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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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hing wieder eng mit einer Reorganisation des Collegiums zusammen, als
deren Schöpfer wir Augustus um so eher betrachten dürfen, je mehr die¬
selbe mit den sonstigen Tendenzen dieses Herrschers übereinstimmt. Fehlt es
uns gleich an directen Zeugnissen darüber, so sprechen die Acten selbst doch
laut genug für diese Neuordnung des Instituts, welche den ganzen Charakter
desselben umgewandelt und ihm eine Bedeutung gegeben haben muß, deren
es unter der Republik nie genoß.

Die Corporation der zwölf "Feldbrüder" gehört zu den uralten lateini¬
schen Stiftungen, die von den römischen Königen in deren Staat hinüber¬
genommen wurden. Die Legende leitete ihren Ursprung und Namen von
den zwölf Larenbrüdern ab, den Söhnen der Anna Larentia ("Larenmutter")
und guten Geistern des Feldes, als welche die Laren neben dem alten Feld¬
gott Mars auch in dem Arvallied, der ältesten sprachlichen Urkunde Roms,
angerufen werden. Alljährlich im Mai hielt das Collegium der zwölf
Brüder, mit Aehrenkränzen und weißen Binden geschmückt, den festlichen
Umzug und erflehte für die Stadtflur den Segen der Dea Dia, der "Spende¬
göttin", die, identisch mit der Larenmutter und der Erd- und Saatgöttin
nah verwandt, nur in diesem Cult auftritt. Außer diesem dreitägigen Jahres¬
fest hatten die Urvater keinerlei öffentliche Function'.

In unsern Acten bildet das Maifest allerdings fortwährend den Mittel¬
punkt der jährlichen Verrichtungen. Stets an drei Tagen dieses Monats,
am 17. 19. und 20. oder am 27. 29. und 30. (je nach der feierlichen An¬
kündigung am Jahresanfang) versammeln sich die Arvalbrüder zum Fest¬
mahl, am ersten und dritten Tag im Hause ihres Meisters oder eines Mit¬
gliedes, am zweiten, dem Hauptfesttag, im Hause des Meisters und im hei¬
ligen Hain, wo nach den üblichen Lammopfern und dem Festmahl im Cäsa-
reum oder Tetrastylum noch regelmäßig Wettrennen im Circus um den Preis
silberner Kränze gehalten wurden: dies gewiß eine spätere Stiftung. In
dem an diesem Tag üblichen Ritual, das uns in späterer Zeit immer aus¬
führlicher berichtet wird, unter den Vorschriften über Oeffnen und Schließen
der Tempelthüren, Salben und Kränzen der Götterbilder, Recitation der
alten Litanei (nach Textbüchern) im Tanzschritt, über Speise, Kleidung, Ge¬
räth u. s. w. hat sich neben später Eingeführten mancher uralte Brauch er¬
halten; wie auch die überlieferten Gebetformeln manchen kostbaren Sprach¬
rest aus der Vorzeit bewahren. Die Brüder beten zu den Töpfen, d. h. zu
den aus ältester Zeit kommenden irdenen Tempelgeräthen, die bei Opferhand¬
lungen im Gebrauch blieben und denen man eine besondere Heiligkeit bei¬
maß. So wissen wir, daß König Numa's "schwarze Schüssel" göttliche Ver¬
ehrung genoß. Und in der That haben die neuen Ausgrabungen zahlreiche
Fragmente solcher Thongeschirre der ältesten, noch ganz rohen Form und


hing wieder eng mit einer Reorganisation des Collegiums zusammen, als
deren Schöpfer wir Augustus um so eher betrachten dürfen, je mehr die¬
selbe mit den sonstigen Tendenzen dieses Herrschers übereinstimmt. Fehlt es
uns gleich an directen Zeugnissen darüber, so sprechen die Acten selbst doch
laut genug für diese Neuordnung des Instituts, welche den ganzen Charakter
desselben umgewandelt und ihm eine Bedeutung gegeben haben muß, deren
es unter der Republik nie genoß.

Die Corporation der zwölf „Feldbrüder" gehört zu den uralten lateini¬
schen Stiftungen, die von den römischen Königen in deren Staat hinüber¬
genommen wurden. Die Legende leitete ihren Ursprung und Namen von
den zwölf Larenbrüdern ab, den Söhnen der Anna Larentia („Larenmutter")
und guten Geistern des Feldes, als welche die Laren neben dem alten Feld¬
gott Mars auch in dem Arvallied, der ältesten sprachlichen Urkunde Roms,
angerufen werden. Alljährlich im Mai hielt das Collegium der zwölf
Brüder, mit Aehrenkränzen und weißen Binden geschmückt, den festlichen
Umzug und erflehte für die Stadtflur den Segen der Dea Dia, der „Spende¬
göttin", die, identisch mit der Larenmutter und der Erd- und Saatgöttin
nah verwandt, nur in diesem Cult auftritt. Außer diesem dreitägigen Jahres¬
fest hatten die Urvater keinerlei öffentliche Function'.

In unsern Acten bildet das Maifest allerdings fortwährend den Mittel¬
punkt der jährlichen Verrichtungen. Stets an drei Tagen dieses Monats,
am 17. 19. und 20. oder am 27. 29. und 30. (je nach der feierlichen An¬
kündigung am Jahresanfang) versammeln sich die Arvalbrüder zum Fest¬
mahl, am ersten und dritten Tag im Hause ihres Meisters oder eines Mit¬
gliedes, am zweiten, dem Hauptfesttag, im Hause des Meisters und im hei¬
ligen Hain, wo nach den üblichen Lammopfern und dem Festmahl im Cäsa-
reum oder Tetrastylum noch regelmäßig Wettrennen im Circus um den Preis
silberner Kränze gehalten wurden: dies gewiß eine spätere Stiftung. In
dem an diesem Tag üblichen Ritual, das uns in späterer Zeit immer aus¬
führlicher berichtet wird, unter den Vorschriften über Oeffnen und Schließen
der Tempelthüren, Salben und Kränzen der Götterbilder, Recitation der
alten Litanei (nach Textbüchern) im Tanzschritt, über Speise, Kleidung, Ge¬
räth u. s. w. hat sich neben später Eingeführten mancher uralte Brauch er¬
halten; wie auch die überlieferten Gebetformeln manchen kostbaren Sprach¬
rest aus der Vorzeit bewahren. Die Brüder beten zu den Töpfen, d. h. zu
den aus ältester Zeit kommenden irdenen Tempelgeräthen, die bei Opferhand¬
lungen im Gebrauch blieben und denen man eine besondere Heiligkeit bei¬
maß. So wissen wir, daß König Numa's „schwarze Schüssel" göttliche Ver¬
ehrung genoß. Und in der That haben die neuen Ausgrabungen zahlreiche
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/493>, abgerufen am 24.08.2024.