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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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interesser, die sich hier so sehr lohnend gestalten konnten, mehr berücksich¬
tigen wollten. Mit dem Rumänen läßt sich Alles machen, läßt sich ganz gut
auskommen, wenn man nur die rechte Methode, ihn zu behandeln, versteht.
Ein Beweis für seine gesunde Urteilsfähigkeit ist die Thatsache, daß er bei
all seiner Nussomanie sich rechtzeitig zu orientiren und einzusehen verstand,
daß sein Schwerpunkt nicht in Rußland liege -- eine Thatsache, die täglich
deutlicher hervortritt.

Als die Bojaren aus dem langen türkischen Drucke unter dem russischen
Protectorate zur Selbständigkeit erwachten, war es natürlich, daß sie sich da
vor Allem mit ihren nächsten Nachbarn zu befreunden suchten, und so kam
es, daß sie ihre Kinder in östreichische und deutsche Schulen schickten, und
alles zu Hause nach deutschen Modellen einzurichten begannen. Den Russen
mußte ein solches Vorgehen aber höchst mißliebig sein, denn sie fürchteten,
daß auf solche Weise der deutsche Einfluß in den für sie so wichtigen Fürsten -
thümern überHand nehmen und den ihrigen verdrängen oder doch Paralysiren
werde. Sie setzten daher Alles in Bewegung, um die rumänischen Sympathien
von Deutschland ab- und nach Frankreich zu lenken, was ihnen dann auch
durch verschiedene Mittel gelang, namentlich auch, weil das Franzosenthum
dem rumänischen Charakter mehr zusagte; am Ende war ja dazumal der
Wille des Czaren dem Lande, das unter seiner Obhut stand, ein Gesetz, und
der Vertreter dieses Czaren saß in der Person seines mit besonderen Voll¬
machten ausgerüsteten Consuls mitten unter ihnen und regelte ihr Verhalten
auf despotische Weise.

Die Sympathien für das Deutschthum und namentlich für Oestreich,
waren in diesen Ländern in früherer Zeit sehr lebendig gewesen. Schon 1717
mußte der regierende Fürst Bramovano mit seinen vier Söhnen seine Hin¬
neigung zu Oestreich auf Denunciation Peters des Großen, mit dem Leben
bezahlen. Die meisten jetzt lebenden Glieder der Geschlechter der Ghika.
Stourdza, Batsch, Stirbej, Cantacuzeno u. A. sind innerlich deutsch gesinnt,
und selbst der in dieser Beziehung so verketzerte Cusa hatte zu seinem Älter
kZo einen Deutschen, den obersten Chef der Telegraphen- und Postämter,
Liebrecht, den die Jnscenesetzer der Entthronung dieses Fürsten so schmählich
behandelten, und an dem sie ihr Müthchen kühlten, da sie bei dem Dazwischen¬
treten des östreichischen General-Consuls den Fürsten selbst.nicht weiter
kränken durften. Während seiner Regierung hatte sich Fürst Cusa dem in
Bukarest gebildeten deutschen Schühenverein einverleiben lassen und war ein
eifriges Mitglied desselben; nach seiner Entthronung hat er ein deutsches
Land, Oestreich zu seinem Aufenthalte erwählt. Die liberale Partei der
Patrioten, die mit Cusa zur Regierung gelangte, hatte es sich zur Aufgabe
gestellt, gegenüber den entnationalisirten Bojaren das Nationalbewußtsein im


interesser, die sich hier so sehr lohnend gestalten konnten, mehr berücksich¬
tigen wollten. Mit dem Rumänen läßt sich Alles machen, läßt sich ganz gut
auskommen, wenn man nur die rechte Methode, ihn zu behandeln, versteht.
Ein Beweis für seine gesunde Urteilsfähigkeit ist die Thatsache, daß er bei
all seiner Nussomanie sich rechtzeitig zu orientiren und einzusehen verstand,
daß sein Schwerpunkt nicht in Rußland liege — eine Thatsache, die täglich
deutlicher hervortritt.

Als die Bojaren aus dem langen türkischen Drucke unter dem russischen
Protectorate zur Selbständigkeit erwachten, war es natürlich, daß sie sich da
vor Allem mit ihren nächsten Nachbarn zu befreunden suchten, und so kam
es, daß sie ihre Kinder in östreichische und deutsche Schulen schickten, und
alles zu Hause nach deutschen Modellen einzurichten begannen. Den Russen
mußte ein solches Vorgehen aber höchst mißliebig sein, denn sie fürchteten,
daß auf solche Weise der deutsche Einfluß in den für sie so wichtigen Fürsten -
thümern überHand nehmen und den ihrigen verdrängen oder doch Paralysiren
werde. Sie setzten daher Alles in Bewegung, um die rumänischen Sympathien
von Deutschland ab- und nach Frankreich zu lenken, was ihnen dann auch
durch verschiedene Mittel gelang, namentlich auch, weil das Franzosenthum
dem rumänischen Charakter mehr zusagte; am Ende war ja dazumal der
Wille des Czaren dem Lande, das unter seiner Obhut stand, ein Gesetz, und
der Vertreter dieses Czaren saß in der Person seines mit besonderen Voll¬
machten ausgerüsteten Consuls mitten unter ihnen und regelte ihr Verhalten
auf despotische Weise.

Die Sympathien für das Deutschthum und namentlich für Oestreich,
waren in diesen Ländern in früherer Zeit sehr lebendig gewesen. Schon 1717
mußte der regierende Fürst Bramovano mit seinen vier Söhnen seine Hin¬
neigung zu Oestreich auf Denunciation Peters des Großen, mit dem Leben
bezahlen. Die meisten jetzt lebenden Glieder der Geschlechter der Ghika.
Stourdza, Batsch, Stirbej, Cantacuzeno u. A. sind innerlich deutsch gesinnt,
und selbst der in dieser Beziehung so verketzerte Cusa hatte zu seinem Älter
kZo einen Deutschen, den obersten Chef der Telegraphen- und Postämter,
Liebrecht, den die Jnscenesetzer der Entthronung dieses Fürsten so schmählich
behandelten, und an dem sie ihr Müthchen kühlten, da sie bei dem Dazwischen¬
treten des östreichischen General-Consuls den Fürsten selbst.nicht weiter
kränken durften. Während seiner Regierung hatte sich Fürst Cusa dem in
Bukarest gebildeten deutschen Schühenverein einverleiben lassen und war ein
eifriges Mitglied desselben; nach seiner Entthronung hat er ein deutsches
Land, Oestreich zu seinem Aufenthalte erwählt. Die liberale Partei der
Patrioten, die mit Cusa zur Regierung gelangte, hatte es sich zur Aufgabe
gestellt, gegenüber den entnationalisirten Bojaren das Nationalbewußtsein im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/508>, abgerufen am 22.07.2024.