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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Adel und Hoheit des Sinnes, sie nahm Theil an seinen Studien wie an
seinen Werken der Wohlthätigkeit. Von diesem Schmerze hat sich der tief¬
gebeugte Herzog nie erholt. Sein Sohn, eine rohe, sinnliche Natur, niedri¬
gen Ausschweifungen ergeben, war bereits 1834 elend umgekommen. Eine
Enkelin, die hochbegabte, reizende Marquise von Sabrau, wurde, eben erst
verheirathet, aus der Mitte der Ihrigen plötzlich hinweggerafft. Seine jungen
Enkel endlich zeigten zu wissenschaftlicher Beschäftigung weder Lust nach An¬
lage, und so fühlte sich der Herzog, den Schwermuth und Gram nicht zu
eigner Arbeit kommen ließen, bewogen, die kostbaren Sammlungen, die er
während eines thätigen Lebens auf Reisen angelegt hatte, der kaiserlichen
Bibliothek in Paris zu überreichen. (Ende 1862.) Wohl nie ist von einem
Privatmanne einem öffentlichen Institute ein solches Geschenk gemacht wor¬
den ; die Sammlungen, deren Hauptreichthum in Münzen, geschnittenen Stei¬
nen, Goldkleinodien und bemalten Basen besteht, haben einen Werth von
über 1,300,000 Fras. Von besonderem Interesse sind die Architekturfrag¬
mente aus Metapont, und der herrliche Marmortorso einer aus dem Meere
aufsteigenden Aphrodite. Alle diese Gegenstände sind in einem besonderen,
geschmackvoll decorirten Saale vereinigt, der den Namen des Duc de
Luynes trägt.

Noch einmal (1864) raffte sich der leidende, hartgeprüfte Herzog zu einer
großen wissenschaftlichen Unternehmung auf. Das gelobte Land und nament¬
lich das Todte Meer wollte er selbst besuchen und erforschen. In Beglei¬
tung von tüchtigen Gelehrten und Officieren erreichte er diesen merkwürdigen
Binnensee; ein eigens zu diesem Zweck gebautes und unter großen Schwie¬
rigkeiten transportirtes Boot nahm die kleine Erpedition auf, die in der un¬
gesunden, von der glühendsten Sonne gesengten Gegend einen längeren Auf¬
enthalt nahm. Die naturwissenschaftlichen Ergebnisse der Reise sind großen-
theils schon publient, die archäologischen Resulate, die dem Duc de Luynes
selbst zu verarbeiten nicht mehr vergönnt war, wird der bekannte Vicomte
Melchior de Vogüe' veröffentlichen.

Wir haben gesehen, daß der Duc de Luynes von Herzen Legitimist
war; es wird uns daher nicht wundern, daß er eifriger Anhänger der welt¬
lichen Macht des Papstes war, und zwar waren seine Beweggründe rein
politischer, durchaus nicht religiöser Art. Als Mitglied der Nationalver¬
sammlungen 1848 und 1849 hatte er für alle Maßregeln gestimmt, die der
römischen Curie Schutz zu bieten bestimmt waren. Er steuerte auch mit be¬
deutenden Summen zur Ausrüstung des päpstlichen Heeres bei, und sein
eigener Enkel -- übrigens ein ganz unbedeutender junger Mann -- nahm
bei den Zuaven Dienste. Er selbst entschloß sich, durch eigene Gegenwart
seine Principien laut kundzugeben, und als Ende 1867 die ewige Stadt von


Adel und Hoheit des Sinnes, sie nahm Theil an seinen Studien wie an
seinen Werken der Wohlthätigkeit. Von diesem Schmerze hat sich der tief¬
gebeugte Herzog nie erholt. Sein Sohn, eine rohe, sinnliche Natur, niedri¬
gen Ausschweifungen ergeben, war bereits 1834 elend umgekommen. Eine
Enkelin, die hochbegabte, reizende Marquise von Sabrau, wurde, eben erst
verheirathet, aus der Mitte der Ihrigen plötzlich hinweggerafft. Seine jungen
Enkel endlich zeigten zu wissenschaftlicher Beschäftigung weder Lust nach An¬
lage, und so fühlte sich der Herzog, den Schwermuth und Gram nicht zu
eigner Arbeit kommen ließen, bewogen, die kostbaren Sammlungen, die er
während eines thätigen Lebens auf Reisen angelegt hatte, der kaiserlichen
Bibliothek in Paris zu überreichen. (Ende 1862.) Wohl nie ist von einem
Privatmanne einem öffentlichen Institute ein solches Geschenk gemacht wor¬
den ; die Sammlungen, deren Hauptreichthum in Münzen, geschnittenen Stei¬
nen, Goldkleinodien und bemalten Basen besteht, haben einen Werth von
über 1,300,000 Fras. Von besonderem Interesse sind die Architekturfrag¬
mente aus Metapont, und der herrliche Marmortorso einer aus dem Meere
aufsteigenden Aphrodite. Alle diese Gegenstände sind in einem besonderen,
geschmackvoll decorirten Saale vereinigt, der den Namen des Duc de
Luynes trägt.

Noch einmal (1864) raffte sich der leidende, hartgeprüfte Herzog zu einer
großen wissenschaftlichen Unternehmung auf. Das gelobte Land und nament¬
lich das Todte Meer wollte er selbst besuchen und erforschen. In Beglei¬
tung von tüchtigen Gelehrten und Officieren erreichte er diesen merkwürdigen
Binnensee; ein eigens zu diesem Zweck gebautes und unter großen Schwie¬
rigkeiten transportirtes Boot nahm die kleine Erpedition auf, die in der un¬
gesunden, von der glühendsten Sonne gesengten Gegend einen längeren Auf¬
enthalt nahm. Die naturwissenschaftlichen Ergebnisse der Reise sind großen-
theils schon publient, die archäologischen Resulate, die dem Duc de Luynes
selbst zu verarbeiten nicht mehr vergönnt war, wird der bekannte Vicomte
Melchior de Vogüe' veröffentlichen.

Wir haben gesehen, daß der Duc de Luynes von Herzen Legitimist
war; es wird uns daher nicht wundern, daß er eifriger Anhänger der welt¬
lichen Macht des Papstes war, und zwar waren seine Beweggründe rein
politischer, durchaus nicht religiöser Art. Als Mitglied der Nationalver¬
sammlungen 1848 und 1849 hatte er für alle Maßregeln gestimmt, die der
römischen Curie Schutz zu bieten bestimmt waren. Er steuerte auch mit be¬
deutenden Summen zur Ausrüstung des päpstlichen Heeres bei, und sein
eigener Enkel — übrigens ein ganz unbedeutender junger Mann — nahm
bei den Zuaven Dienste. Er selbst entschloß sich, durch eigene Gegenwart
seine Principien laut kundzugeben, und als Ende 1867 die ewige Stadt von


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[0468] Adel und Hoheit des Sinnes, sie nahm Theil an seinen Studien wie an seinen Werken der Wohlthätigkeit. Von diesem Schmerze hat sich der tief¬ gebeugte Herzog nie erholt. Sein Sohn, eine rohe, sinnliche Natur, niedri¬ gen Ausschweifungen ergeben, war bereits 1834 elend umgekommen. Eine Enkelin, die hochbegabte, reizende Marquise von Sabrau, wurde, eben erst verheirathet, aus der Mitte der Ihrigen plötzlich hinweggerafft. Seine jungen Enkel endlich zeigten zu wissenschaftlicher Beschäftigung weder Lust nach An¬ lage, und so fühlte sich der Herzog, den Schwermuth und Gram nicht zu eigner Arbeit kommen ließen, bewogen, die kostbaren Sammlungen, die er während eines thätigen Lebens auf Reisen angelegt hatte, der kaiserlichen Bibliothek in Paris zu überreichen. (Ende 1862.) Wohl nie ist von einem Privatmanne einem öffentlichen Institute ein solches Geschenk gemacht wor¬ den ; die Sammlungen, deren Hauptreichthum in Münzen, geschnittenen Stei¬ nen, Goldkleinodien und bemalten Basen besteht, haben einen Werth von über 1,300,000 Fras. Von besonderem Interesse sind die Architekturfrag¬ mente aus Metapont, und der herrliche Marmortorso einer aus dem Meere aufsteigenden Aphrodite. Alle diese Gegenstände sind in einem besonderen, geschmackvoll decorirten Saale vereinigt, der den Namen des Duc de Luynes trägt. Noch einmal (1864) raffte sich der leidende, hartgeprüfte Herzog zu einer großen wissenschaftlichen Unternehmung auf. Das gelobte Land und nament¬ lich das Todte Meer wollte er selbst besuchen und erforschen. In Beglei¬ tung von tüchtigen Gelehrten und Officieren erreichte er diesen merkwürdigen Binnensee; ein eigens zu diesem Zweck gebautes und unter großen Schwie¬ rigkeiten transportirtes Boot nahm die kleine Erpedition auf, die in der un¬ gesunden, von der glühendsten Sonne gesengten Gegend einen längeren Auf¬ enthalt nahm. Die naturwissenschaftlichen Ergebnisse der Reise sind großen- theils schon publient, die archäologischen Resulate, die dem Duc de Luynes selbst zu verarbeiten nicht mehr vergönnt war, wird der bekannte Vicomte Melchior de Vogüe' veröffentlichen. Wir haben gesehen, daß der Duc de Luynes von Herzen Legitimist war; es wird uns daher nicht wundern, daß er eifriger Anhänger der welt¬ lichen Macht des Papstes war, und zwar waren seine Beweggründe rein politischer, durchaus nicht religiöser Art. Als Mitglied der Nationalver¬ sammlungen 1848 und 1849 hatte er für alle Maßregeln gestimmt, die der römischen Curie Schutz zu bieten bestimmt waren. Er steuerte auch mit be¬ deutenden Summen zur Ausrüstung des päpstlichen Heeres bei, und sein eigener Enkel — übrigens ein ganz unbedeutender junger Mann — nahm bei den Zuaven Dienste. Er selbst entschloß sich, durch eigene Gegenwart seine Principien laut kundzugeben, und als Ende 1867 die ewige Stadt von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/468>, abgerufen am 05.02.2025.