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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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feierte, aus einer wahren Tyrannei des Colorits Schule gemacht. Gleich
einem Adepten hat man hier einen Maler wie Makart erhoben, dessen ganzes
Geheimniß in der Naivetät besteht, womit er alle Hauptelemente der Figuren-
compofition dem Lüstre seiner papageiartig gestimmten, kaleidoskopisch com-
binirten Farbentöne opfert. Ein gut Theil Schuld an dieser Verirrung tragen
allerdings die modernen Franzosen mit ihrer kecken Experimentirlust in der
Wahl der sujets, aber im Technischen sind sie, -- und vollends die Nieder¬
länder mit ihrer aristokratischen Ruhe -- immer noch besonnener, wenn sie
auch die Grenzen der einzelnen Darstellungsmittel oft mißachten. Da¬
gegen ist die Phantasie der deutschen Maler unbefleckter und künstlerischer;
die jungen Münchener Extravaganzen sind doch Ausnahmen und bestätigen die
Regel. Darf man bei der Lückenhaftigkeit dieser Ausstellung der künftigen Ent¬
wickelung der Malerei ein Prognostikon stellen, so wird es alldem Unzuläng¬
lichen zum Trotz doch am günstigsten für uns ausfallen. Die Franzosen sind
auf einem Niveau angelangt, das unendliche Ausdehnung in die Breite ge¬
stattet; doch haben sie ihre Kunst dergestalt mit dem Leben, d. h. der moder¬
nen Anschauung verquickt, daß sie nicht nicht wissen, wie wieder herauszukom¬
men, und so werden sie das, was wir vor ihnen voraushaben, den Glauben
an den Selbstzweck der Kunst, nicht leicht zurückerwerben. Wohl aber können
wir lernen., was jetzt noch ihr Vorzug ist.

Dazu ist nur Eins noth. Beim Eintritt in den Transept der
Münchener Ausstellung starrt uns eine Unform von plastischem Conglome-
rat entgegen, die sich beim Nähertreten in Haustrümmer und Körperfetzen
auseinander thut. Es ist das Effectstück eines italienischen Patrioten und soll
an die Verwüstungen der Revolutionskämpfe mahnen. Zu diesem Ende führt
es die Aufschrift: "Dem Gewissen der Regierungen gewidmet." Gut gebrüllt,
Löwe! Dem Künstler aber männiglich, nicht blos diesem hier, möchten wir
rathen, künftig jedes Werk nur dem eigenen Gewissen zu widmen. Dann
wird die Kunst nicht lange mehr fehl gehen, wenn sie auch den goldenen
Bergen noch eine Weile fern bleibt.


M. I.


Die Aussichten des nächsten bayrischen Landtags.

In nächster Zeit muß der Landtag zur Erledigung der vielen dringenden
Geschäfte, die seiner harren, einberufen werden. Was wird er bringen?
Werden die Liberalen, werden die Ultramontanen Herren der Lage werden?


feierte, aus einer wahren Tyrannei des Colorits Schule gemacht. Gleich
einem Adepten hat man hier einen Maler wie Makart erhoben, dessen ganzes
Geheimniß in der Naivetät besteht, womit er alle Hauptelemente der Figuren-
compofition dem Lüstre seiner papageiartig gestimmten, kaleidoskopisch com-
binirten Farbentöne opfert. Ein gut Theil Schuld an dieser Verirrung tragen
allerdings die modernen Franzosen mit ihrer kecken Experimentirlust in der
Wahl der sujets, aber im Technischen sind sie, — und vollends die Nieder¬
länder mit ihrer aristokratischen Ruhe — immer noch besonnener, wenn sie
auch die Grenzen der einzelnen Darstellungsmittel oft mißachten. Da¬
gegen ist die Phantasie der deutschen Maler unbefleckter und künstlerischer;
die jungen Münchener Extravaganzen sind doch Ausnahmen und bestätigen die
Regel. Darf man bei der Lückenhaftigkeit dieser Ausstellung der künftigen Ent¬
wickelung der Malerei ein Prognostikon stellen, so wird es alldem Unzuläng¬
lichen zum Trotz doch am günstigsten für uns ausfallen. Die Franzosen sind
auf einem Niveau angelangt, das unendliche Ausdehnung in die Breite ge¬
stattet; doch haben sie ihre Kunst dergestalt mit dem Leben, d. h. der moder¬
nen Anschauung verquickt, daß sie nicht nicht wissen, wie wieder herauszukom¬
men, und so werden sie das, was wir vor ihnen voraushaben, den Glauben
an den Selbstzweck der Kunst, nicht leicht zurückerwerben. Wohl aber können
wir lernen., was jetzt noch ihr Vorzug ist.

Dazu ist nur Eins noth. Beim Eintritt in den Transept der
Münchener Ausstellung starrt uns eine Unform von plastischem Conglome-
rat entgegen, die sich beim Nähertreten in Haustrümmer und Körperfetzen
auseinander thut. Es ist das Effectstück eines italienischen Patrioten und soll
an die Verwüstungen der Revolutionskämpfe mahnen. Zu diesem Ende führt
es die Aufschrift: „Dem Gewissen der Regierungen gewidmet." Gut gebrüllt,
Löwe! Dem Künstler aber männiglich, nicht blos diesem hier, möchten wir
rathen, künftig jedes Werk nur dem eigenen Gewissen zu widmen. Dann
wird die Kunst nicht lange mehr fehl gehen, wenn sie auch den goldenen
Bergen noch eine Weile fern bleibt.


M. I.


Die Aussichten des nächsten bayrischen Landtags.

In nächster Zeit muß der Landtag zur Erledigung der vielen dringenden
Geschäfte, die seiner harren, einberufen werden. Was wird er bringen?
Werden die Liberalen, werden die Ultramontanen Herren der Lage werden?


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[0445] feierte, aus einer wahren Tyrannei des Colorits Schule gemacht. Gleich einem Adepten hat man hier einen Maler wie Makart erhoben, dessen ganzes Geheimniß in der Naivetät besteht, womit er alle Hauptelemente der Figuren- compofition dem Lüstre seiner papageiartig gestimmten, kaleidoskopisch com- binirten Farbentöne opfert. Ein gut Theil Schuld an dieser Verirrung tragen allerdings die modernen Franzosen mit ihrer kecken Experimentirlust in der Wahl der sujets, aber im Technischen sind sie, — und vollends die Nieder¬ länder mit ihrer aristokratischen Ruhe — immer noch besonnener, wenn sie auch die Grenzen der einzelnen Darstellungsmittel oft mißachten. Da¬ gegen ist die Phantasie der deutschen Maler unbefleckter und künstlerischer; die jungen Münchener Extravaganzen sind doch Ausnahmen und bestätigen die Regel. Darf man bei der Lückenhaftigkeit dieser Ausstellung der künftigen Ent¬ wickelung der Malerei ein Prognostikon stellen, so wird es alldem Unzuläng¬ lichen zum Trotz doch am günstigsten für uns ausfallen. Die Franzosen sind auf einem Niveau angelangt, das unendliche Ausdehnung in die Breite ge¬ stattet; doch haben sie ihre Kunst dergestalt mit dem Leben, d. h. der moder¬ nen Anschauung verquickt, daß sie nicht nicht wissen, wie wieder herauszukom¬ men, und so werden sie das, was wir vor ihnen voraushaben, den Glauben an den Selbstzweck der Kunst, nicht leicht zurückerwerben. Wohl aber können wir lernen., was jetzt noch ihr Vorzug ist. Dazu ist nur Eins noth. Beim Eintritt in den Transept der Münchener Ausstellung starrt uns eine Unform von plastischem Conglome- rat entgegen, die sich beim Nähertreten in Haustrümmer und Körperfetzen auseinander thut. Es ist das Effectstück eines italienischen Patrioten und soll an die Verwüstungen der Revolutionskämpfe mahnen. Zu diesem Ende führt es die Aufschrift: „Dem Gewissen der Regierungen gewidmet." Gut gebrüllt, Löwe! Dem Künstler aber männiglich, nicht blos diesem hier, möchten wir rathen, künftig jedes Werk nur dem eigenen Gewissen zu widmen. Dann wird die Kunst nicht lange mehr fehl gehen, wenn sie auch den goldenen Bergen noch eine Weile fern bleibt. M. I. Die Aussichten des nächsten bayrischen Landtags. In nächster Zeit muß der Landtag zur Erledigung der vielen dringenden Geschäfte, die seiner harren, einberufen werden. Was wird er bringen? Werden die Liberalen, werden die Ultramontanen Herren der Lage werden?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/445>, abgerufen am 24.08.2024.