistliche, aus seine Kanzel habe steigen lassen, so sei dies ein
Recht und ein Gebrauch, der nie angefeindet worden sei; seltsam sei es, ihn
für die Illlion UKöMiZ verantwortlich zu machen, die ohne seine Mitwirkung
sich gebildet habe und deren Mitglied er nicht sei; endlich, was man hämisch
ein Privatdiaconat nenne, sei, wie Jedermann wisse, nichts als ein Wohl¬
thätigkeitsverein, den er unter seinen Katechumenen gestiftet habe, und der,
wie alle Privatwohlthätigkeitsanstalten dazu bestimmt sei, die officiellen An¬
stalten zu unterstützen und dem Diaconat eine sehr erlaubte Concurrenz zu
machen. Den Nerv der Sache aber, um die es sich handelte, traf Coquerel
am Schlüsse seiner Rede, wenn er sagte: mit Befremden habe er Eins im
Bericht der Commission vermißt, nämlich daß derselbe mit keinem Wort
weder die geistlichen Bedürfnisse, noch die Gewissensrechte berücksichtigt habe.
Die Commission habe sich nur an Einen Punct der vorliegenden Fragen und
nicht den wichtigsten und christlichsten gehalten; sie habe vergessen, daß die Re¬
gierenden sür die Regierten da seien und in einer Kirche die Bedürfnisse der
Seelen und Gewissen dasjenige seien, worauf Alles ankomme. Was ich verlange,
fuhr er fort, ist dies: Eine große Anzahl von Seelen, deren Leitung Sie mir
übertragen und mehrfach bestätigt haben, wünscht mich mis ihren Pfarrer zu
behalten; sie haben die Ueberzeugung, daß mein Amt von oben gesegnet und
ihnen förderlich sei, sie wünschen, daß ich den religiösen Unterricht ihrer Kin¬
der, den ich angefangen, fortsetze. Diese Seelen glauben sich in der Aus¬
übung eines ihrer kostbarsten Rechte verkürzt und in der Erfüllung einer
ihrer heiligsten Pflichten beeinträchtigt, wenn Sie mein Seelsorgeramt ver¬
nichten. In ihrem Namen also verlange ich vom Presbyterialrath. daß er
mich von Neuem bestätige als Suffragan des Pfarrers Martin-Paschoud.

Damit war die Sache ganz richtig formulirt. Von liberaler Seite
wurde verlangt, daß eine Meinung, eine Minorität allerdings, die aber schon


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/96>, abgerufen am 05.02.2025.