Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.Das jetzige Schloß Dampierre wurde auf den Grundlagen des alten im I. Grenzboten Hi. 1869. S8
Das jetzige Schloß Dampierre wurde auf den Grundlagen des alten im I. Grenzboten Hi. 1869. S8
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Das jetzige Schloß Dampierre wurde auf den Grundlagen des alten im I.
1667 gebaut, als sein Besitzer eine Tochter Colbert's heirathete; es ist großartig,
obgleich nicht sehr hoch, streng symmetrisch gegliedert, die Faxade vielleicht
etwas zu wenig belebt. Eine Beschreibung des bis in den letzten Winkel
schönen und harmonischen Gebäudes würde uns hier zu weit führen; wir
wollen nur die Kunstschöpfungen berühren, die dem unmittelbaren Antriebe
des Herzogs ihre Entstehung verdanken. Wir gehen an Cavelier's schlafender
Penelope vorbei, einem herrlichen, vom edelsten Gefühle künstlerischen Maßes
beseelten Werke; auch bei der kecken, jugendfrischem Statue Ludwigs XIII.,
von Fr. Unde in Silber getrieben, halten wir uns nicht auf, um gleich nach
dem Saale zu gelangen, der die Schätze des Schlosses enthält, das Wand¬
bild von Ingres und Simart's chryselephantine Athene. Aus diesem Saale,
seiner Lieblingsschöpfung, hat der Herzog ein wahres Kunstheiligthum ge¬
schaffen. An den Schmalseiten erheben sich schlanke, von polychromen Karya¬
tiden getragene Gallerien. Die eine Langseite nimmt jetzt eine prächtige,
höchst geschmackvoll aufgestellte Waffensammlung ein, darunter ein wirklich
ächter Helm von Benvenuto. Diese Wand war dazu bestimmt, ebenfalls
von Ingres mit einem Gemälde geschmückt zu werden, aber der Plan ward
zu nichte durch die gleich zu besprechenden MißHelligkeiten. Schon 1840
hatte der Duc de Luynes in Rom den Meister aufgefordert, seinen Saal mit
Wandbildern zu zieren, und eine günstige Antwort erhalten, aber erst im Früh¬
jahre 1843 konnte Ingres ans Werk schreiten. In einer großen Composition
sollte das goldene Zeitalter dargestellt werden; aber schon die Feststellung der
zu wählenden Technik stieß auf Schwierigkeiten; der eine hätte lieber Bilder auf
Leinwand gehabt, der andere wollte Fresken; man entschied sich für eine Art
von Oelmalerei auf Stuck. Nun wurde Ingres der eine Flügel des Schlosses
zur Verfügung gestellt, und er nahm darin mit seiner ganzen Familie
Quartier. Aber nur sehr langsam schritt die Arbeit vorwärts. Der launen¬
hafte Meister, dessen Charakter ebenso spröde und mürrisch war wie die
Figuren, die er malte, fühlte sich selten aufgelegt, und spielte, wie erzählt
wird, hoch oben auf seinem Gerüst den ganzen Tag Geige; die Fertigkeit,
die er auf diesem Instrument, besaß, machte ihn stolzer als sein Malerruhm.
Der Herzog trieb das Zartgefühl so weit, daß er über anderthalb Jahre
nicht in seinen eigenen Saal kam, um den Meister nicht zu stören; als er
aber nach dieser Frist die begonnene Arbeit besichtigte, fand Ingres das Lob
nicht uneingeschränkt genug; einige Nuditäten, die in einem bewohnten, von
Frauen täglich besuchten Raume nicht zu ertragen waren, mußten verändert
werden, die einzelnen Gruppen standen ohne Verbindung unter einander;
Ingres verlor immer mehr die Lust an dem angefangenen Werke, seine Auf¬
enthalte in Paris, wo er sich mit kleineren Arbeiten erholte, wurden immer
Grenzboten Hi. 1869. S8
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