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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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des Hains geweiht dem die Brüder opfern. .Die heiligen Gebäude der
Brüderschaft hingegen, der Tempel der Dea Dia und das Cäsareum befanden
sich in der Ebene am Hügel: hier verrichtete das Colleg am Maifest die
heiligen Bräuche, ehe der Meister den Hügel erstieg, das Zeichen zum Beginn
des Wettrennens zu geben. Der runde Unterbau des heutigen Casino hat
einst, wie man annehmen darf, den Tempel getragen. Nach den Architektur¬
stücken, welche sich hier in beträchtlicher Zahl vorfanden, hat der Architekt
Lanciani eine Restitution des Gebäudes versucht, die freilich sehr proble¬
matisch bleibt, zumal der ziemlich junge Stil der Decorationsstücke eher auf
einen späteren Anbau als auf den alten Tempel hinweist. Auch von den
übrigen Bauwerken, deren die Acten erwähnen, dem Cäsareum, dem Circus
und dem Tetrastylum hat man Reste gesunden und danach ihre Oertlichkeit
mit mehr oder weniger Sicherheit bestimmt. Der Tempelbezirk erstreckte sich
noch über die heutige Straße hinaus: seine westliche Grenze scheint durch
Entdeckung einer Reihe Weihinschriften gegeben zu sein, welche von ver¬
schiedenen Innungen noch in republikanischer Zeit der Fors Fortuna gesetzt
sind. Das Heiligthum dieser Gottheit, dessen Gründung auf König Servius
Tullius zurückgeführt wurde und das alte Schriftsteller an den-6. Meilen¬
stein nahe dem Tiber setzen, befand sich also in der Nachbarschaft des Hains
der Dea Dia.

Das Hauptinteresse concentrirt sich indeß ohne Frage in den neu ge¬
fundenen Inschriften der Sitzungsprotokolle, welche zu der bereits
in Marini's Sammlung vorliegenden nicht blos ergänzend, sondern als ein,
auch der Masse nach ebenbürtiger Bestandtheil hinzutreten. In dieser Jn-
schriftenfolge ist uns ein Schatz von Notizen aufbewahrt, der sie an Wichtig¬
keit neben die Consular- und Triumphalfasten zu stellen erlaubt. Zu Ende
jedes Jahres, später meist erst in den Anfangsmonaten des folgenden Jahres,
wurden die Protokolle des Collegs auf einzelne in die Tempelwände des
Stylobats eingelassene Tafeln eingegraben: erst in der späteren Zeit, als es
an Raum gebrach, scheint man sie auf freistehende Steine, Stuhlwände u. a.
an verschiedenen Plätzen des Hains geschrieben zu haben: ein Umstand, der
die nachmalige Zerstreuung der Arvalacten besonders erleichterte. Dank dem
neuesten Funde können wir nunmehr die Geschichte der Brüderschaft durch
die Regierungen aller Kaiser von Augustus ab bis ins dritte Jahrhundert,
wo sich mit Gordianus die Spur verliert, verfolgen. Besonders reich sind
in dem jetzt Gefundenen die Regierungen Nero's, der Flavier und Trajan's
bedacht, auch das tolle Jahr des Interregnums nach Nero's Tod (69)
fehlt nicht.

Aus der Zeit vor August haben wir keine Protokolle: gewiß fing man
erst unter den Kaisern an, dieselben aufzuzeichnen. Aber diese Auszeichnung


des Hains geweiht dem die Brüder opfern. .Die heiligen Gebäude der
Brüderschaft hingegen, der Tempel der Dea Dia und das Cäsareum befanden
sich in der Ebene am Hügel: hier verrichtete das Colleg am Maifest die
heiligen Bräuche, ehe der Meister den Hügel erstieg, das Zeichen zum Beginn
des Wettrennens zu geben. Der runde Unterbau des heutigen Casino hat
einst, wie man annehmen darf, den Tempel getragen. Nach den Architektur¬
stücken, welche sich hier in beträchtlicher Zahl vorfanden, hat der Architekt
Lanciani eine Restitution des Gebäudes versucht, die freilich sehr proble¬
matisch bleibt, zumal der ziemlich junge Stil der Decorationsstücke eher auf
einen späteren Anbau als auf den alten Tempel hinweist. Auch von den
übrigen Bauwerken, deren die Acten erwähnen, dem Cäsareum, dem Circus
und dem Tetrastylum hat man Reste gesunden und danach ihre Oertlichkeit
mit mehr oder weniger Sicherheit bestimmt. Der Tempelbezirk erstreckte sich
noch über die heutige Straße hinaus: seine westliche Grenze scheint durch
Entdeckung einer Reihe Weihinschriften gegeben zu sein, welche von ver¬
schiedenen Innungen noch in republikanischer Zeit der Fors Fortuna gesetzt
sind. Das Heiligthum dieser Gottheit, dessen Gründung auf König Servius
Tullius zurückgeführt wurde und das alte Schriftsteller an den-6. Meilen¬
stein nahe dem Tiber setzen, befand sich also in der Nachbarschaft des Hains
der Dea Dia.

Das Hauptinteresse concentrirt sich indeß ohne Frage in den neu ge¬
fundenen Inschriften der Sitzungsprotokolle, welche zu der bereits
in Marini's Sammlung vorliegenden nicht blos ergänzend, sondern als ein,
auch der Masse nach ebenbürtiger Bestandtheil hinzutreten. In dieser Jn-
schriftenfolge ist uns ein Schatz von Notizen aufbewahrt, der sie an Wichtig¬
keit neben die Consular- und Triumphalfasten zu stellen erlaubt. Zu Ende
jedes Jahres, später meist erst in den Anfangsmonaten des folgenden Jahres,
wurden die Protokolle des Collegs auf einzelne in die Tempelwände des
Stylobats eingelassene Tafeln eingegraben: erst in der späteren Zeit, als es
an Raum gebrach, scheint man sie auf freistehende Steine, Stuhlwände u. a.
an verschiedenen Plätzen des Hains geschrieben zu haben: ein Umstand, der
die nachmalige Zerstreuung der Arvalacten besonders erleichterte. Dank dem
neuesten Funde können wir nunmehr die Geschichte der Brüderschaft durch
die Regierungen aller Kaiser von Augustus ab bis ins dritte Jahrhundert,
wo sich mit Gordianus die Spur verliert, verfolgen. Besonders reich sind
in dem jetzt Gefundenen die Regierungen Nero's, der Flavier und Trajan's
bedacht, auch das tolle Jahr des Interregnums nach Nero's Tod (69)
fehlt nicht.

Aus der Zeit vor August haben wir keine Protokolle: gewiß fing man
erst unter den Kaisern an, dieselben aufzuzeichnen. Aber diese Auszeichnung


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[0492] des Hains geweiht dem die Brüder opfern. .Die heiligen Gebäude der Brüderschaft hingegen, der Tempel der Dea Dia und das Cäsareum befanden sich in der Ebene am Hügel: hier verrichtete das Colleg am Maifest die heiligen Bräuche, ehe der Meister den Hügel erstieg, das Zeichen zum Beginn des Wettrennens zu geben. Der runde Unterbau des heutigen Casino hat einst, wie man annehmen darf, den Tempel getragen. Nach den Architektur¬ stücken, welche sich hier in beträchtlicher Zahl vorfanden, hat der Architekt Lanciani eine Restitution des Gebäudes versucht, die freilich sehr proble¬ matisch bleibt, zumal der ziemlich junge Stil der Decorationsstücke eher auf einen späteren Anbau als auf den alten Tempel hinweist. Auch von den übrigen Bauwerken, deren die Acten erwähnen, dem Cäsareum, dem Circus und dem Tetrastylum hat man Reste gesunden und danach ihre Oertlichkeit mit mehr oder weniger Sicherheit bestimmt. Der Tempelbezirk erstreckte sich noch über die heutige Straße hinaus: seine westliche Grenze scheint durch Entdeckung einer Reihe Weihinschriften gegeben zu sein, welche von ver¬ schiedenen Innungen noch in republikanischer Zeit der Fors Fortuna gesetzt sind. Das Heiligthum dieser Gottheit, dessen Gründung auf König Servius Tullius zurückgeführt wurde und das alte Schriftsteller an den-6. Meilen¬ stein nahe dem Tiber setzen, befand sich also in der Nachbarschaft des Hains der Dea Dia. Das Hauptinteresse concentrirt sich indeß ohne Frage in den neu ge¬ fundenen Inschriften der Sitzungsprotokolle, welche zu der bereits in Marini's Sammlung vorliegenden nicht blos ergänzend, sondern als ein, auch der Masse nach ebenbürtiger Bestandtheil hinzutreten. In dieser Jn- schriftenfolge ist uns ein Schatz von Notizen aufbewahrt, der sie an Wichtig¬ keit neben die Consular- und Triumphalfasten zu stellen erlaubt. Zu Ende jedes Jahres, später meist erst in den Anfangsmonaten des folgenden Jahres, wurden die Protokolle des Collegs auf einzelne in die Tempelwände des Stylobats eingelassene Tafeln eingegraben: erst in der späteren Zeit, als es an Raum gebrach, scheint man sie auf freistehende Steine, Stuhlwände u. a. an verschiedenen Plätzen des Hains geschrieben zu haben: ein Umstand, der die nachmalige Zerstreuung der Arvalacten besonders erleichterte. Dank dem neuesten Funde können wir nunmehr die Geschichte der Brüderschaft durch die Regierungen aller Kaiser von Augustus ab bis ins dritte Jahrhundert, wo sich mit Gordianus die Spur verliert, verfolgen. Besonders reich sind in dem jetzt Gefundenen die Regierungen Nero's, der Flavier und Trajan's bedacht, auch das tolle Jahr des Interregnums nach Nero's Tod (69) fehlt nicht. Aus der Zeit vor August haben wir keine Protokolle: gewiß fing man erst unter den Kaisern an, dieselben aufzuzeichnen. Aber diese Auszeichnung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/492>, abgerufen am 24.08.2024.