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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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außerdem Reste von Jahresfasten (Beamtenregistern) und schöne Bruchstücke
eines Kalenders. Es war klar, daß die Christen sich ihre Grabdeckel aus
der Nähe nach Bedürfniß zusammengesucht und dabei auch die Wände des
verlassenen Arvalenheiligthums nicht geschont hatten- An die Grabstätte
schloß sich auf dem Gipfel des Hügels eine christliche Katakombe höchst ein¬
facher Anlage; die Grabhöhle in der Wand auch hier nur mit Backsteinen
verschlossen, höchst selten Malereien oder eingeritzte Inschriften: vor derselben
zahlreiche Ueberreste'von Säulen, Stufen, Mosaiken eines Oratoriums, das
läut' der Inschrift Papst Damasus (-j- 384) den Märtyrern Simplicius,
Faustinus und Beatrix geweiht hatte, und christliche Grabinschriften des
vierten Jahrhunderts, welche einst den Boden und Grund des Oratoriums
bedeckt hatten und welche die Anlage der Gräberstätte in der Nähe erklärten.
Auf dieser ward nun die Untersuchung eifrig weitergeführt und ergab besonders
in den Monaten Mai und Juni eine reiche Ernte an Arvaleninschriften, in
der Regel nur Fragmenten, deren Zusammengehörigkeit sich jedoch in den
meisten Fällen mit Bestimmtheit hat erweisen lassen. Von der Mühe und
Ausdauer allerdings, welche das Zusammensetzen der so gefundenen Bruch¬
stücke erforderte, wird sich nur der einen Begriff machen können, der, wie
der Schreiber dieser Zeilen, im vergangenen Winter die Fundgegenstände
selbst an dem provisorischen Aufbewahrungsorte in einem Schuppen der Vigna
Ceccarelli hat betrachten können. Sorgfältigste Prüfung des Materials
und der Buchstabenform, fortwährende Begleichung aller einschlagenden
Momente und unermüdete Erwägung aller Möglichkeiten, ein an der Ent¬
zifferung epigraphischer Denkmäler geschärftes Auge und eine bewegliche und
nie unstete Combination gehörten dazu, Hunderten von Bruchstücken, die, an
verschiedenen Orten gefunden, oft ohne jedes charakteristische Zeichen waren,
in der betreffenden Tafel ihren Platz anzuweisen und sie nach Analogie zu
ergänzen. In überraschender Weise hat Herzen diese Aufgabe gelöst: noch
im Laufe des Jahres 1868 konnte er die Resultate der Ausgrabungen bis
zum September, die Tafeln und Tafelfragmente mit den Protokollen des
Collegiums in chronologischer Folge und mit fortlaufendem, alle einschlagen¬
den Punkte trefflich erörternden Commentar in einem stattlichen Bande dem
Publikum vorlegen.*)

Ueber die Anlage und Ausdehnung des Arvalenhains gestatten uns die
neuen Ausgrabungen eine nahezu sichere Orientirung. Der heilige Hain lag
auf der Höhe und an der Senkung des Hügels: wahrscheinlich bildeten das
Oratorium des Damasus und die Katakombe die äußere Grenze desselben.
Hier fand sich noch ein kleiner Altar mit einer Schlange, wohl dem Genius



") Lvavi uft bosoo asi ki'Äwlli arvali, Rom" 1868 mit 6 Tafeln. Ein starker
Nachtrag ist seitdem im letzten Maiheft dis tZuIlotmo ekelt Instiww iU'vluzoloLieo hinzugekommen.

außerdem Reste von Jahresfasten (Beamtenregistern) und schöne Bruchstücke
eines Kalenders. Es war klar, daß die Christen sich ihre Grabdeckel aus
der Nähe nach Bedürfniß zusammengesucht und dabei auch die Wände des
verlassenen Arvalenheiligthums nicht geschont hatten- An die Grabstätte
schloß sich auf dem Gipfel des Hügels eine christliche Katakombe höchst ein¬
facher Anlage; die Grabhöhle in der Wand auch hier nur mit Backsteinen
verschlossen, höchst selten Malereien oder eingeritzte Inschriften: vor derselben
zahlreiche Ueberreste'von Säulen, Stufen, Mosaiken eines Oratoriums, das
läut' der Inschrift Papst Damasus (-j- 384) den Märtyrern Simplicius,
Faustinus und Beatrix geweiht hatte, und christliche Grabinschriften des
vierten Jahrhunderts, welche einst den Boden und Grund des Oratoriums
bedeckt hatten und welche die Anlage der Gräberstätte in der Nähe erklärten.
Auf dieser ward nun die Untersuchung eifrig weitergeführt und ergab besonders
in den Monaten Mai und Juni eine reiche Ernte an Arvaleninschriften, in
der Regel nur Fragmenten, deren Zusammengehörigkeit sich jedoch in den
meisten Fällen mit Bestimmtheit hat erweisen lassen. Von der Mühe und
Ausdauer allerdings, welche das Zusammensetzen der so gefundenen Bruch¬
stücke erforderte, wird sich nur der einen Begriff machen können, der, wie
der Schreiber dieser Zeilen, im vergangenen Winter die Fundgegenstände
selbst an dem provisorischen Aufbewahrungsorte in einem Schuppen der Vigna
Ceccarelli hat betrachten können. Sorgfältigste Prüfung des Materials
und der Buchstabenform, fortwährende Begleichung aller einschlagenden
Momente und unermüdete Erwägung aller Möglichkeiten, ein an der Ent¬
zifferung epigraphischer Denkmäler geschärftes Auge und eine bewegliche und
nie unstete Combination gehörten dazu, Hunderten von Bruchstücken, die, an
verschiedenen Orten gefunden, oft ohne jedes charakteristische Zeichen waren,
in der betreffenden Tafel ihren Platz anzuweisen und sie nach Analogie zu
ergänzen. In überraschender Weise hat Herzen diese Aufgabe gelöst: noch
im Laufe des Jahres 1868 konnte er die Resultate der Ausgrabungen bis
zum September, die Tafeln und Tafelfragmente mit den Protokollen des
Collegiums in chronologischer Folge und mit fortlaufendem, alle einschlagen¬
den Punkte trefflich erörternden Commentar in einem stattlichen Bande dem
Publikum vorlegen.*)

Ueber die Anlage und Ausdehnung des Arvalenhains gestatten uns die
neuen Ausgrabungen eine nahezu sichere Orientirung. Der heilige Hain lag
auf der Höhe und an der Senkung des Hügels: wahrscheinlich bildeten das
Oratorium des Damasus und die Katakombe die äußere Grenze desselben.
Hier fand sich noch ein kleiner Altar mit einer Schlange, wohl dem Genius



") Lvavi uft bosoo asi ki'Äwlli arvali, Rom» 1868 mit 6 Tafeln. Ein starker
Nachtrag ist seitdem im letzten Maiheft dis tZuIlotmo ekelt Instiww iU'vluzoloLieo hinzugekommen.
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[0491] außerdem Reste von Jahresfasten (Beamtenregistern) und schöne Bruchstücke eines Kalenders. Es war klar, daß die Christen sich ihre Grabdeckel aus der Nähe nach Bedürfniß zusammengesucht und dabei auch die Wände des verlassenen Arvalenheiligthums nicht geschont hatten- An die Grabstätte schloß sich auf dem Gipfel des Hügels eine christliche Katakombe höchst ein¬ facher Anlage; die Grabhöhle in der Wand auch hier nur mit Backsteinen verschlossen, höchst selten Malereien oder eingeritzte Inschriften: vor derselben zahlreiche Ueberreste'von Säulen, Stufen, Mosaiken eines Oratoriums, das läut' der Inschrift Papst Damasus (-j- 384) den Märtyrern Simplicius, Faustinus und Beatrix geweiht hatte, und christliche Grabinschriften des vierten Jahrhunderts, welche einst den Boden und Grund des Oratoriums bedeckt hatten und welche die Anlage der Gräberstätte in der Nähe erklärten. Auf dieser ward nun die Untersuchung eifrig weitergeführt und ergab besonders in den Monaten Mai und Juni eine reiche Ernte an Arvaleninschriften, in der Regel nur Fragmenten, deren Zusammengehörigkeit sich jedoch in den meisten Fällen mit Bestimmtheit hat erweisen lassen. Von der Mühe und Ausdauer allerdings, welche das Zusammensetzen der so gefundenen Bruch¬ stücke erforderte, wird sich nur der einen Begriff machen können, der, wie der Schreiber dieser Zeilen, im vergangenen Winter die Fundgegenstände selbst an dem provisorischen Aufbewahrungsorte in einem Schuppen der Vigna Ceccarelli hat betrachten können. Sorgfältigste Prüfung des Materials und der Buchstabenform, fortwährende Begleichung aller einschlagenden Momente und unermüdete Erwägung aller Möglichkeiten, ein an der Ent¬ zifferung epigraphischer Denkmäler geschärftes Auge und eine bewegliche und nie unstete Combination gehörten dazu, Hunderten von Bruchstücken, die, an verschiedenen Orten gefunden, oft ohne jedes charakteristische Zeichen waren, in der betreffenden Tafel ihren Platz anzuweisen und sie nach Analogie zu ergänzen. In überraschender Weise hat Herzen diese Aufgabe gelöst: noch im Laufe des Jahres 1868 konnte er die Resultate der Ausgrabungen bis zum September, die Tafeln und Tafelfragmente mit den Protokollen des Collegiums in chronologischer Folge und mit fortlaufendem, alle einschlagen¬ den Punkte trefflich erörternden Commentar in einem stattlichen Bande dem Publikum vorlegen.*) Ueber die Anlage und Ausdehnung des Arvalenhains gestatten uns die neuen Ausgrabungen eine nahezu sichere Orientirung. Der heilige Hain lag auf der Höhe und an der Senkung des Hügels: wahrscheinlich bildeten das Oratorium des Damasus und die Katakombe die äußere Grenze desselben. Hier fand sich noch ein kleiner Altar mit einer Schlange, wohl dem Genius ") Lvavi uft bosoo asi ki'Äwlli arvali, Rom» 1868 mit 6 Tafeln. Ein starker Nachtrag ist seitdem im letzten Maiheft dis tZuIlotmo ekelt Instiww iU'vluzoloLieo hinzugekommen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/491>, abgerufen am 24.08.2024.