Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.ausgesprochen hat. so war der letzte Grund nicht das Mißbehagen über die Nach der ofstciellen Mittheilung ist die Absicht des Grafen Bismark, ausgesprochen hat. so war der letzte Grund nicht das Mißbehagen über die Nach der ofstciellen Mittheilung ist die Absicht des Grafen Bismark, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121303"/> <p xml:id="ID_288" prev="#ID_287"> ausgesprochen hat. so war der letzte Grund nicht das Mißbehagen über die<lb/> heftige, würdelose und nicht durchweg wahrhafte Weise, in welcher die Be-<lb/> dürfnißfrage Preußens vor d^n Reichstag gezogen wurde, sondern im Hinter¬<lb/> grunde lag der Opposition die ernstere Erwägung: durfte der Reichstag unter<lb/> dem gegenwärtigen System sich dazu benutzen lassen, den preußischen Land¬<lb/> tag zu einem Nichts herabzudrücken? Bei dem Balancirspiel der Gewalten,<lb/> welches der Reichekanzler organisirt hat, wo die Rechte der preußischen Krone<lb/> durch die des Bundesfeldherrn oder gar der Bundesfürsten neutralisirt, wo<lb/> Bundestag und Reichstag, Reichstag und Landtag- gegen einander gestellt<lb/> wurden, blieb man doch sehr unsicher über die letzten Ziele des Reichs¬<lb/> kanzlers. Nur das merkte man deutlich, daß auch ihm, wie den andern<lb/> Ministern Preußens, mehr am Herzen lag, die Regierung möglichst un¬<lb/> abhängig von der Controle durch die Volksvertretung zu sichren, als mit<lb/> Hülfe der Volksvertreter das System in Preußen zu bessern. Und es<lb/> bestand bei einer sehr lebhaften Anerkennung der großen Eigenschaften, welche<lb/> die Nation an dem Grafen Bismarck bewundert, zwischen ihm und den<lb/> ehrlichen Leuten, welche das Gewissen des Volkes darzustellen hatten, kein<lb/> festes Vertrauen. Ja noch mehr, es wird die Aufgabe der Zukunft sein, die<lb/> Kompetenzen des preußischen Landtags in den Reichstag zu verlegen. Vor¬<lb/> aussetzung dafür ist aber ein freieres Selbstregiment der preußischen Kreise<lb/> und Provinzen und die Möglichkeit einer offenen und legalen Uebertragung<lb/> der restirenden Landtagsbefugnisse durch großen Pairschub. Was bis jetzt<lb/> von den Anstrengungen des Bundeskanzlers für eine neue Organisation der<lb/> preußischen Provinzen verlautete, gab keine Aussicht, daß er die Absicht<lb/> habe, diese Radikalcur der preußischen Verhältnisse vorzunehmen. So lange<lb/> aber die Regierung Preußens nicht den Entschluß, die Einsicht und die<lb/> Wege zeigt, auf denen der preußische Staatsbäu mit dem deutschen Staat<lb/> eins werden kann, ja so lange die Beschaffenheit der neuen Bundesregier¬<lb/> ung noch zweifelhaft läßt, ob sie Deutschland in einer großen Staatsverwal¬<lb/> tung zusammenschließen will, so lange wird gerade die preußisch gesinnte<lb/> Partei im Reichstage sich hüten müssen, den Organismus des preußischen<lb/> Staats da zu schädigen, wo die Widerstandskraft des preußischen Volkes<lb/> gegen mögliche Willkür seiner Regierung vorhanden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_289" next="#ID_290"> Nach der ofstciellen Mittheilung ist die Absicht des Grafen Bismark,<lb/> sich nach seiner Genesung auf die Geschäfte des Bundeskanzlers und des<lb/> auswärtigen Ministers zurückzuziehen, die inneren preußischen Angelegen¬<lb/> heiten gänzlich anderen Händen zu überlassen. Es ist nicht möglich zu be¬<lb/> greifen, wie er eine solche Stillung auch nur wochenlang ertragen will.<lb/> Schon jetzt hat ihn nicht der Widerstand des Reichstages, sondern die In-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
ausgesprochen hat. so war der letzte Grund nicht das Mißbehagen über die
heftige, würdelose und nicht durchweg wahrhafte Weise, in welcher die Be-
dürfnißfrage Preußens vor d^n Reichstag gezogen wurde, sondern im Hinter¬
grunde lag der Opposition die ernstere Erwägung: durfte der Reichstag unter
dem gegenwärtigen System sich dazu benutzen lassen, den preußischen Land¬
tag zu einem Nichts herabzudrücken? Bei dem Balancirspiel der Gewalten,
welches der Reichekanzler organisirt hat, wo die Rechte der preußischen Krone
durch die des Bundesfeldherrn oder gar der Bundesfürsten neutralisirt, wo
Bundestag und Reichstag, Reichstag und Landtag- gegen einander gestellt
wurden, blieb man doch sehr unsicher über die letzten Ziele des Reichs¬
kanzlers. Nur das merkte man deutlich, daß auch ihm, wie den andern
Ministern Preußens, mehr am Herzen lag, die Regierung möglichst un¬
abhängig von der Controle durch die Volksvertretung zu sichren, als mit
Hülfe der Volksvertreter das System in Preußen zu bessern. Und es
bestand bei einer sehr lebhaften Anerkennung der großen Eigenschaften, welche
die Nation an dem Grafen Bismarck bewundert, zwischen ihm und den
ehrlichen Leuten, welche das Gewissen des Volkes darzustellen hatten, kein
festes Vertrauen. Ja noch mehr, es wird die Aufgabe der Zukunft sein, die
Kompetenzen des preußischen Landtags in den Reichstag zu verlegen. Vor¬
aussetzung dafür ist aber ein freieres Selbstregiment der preußischen Kreise
und Provinzen und die Möglichkeit einer offenen und legalen Uebertragung
der restirenden Landtagsbefugnisse durch großen Pairschub. Was bis jetzt
von den Anstrengungen des Bundeskanzlers für eine neue Organisation der
preußischen Provinzen verlautete, gab keine Aussicht, daß er die Absicht
habe, diese Radikalcur der preußischen Verhältnisse vorzunehmen. So lange
aber die Regierung Preußens nicht den Entschluß, die Einsicht und die
Wege zeigt, auf denen der preußische Staatsbäu mit dem deutschen Staat
eins werden kann, ja so lange die Beschaffenheit der neuen Bundesregier¬
ung noch zweifelhaft läßt, ob sie Deutschland in einer großen Staatsverwal¬
tung zusammenschließen will, so lange wird gerade die preußisch gesinnte
Partei im Reichstage sich hüten müssen, den Organismus des preußischen
Staats da zu schädigen, wo die Widerstandskraft des preußischen Volkes
gegen mögliche Willkür seiner Regierung vorhanden ist.
Nach der ofstciellen Mittheilung ist die Absicht des Grafen Bismark,
sich nach seiner Genesung auf die Geschäfte des Bundeskanzlers und des
auswärtigen Ministers zurückzuziehen, die inneren preußischen Angelegen¬
heiten gänzlich anderen Händen zu überlassen. Es ist nicht möglich zu be¬
greifen, wie er eine solche Stillung auch nur wochenlang ertragen will.
Schon jetzt hat ihn nicht der Widerstand des Reichstages, sondern die In-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |