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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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den Garibaldianern bedrängt wurde, eilte er dahin. Er kam in Rom wenige
Stunden vor der Schlacht bei Mendana an; gleich am folgenden Tage war
er auf dem Schlachtfelde; er sorgte selbst für die Verwundeten -- einem
Schwergetrosfenen gab er seinen Mantel hin -- für die Einrichtung von
Spitälern, für ihren Transport nach Rom; überall forschte er den Spuren
der Vermißten nach. Aber die Anstrengung war zu stark für den bereits
gebrochenen Mann; seine aufopfernde Thätigkeit zog ihm eine Krankheit zu,
welche die letzte sein sollte. Nach kurzem Leiden starb er in Rom den 15. Dec.
1867, gerade 62 Jahre alt.

Auf dem diesjährigen Salon war ein lebensgroßes Porträt des Duc
de Luynes ausgestellt: der hervortretende Zug ist mehr Offenheit und Würde,
die sich namentlich in der breiten Stirne spiegeln, als Geist und Witz; doch
haben die kleinen blauen Augen, der etwas große Mund bei aller Gut¬
müthigkeit eine gewisse Feinheit, welche die hohe Richtung, die edeln Nei¬
gungen ihres Besitzers verrathen.

Endlich sei noch bemerkt, daß der Herzog nie von irgend einem Souverän
einen Orden annahm, mit einziger Ausnahme des preußischen ?our is um'its,
den ihm Friedrich Wilhelm IV. verlieh. -- Wir wollen das Bild nicht trüben
indem wir hinzufügen, wie unwürdig ihres hochsinnigen Vorfahren die näch¬
sten Nachkommen des Duc de Luynes sich gezeigt haben: wenn wir sagen,
daß sie nicht besser und nicht schlechter sind als die meisten jungen Leute aus
dem Faubourg Saint-Germain, so ist damit genug gesagt, und ihre trostlose
Nichtigkeit deutlich genug bezeichnet.

Solche Naturen wie der Duc de Luynes waren zu allen Zeiten selten,
sie werden es immer mehr. Heute scheinen die Franzosen Geldsucht und
Egoismus als die Haupteigenschaften ihres Charakters auszubilden; und
wenn das Vermögen zusammengehäuft ist, so ist der Genuß, den der Besitzer
davon hat, ein precärer, der Gebrauch, den er davon macht, ein kleinlicher
und engherziger. Die altgallische Lebenslust, der überschäumende Enthusias¬
mus, der den Nachbarn so oft unbequem war, sie sind verschwunden. Kaum
glaubt einer an sich selbst, kaum an die Wissenschaft, der er sich vielleicht er¬
geben hat; wie sollte er dazu kommen, sein Bestes, d. h. sein Vermögen, zur
Erreichung idealer Träumereien zu verschwenden! ! Es ist ein trauriges Bild,
das namentlich von den höchsten Classen der französischen Gesellschaft ge¬
boten wird.

Man hat den Duc de Luynes Is äLimier gMtillwmmö genannt: ein
Edelmann war er, ein ganzer, voller, im besten, schönsten, Sinne des Wortes.
Möge er nicht der letzte gewesen sein!




den Garibaldianern bedrängt wurde, eilte er dahin. Er kam in Rom wenige
Stunden vor der Schlacht bei Mendana an; gleich am folgenden Tage war
er auf dem Schlachtfelde; er sorgte selbst für die Verwundeten — einem
Schwergetrosfenen gab er seinen Mantel hin — für die Einrichtung von
Spitälern, für ihren Transport nach Rom; überall forschte er den Spuren
der Vermißten nach. Aber die Anstrengung war zu stark für den bereits
gebrochenen Mann; seine aufopfernde Thätigkeit zog ihm eine Krankheit zu,
welche die letzte sein sollte. Nach kurzem Leiden starb er in Rom den 15. Dec.
1867, gerade 62 Jahre alt.

Auf dem diesjährigen Salon war ein lebensgroßes Porträt des Duc
de Luynes ausgestellt: der hervortretende Zug ist mehr Offenheit und Würde,
die sich namentlich in der breiten Stirne spiegeln, als Geist und Witz; doch
haben die kleinen blauen Augen, der etwas große Mund bei aller Gut¬
müthigkeit eine gewisse Feinheit, welche die hohe Richtung, die edeln Nei¬
gungen ihres Besitzers verrathen.

Endlich sei noch bemerkt, daß der Herzog nie von irgend einem Souverän
einen Orden annahm, mit einziger Ausnahme des preußischen ?our is um'its,
den ihm Friedrich Wilhelm IV. verlieh. — Wir wollen das Bild nicht trüben
indem wir hinzufügen, wie unwürdig ihres hochsinnigen Vorfahren die näch¬
sten Nachkommen des Duc de Luynes sich gezeigt haben: wenn wir sagen,
daß sie nicht besser und nicht schlechter sind als die meisten jungen Leute aus
dem Faubourg Saint-Germain, so ist damit genug gesagt, und ihre trostlose
Nichtigkeit deutlich genug bezeichnet.

Solche Naturen wie der Duc de Luynes waren zu allen Zeiten selten,
sie werden es immer mehr. Heute scheinen die Franzosen Geldsucht und
Egoismus als die Haupteigenschaften ihres Charakters auszubilden; und
wenn das Vermögen zusammengehäuft ist, so ist der Genuß, den der Besitzer
davon hat, ein precärer, der Gebrauch, den er davon macht, ein kleinlicher
und engherziger. Die altgallische Lebenslust, der überschäumende Enthusias¬
mus, der den Nachbarn so oft unbequem war, sie sind verschwunden. Kaum
glaubt einer an sich selbst, kaum an die Wissenschaft, der er sich vielleicht er¬
geben hat; wie sollte er dazu kommen, sein Bestes, d. h. sein Vermögen, zur
Erreichung idealer Träumereien zu verschwenden! ! Es ist ein trauriges Bild,
das namentlich von den höchsten Classen der französischen Gesellschaft ge¬
boten wird.

Man hat den Duc de Luynes Is äLimier gMtillwmmö genannt: ein
Edelmann war er, ein ganzer, voller, im besten, schönsten, Sinne des Wortes.
Möge er nicht der letzte gewesen sein!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/469>, abgerufen am 02.10.2024.