Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in drei Bänden erschien, war nachgerade ein Buch geworden, das nicht nur im
eigentlichen, sondern auch im buchhändlerischen Sinne selten genannt werden mußte.
Nur noch schwer war es zu erlangen und es war dringende Nothwendigkeit, eine
neue Auflage davon zu veranstalten, welche in einem dem Werthe des Inhalts ange¬
messenen Gewände dieses Werk bringt, das zu allen Zeiten als eine wahrhaft
geniale Leistung genannt werden wird, trotz mancher Einwände, die ihm bei seinem
ersten Erscheinen begegneten, und die, da sie principieller Natur sind und mit den
Anschauungen über das Wesen und die Aufgabe einer Uebersetzung zusammenhängen,
auch jetzt in dem Leser wicdeMmstauchen werden.

Der berühmte Verfasser mrhchlte sich dies nicht und als er seine sogenannten
"Stiefkinder" (Bd. 1 xaZ. XX der ersten Auflage) zum ersten Male in die Welt
schickte, legte er (ebendas. xaZ. VIII) kurz die" Grundsätze dar, nach denen er seine
Uebersetzung geschrieben oder richtiger nachgedichtet hat. Wir bedauern es, daß er
bei der neuen Auflage dieser Vorrede keine Stelle einräumte, oder, wenn er dies
nicht wollte, daß er nicht ein neues Vorwort geschrieben hat. Ohne Zweifel würde
man von ihm, den wir leicht den Meister deutscher Uebersetzungskunst nennen mögen,
manches interessante und geistvolle Apercu über eine Aufgabe vernommen haben,
deren Wesen zu den anziehendsten literarisch-ästhetischen Problemen gehört. Die
neue Ausgabe trägt im Text wie in den erläuternden Anmerkungen und den Ein¬
leitungen zu den einzelnen Stücken vielfach die Spuren bessernder Hand und ver¬
wendet die Resultate der philologischen und historischen Arbeiten, die dem Aristo-
phanes in den letzten zwanzig Jahren zugewendet waren, in bescheidenen Grenzen,
wie sie uns bei der eigenthümlichen Beschaffenheit des Buches und dem historischen
Recht, welches sich seine ursprüngliche Gestalt erworben hat, ganz angemessen er¬
scheinen. Die Ordnung der Stücke, welche in der ersten Auflage durch äußere
Rücksichten bedingt war, ist verlassen worden, und der vorliegende Band bringt im
Anschluß an die Ausgaben des Urtextes in gewohnter Reihenfolge die Acharner,
Ritter, Wolken, Wespen und den Frieden. -- Etwas zur Empfehlung dieser Ueber-
setzung zu sagen, wäre in Wahrheit überflüssig. Die Kunde von der Thatsache,
daß sie wieder zu erlangen ist, wird zu ihrer Verbreitung genügen. Zwar ist der
Leserkreis, den ein solches Buch hat und haben wird, ein verhältnißmäßig kleiner.
Der ungezogne Liebling der Grazien bietet keine Speise für Frauen und Kinder.
Aber Männer, welche einen vollen und kräftigen Dichtergeist kennen lernen wollen,
welche. Verständniß haben für die bezaubernde Fülle poetischer Erfindung und
phantastischer Schöpfung, und welche es lieben, in eine längst begrabene und immer
neu lebendige Welt voll ästhetischer, sittlicher und psychologischer Räthsel sich zu ver¬
senken, werden immer wieder zu Aristophanes zurückkehren und dem Uebersetzer
danken, der die staunenswerthen Schwierigkeiten seiner Aufgabe mit solcher Freiheit
und Sicherheit zu verstehen und zu überwinden wußte. --




in drei Bänden erschien, war nachgerade ein Buch geworden, das nicht nur im
eigentlichen, sondern auch im buchhändlerischen Sinne selten genannt werden mußte.
Nur noch schwer war es zu erlangen und es war dringende Nothwendigkeit, eine
neue Auflage davon zu veranstalten, welche in einem dem Werthe des Inhalts ange¬
messenen Gewände dieses Werk bringt, das zu allen Zeiten als eine wahrhaft
geniale Leistung genannt werden wird, trotz mancher Einwände, die ihm bei seinem
ersten Erscheinen begegneten, und die, da sie principieller Natur sind und mit den
Anschauungen über das Wesen und die Aufgabe einer Uebersetzung zusammenhängen,
auch jetzt in dem Leser wicdeMmstauchen werden.

Der berühmte Verfasser mrhchlte sich dies nicht und als er seine sogenannten
„Stiefkinder" (Bd. 1 xaZ. XX der ersten Auflage) zum ersten Male in die Welt
schickte, legte er (ebendas. xaZ. VIII) kurz die" Grundsätze dar, nach denen er seine
Uebersetzung geschrieben oder richtiger nachgedichtet hat. Wir bedauern es, daß er
bei der neuen Auflage dieser Vorrede keine Stelle einräumte, oder, wenn er dies
nicht wollte, daß er nicht ein neues Vorwort geschrieben hat. Ohne Zweifel würde
man von ihm, den wir leicht den Meister deutscher Uebersetzungskunst nennen mögen,
manches interessante und geistvolle Apercu über eine Aufgabe vernommen haben,
deren Wesen zu den anziehendsten literarisch-ästhetischen Problemen gehört. Die
neue Ausgabe trägt im Text wie in den erläuternden Anmerkungen und den Ein¬
leitungen zu den einzelnen Stücken vielfach die Spuren bessernder Hand und ver¬
wendet die Resultate der philologischen und historischen Arbeiten, die dem Aristo-
phanes in den letzten zwanzig Jahren zugewendet waren, in bescheidenen Grenzen,
wie sie uns bei der eigenthümlichen Beschaffenheit des Buches und dem historischen
Recht, welches sich seine ursprüngliche Gestalt erworben hat, ganz angemessen er¬
scheinen. Die Ordnung der Stücke, welche in der ersten Auflage durch äußere
Rücksichten bedingt war, ist verlassen worden, und der vorliegende Band bringt im
Anschluß an die Ausgaben des Urtextes in gewohnter Reihenfolge die Acharner,
Ritter, Wolken, Wespen und den Frieden. — Etwas zur Empfehlung dieser Ueber-
setzung zu sagen, wäre in Wahrheit überflüssig. Die Kunde von der Thatsache,
daß sie wieder zu erlangen ist, wird zu ihrer Verbreitung genügen. Zwar ist der
Leserkreis, den ein solches Buch hat und haben wird, ein verhältnißmäßig kleiner.
Der ungezogne Liebling der Grazien bietet keine Speise für Frauen und Kinder.
Aber Männer, welche einen vollen und kräftigen Dichtergeist kennen lernen wollen,
welche. Verständniß haben für die bezaubernde Fülle poetischer Erfindung und
phantastischer Schöpfung, und welche es lieben, in eine längst begrabene und immer
neu lebendige Welt voll ästhetischer, sittlicher und psychologischer Räthsel sich zu ver¬
senken, werden immer wieder zu Aristophanes zurückkehren und dem Uebersetzer
danken, der die staunenswerthen Schwierigkeiten seiner Aufgabe mit solcher Freiheit
und Sicherheit zu verstehen und zu überwinden wußte. —




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0525" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121746"/>
            <p xml:id="ID_1576" prev="#ID_1575"> in drei Bänden erschien, war nachgerade ein Buch geworden, das nicht nur im<lb/>
eigentlichen, sondern auch im buchhändlerischen Sinne selten genannt werden mußte.<lb/>
Nur noch schwer war es zu erlangen und es war dringende Nothwendigkeit, eine<lb/>
neue Auflage davon zu veranstalten, welche in einem dem Werthe des Inhalts ange¬<lb/>
messenen Gewände dieses Werk bringt, das zu allen Zeiten als eine wahrhaft<lb/>
geniale Leistung genannt werden wird, trotz mancher Einwände, die ihm bei seinem<lb/>
ersten Erscheinen begegneten, und die, da sie principieller Natur sind und mit den<lb/>
Anschauungen über das Wesen und die Aufgabe einer Uebersetzung zusammenhängen,<lb/>
auch jetzt in dem Leser wicdeMmstauchen werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1577"> Der berühmte Verfasser mrhchlte sich dies nicht und als er seine sogenannten<lb/>
&#x201E;Stiefkinder" (Bd. 1 xaZ. XX der ersten Auflage) zum ersten Male in die Welt<lb/>
schickte, legte er (ebendas. xaZ. VIII) kurz die" Grundsätze dar, nach denen er seine<lb/>
Uebersetzung geschrieben oder richtiger nachgedichtet hat. Wir bedauern es, daß er<lb/>
bei der neuen Auflage dieser Vorrede keine Stelle einräumte, oder, wenn er dies<lb/>
nicht wollte, daß er nicht ein neues Vorwort geschrieben hat. Ohne Zweifel würde<lb/>
man von ihm, den wir leicht den Meister deutscher Uebersetzungskunst nennen mögen,<lb/>
manches interessante und geistvolle Apercu über eine Aufgabe vernommen haben,<lb/>
deren Wesen zu den anziehendsten literarisch-ästhetischen Problemen gehört. Die<lb/>
neue Ausgabe trägt im Text wie in den erläuternden Anmerkungen und den Ein¬<lb/>
leitungen zu den einzelnen Stücken vielfach die Spuren bessernder Hand und ver¬<lb/>
wendet die Resultate der philologischen und historischen Arbeiten, die dem Aristo-<lb/>
phanes in den letzten zwanzig Jahren zugewendet waren, in bescheidenen Grenzen,<lb/>
wie sie uns bei der eigenthümlichen Beschaffenheit des Buches und dem historischen<lb/>
Recht, welches sich seine ursprüngliche Gestalt erworben hat, ganz angemessen er¬<lb/>
scheinen. Die Ordnung der Stücke, welche in der ersten Auflage durch äußere<lb/>
Rücksichten bedingt war, ist verlassen worden, und der vorliegende Band bringt im<lb/>
Anschluß an die Ausgaben des Urtextes in gewohnter Reihenfolge die Acharner,<lb/>
Ritter, Wolken, Wespen und den Frieden. &#x2014; Etwas zur Empfehlung dieser Ueber-<lb/>
setzung zu sagen, wäre in Wahrheit überflüssig. Die Kunde von der Thatsache,<lb/>
daß sie wieder zu erlangen ist, wird zu ihrer Verbreitung genügen. Zwar ist der<lb/>
Leserkreis, den ein solches Buch hat und haben wird, ein verhältnißmäßig kleiner.<lb/>
Der ungezogne Liebling der Grazien bietet keine Speise für Frauen und Kinder.<lb/>
Aber Männer, welche einen vollen und kräftigen Dichtergeist kennen lernen wollen,<lb/>
welche. Verständniß haben für die bezaubernde Fülle poetischer Erfindung und<lb/>
phantastischer Schöpfung, und welche es lieben, in eine längst begrabene und immer<lb/>
neu lebendige Welt voll ästhetischer, sittlicher und psychologischer Räthsel sich zu ver¬<lb/>
senken, werden immer wieder zu Aristophanes zurückkehren und dem Uebersetzer<lb/>
danken, der die staunenswerthen Schwierigkeiten seiner Aufgabe mit solcher Freiheit<lb/>
und Sicherheit zu verstehen und zu überwinden wußte. &#x2014;</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0525] in drei Bänden erschien, war nachgerade ein Buch geworden, das nicht nur im eigentlichen, sondern auch im buchhändlerischen Sinne selten genannt werden mußte. Nur noch schwer war es zu erlangen und es war dringende Nothwendigkeit, eine neue Auflage davon zu veranstalten, welche in einem dem Werthe des Inhalts ange¬ messenen Gewände dieses Werk bringt, das zu allen Zeiten als eine wahrhaft geniale Leistung genannt werden wird, trotz mancher Einwände, die ihm bei seinem ersten Erscheinen begegneten, und die, da sie principieller Natur sind und mit den Anschauungen über das Wesen und die Aufgabe einer Uebersetzung zusammenhängen, auch jetzt in dem Leser wicdeMmstauchen werden. Der berühmte Verfasser mrhchlte sich dies nicht und als er seine sogenannten „Stiefkinder" (Bd. 1 xaZ. XX der ersten Auflage) zum ersten Male in die Welt schickte, legte er (ebendas. xaZ. VIII) kurz die" Grundsätze dar, nach denen er seine Uebersetzung geschrieben oder richtiger nachgedichtet hat. Wir bedauern es, daß er bei der neuen Auflage dieser Vorrede keine Stelle einräumte, oder, wenn er dies nicht wollte, daß er nicht ein neues Vorwort geschrieben hat. Ohne Zweifel würde man von ihm, den wir leicht den Meister deutscher Uebersetzungskunst nennen mögen, manches interessante und geistvolle Apercu über eine Aufgabe vernommen haben, deren Wesen zu den anziehendsten literarisch-ästhetischen Problemen gehört. Die neue Ausgabe trägt im Text wie in den erläuternden Anmerkungen und den Ein¬ leitungen zu den einzelnen Stücken vielfach die Spuren bessernder Hand und ver¬ wendet die Resultate der philologischen und historischen Arbeiten, die dem Aristo- phanes in den letzten zwanzig Jahren zugewendet waren, in bescheidenen Grenzen, wie sie uns bei der eigenthümlichen Beschaffenheit des Buches und dem historischen Recht, welches sich seine ursprüngliche Gestalt erworben hat, ganz angemessen er¬ scheinen. Die Ordnung der Stücke, welche in der ersten Auflage durch äußere Rücksichten bedingt war, ist verlassen worden, und der vorliegende Band bringt im Anschluß an die Ausgaben des Urtextes in gewohnter Reihenfolge die Acharner, Ritter, Wolken, Wespen und den Frieden. — Etwas zur Empfehlung dieser Ueber- setzung zu sagen, wäre in Wahrheit überflüssig. Die Kunde von der Thatsache, daß sie wieder zu erlangen ist, wird zu ihrer Verbreitung genügen. Zwar ist der Leserkreis, den ein solches Buch hat und haben wird, ein verhältnißmäßig kleiner. Der ungezogne Liebling der Grazien bietet keine Speise für Frauen und Kinder. Aber Männer, welche einen vollen und kräftigen Dichtergeist kennen lernen wollen, welche. Verständniß haben für die bezaubernde Fülle poetischer Erfindung und phantastischer Schöpfung, und welche es lieben, in eine längst begrabene und immer neu lebendige Welt voll ästhetischer, sittlicher und psychologischer Räthsel sich zu ver¬ senken, werden immer wieder zu Aristophanes zurückkehren und dem Uebersetzer danken, der die staunenswerthen Schwierigkeiten seiner Aufgabe mit solcher Freiheit und Sicherheit zu verstehen und zu überwinden wußte. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/525
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/525>, abgerufen am 24.08.2024.