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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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stark blau-weiß auftreten, in inneren Fragen aber der Verständigung mit den
Liberalen nicht principiell unzugänglich sein würde, -- Sind auch die Trauben
der Ultramontanen nicht sämmtlich zur Reife gekommen, so bleibt die Lage doch
immer eine sehr unbefriedigende und unsichere, und dies um so mehr, je weniger
man im Lande weiß, wie der König persönlich zu dem ganzen Treiben steht.
Stimmen seine Ansichten im Wesentlichen mit denen seiner Minister überein,
oder hält er die jetzige Zusammensetzung seiner Regierung nur eben für
opportun? Hierüber ist bis jetzt nicht das Geringste in die Oeffentlichkeit
gedrungen, obwohl eine Kundgebung in dieser Richtung zur Stärkung der
ministeriellen Position dringend nothwendig wäre. Der König -- das weiß
Jedermann -- ist eben Interessen aller Art zugänglicher als denen, welche
sich auf die Lage des Landes und seine Negierung beziehen.

Sie sehen hieraus, daß zwar das Ministerium Hohenlohe auch durch die
jetzige Zusammensetzung der Kammer der Abgeordneten keineswegs zu einer Un¬
möglichkeit geworden ist, daß sich aber andererseits das Feld seiner Thätigkeit
von verschiedenen Seiten her verengt hat, daß seine Thätigkeit zu einer blos
conservirenden herabgesunken ist. Daß die Reorganisation der Volksschulen
in der nächsten Zeit, so wie sie beabsichtigt war, nicht wieder aufs Tapet
gebracht werden kann, halten wir, offen gestanden, für das allergeringste
Unglück, das die Ultramontanen angestiftet haben. Denn keine der vielen
inneren Fragen drängt trotz aller gegenseitigen Behauptungen so wenig zur
Entscheidung, wie die Schulfrage. Läßt man alle Parteiphrasen, die sich ja
reichlich in dieselbe gemischt haben, weg, so ist das Wahre an der Sache
dies: die Schullehrer sind unzufrieden mit ihrer socialen Stellung, insbeson¬
dere mit ihrer Bezahlung und wohl mit Recht. Diese lediglich in den Personen
der Lehrer begründeten Bedürfnisse hat man nun mit anerkennungswerthen
Geschick als Fehler der Schulorganisation darzustellen gewußt und behauptet,
das bayerische Schulwesen tauge überhaupt nichts, während statistisch längst nach¬
gewiesen ist, daß unsere Schulen den Vergleich selbst mit den preußischen kaum zu
scheuen haben. In der That lassen unsere Schulen --- allerdings mit Aus¬
nahme der niederbayrischen -- weniger zu wünschen übrig, als man all¬
gemein annimmt, ja sie sind in einzelnen Kreisen, wie in Oberbayern, Schwa¬
ben, Mittel- und Unterfranken geradezu gut. Hätte das Ministerium den
Grund der Agitation richtig erkannt, so hätte es sich die Schulfrage, die
ihm so vielen Haß zugezogen hat, durch eine etwas ausgibige Gehaltsaus¬
besserung der Lehrer ohne große Mühe bis zu einem bequemen Zeitpunkt
vertagen können.

Was der liberalen Partei diese Frage so anziehend machte, war der Um¬
stand, daß die Reorganisation der Schule auf Beseitigung der Geistlichkeit
durch Aufstellung weltlicher Inspektoren hinauslief und man hiedurch eine


stark blau-weiß auftreten, in inneren Fragen aber der Verständigung mit den
Liberalen nicht principiell unzugänglich sein würde, — Sind auch die Trauben
der Ultramontanen nicht sämmtlich zur Reife gekommen, so bleibt die Lage doch
immer eine sehr unbefriedigende und unsichere, und dies um so mehr, je weniger
man im Lande weiß, wie der König persönlich zu dem ganzen Treiben steht.
Stimmen seine Ansichten im Wesentlichen mit denen seiner Minister überein,
oder hält er die jetzige Zusammensetzung seiner Regierung nur eben für
opportun? Hierüber ist bis jetzt nicht das Geringste in die Oeffentlichkeit
gedrungen, obwohl eine Kundgebung in dieser Richtung zur Stärkung der
ministeriellen Position dringend nothwendig wäre. Der König — das weiß
Jedermann — ist eben Interessen aller Art zugänglicher als denen, welche
sich auf die Lage des Landes und seine Negierung beziehen.

Sie sehen hieraus, daß zwar das Ministerium Hohenlohe auch durch die
jetzige Zusammensetzung der Kammer der Abgeordneten keineswegs zu einer Un¬
möglichkeit geworden ist, daß sich aber andererseits das Feld seiner Thätigkeit
von verschiedenen Seiten her verengt hat, daß seine Thätigkeit zu einer blos
conservirenden herabgesunken ist. Daß die Reorganisation der Volksschulen
in der nächsten Zeit, so wie sie beabsichtigt war, nicht wieder aufs Tapet
gebracht werden kann, halten wir, offen gestanden, für das allergeringste
Unglück, das die Ultramontanen angestiftet haben. Denn keine der vielen
inneren Fragen drängt trotz aller gegenseitigen Behauptungen so wenig zur
Entscheidung, wie die Schulfrage. Läßt man alle Parteiphrasen, die sich ja
reichlich in dieselbe gemischt haben, weg, so ist das Wahre an der Sache
dies: die Schullehrer sind unzufrieden mit ihrer socialen Stellung, insbeson¬
dere mit ihrer Bezahlung und wohl mit Recht. Diese lediglich in den Personen
der Lehrer begründeten Bedürfnisse hat man nun mit anerkennungswerthen
Geschick als Fehler der Schulorganisation darzustellen gewußt und behauptet,
das bayerische Schulwesen tauge überhaupt nichts, während statistisch längst nach¬
gewiesen ist, daß unsere Schulen den Vergleich selbst mit den preußischen kaum zu
scheuen haben. In der That lassen unsere Schulen -— allerdings mit Aus¬
nahme der niederbayrischen — weniger zu wünschen übrig, als man all¬
gemein annimmt, ja sie sind in einzelnen Kreisen, wie in Oberbayern, Schwa¬
ben, Mittel- und Unterfranken geradezu gut. Hätte das Ministerium den
Grund der Agitation richtig erkannt, so hätte es sich die Schulfrage, die
ihm so vielen Haß zugezogen hat, durch eine etwas ausgibige Gehaltsaus¬
besserung der Lehrer ohne große Mühe bis zu einem bequemen Zeitpunkt
vertagen können.

Was der liberalen Partei diese Frage so anziehend machte, war der Um¬
stand, daß die Reorganisation der Schule auf Beseitigung der Geistlichkeit
durch Aufstellung weltlicher Inspektoren hinauslief und man hiedurch eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/447>, abgerufen am 24.08.2024.