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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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aber Waldmüller, dessen kecke Lichtbehandlung am besten geeignet wäre, un¬
seren französischen Rivalen zu imponiren. Diese haben sich nur spärlich ein¬
gefunden. Wie deutscherseits den einzigen Ludwig Richter, so vermissen wir
Breton und seine Genossen höchst ungern. Als sehr achtungswerther Ver¬
treter der Fremden aber fällt A. de Meuron aus Genf auf; in seinen
vollendet gemalten "Gemsjägern" klingt wenigstens die Tradition Roberts
würdig nach. Ribot präsentirt sich in seiner Domäne, Küche und Keller,
als geschickter Nachahmer der vulgären Altholländer.

Kraus beginnt den Reigen dann auch im Porträtfache mit einigen
meisterhaft breit und trocken behandelten Bildnissen. Bei den Franzosen
steht hier Paul Flandrin's Sattes, glatt verarbeitetes Colorit einer An¬
zahl Deutscher gegenüber, von denen nur Richter in Berlin ähnliche In¬
tention, aber Steigerung ins Elegante zeigt. Werthvoller sind die Porträts
von Lenbach und Leidel in München. Ist es auch für das Original
eines Porträts ein zweifelhaftes Vergnügen, wenn dasselbe wie 300 Jahre
alt aussieht, so hat doch die Anlehnung an classische Vorbilder des Hell¬
dunkels bei dem Geschmack, mit welchem Lenbach verfährt, nichts Bedenkliches.
Wir nennen noch Halber in München, Cajeran Schweizer in Leipzig,
dessen wackere stilistische Intention Lob verdient, endlich Borckmann in
Berlin, dem in der Porträtgruppe die Verbindung modernsten Lebens mit
gediegener Formgebung anmuthig gelingt.

Auch in der Malerei des Thierlebens überwiegen die deutschen Produkte
an Zahl und an künstlerischem Werth. Die photographisch reproducirten
Wiederkäuer von Xaver de Cock und August Bonheur -- die virtuosere
Schwester ist leider ausgeblieben -- namentlich eine Viehherde des ersteren,
die mit der ganzen Wirklichkeit eines Bildes . in der LailUZi-g, obsoura, auf
den Beschauer losrückt, haben keine Gegenstücke diesseits des Rheins; Gauer¬
mann und Brendel mit ihren cultivirten Thieren lassen Rivalen wie
Braseassat (der nicht vertreten ist) und Verboekhoven den Rang; entschieden
obenan steht aber in der ganzen Section Voltz. Er verbindet Thier, Land¬
schaft und Menschen, ohne einem der Theile Zwang anzuthun, zu der Ein¬
heit behaglichen Gemeinlebens, das uns die alten Niederländer schildern, aber
er bleibt dabei durchaus originell.

Die Landschaften, welche in der Ausstellung vereinigt sind, bieten fast
weniger als die anderen Hauptgebiete einen Ueberblick über die charakteristi¬
schen Richtungen, wenn auch interessante Einzelheiten in großer Zahl vorhan¬
den sind. Beinahe ganz mangelt die historische Landschaft: kein Preller. kein
Rottmann, kein Schirmer oder Richter erfreut das Auge; Albert Zimmer¬
mann hat eine ungünstige Auswahl getroffen; selbst die jüngste Generation der
mittelbaren Schüler des alten Koch auf diesem nur noch bei uns zu Recht be-


Grenzboten III. 1LV9. 5S

aber Waldmüller, dessen kecke Lichtbehandlung am besten geeignet wäre, un¬
seren französischen Rivalen zu imponiren. Diese haben sich nur spärlich ein¬
gefunden. Wie deutscherseits den einzigen Ludwig Richter, so vermissen wir
Breton und seine Genossen höchst ungern. Als sehr achtungswerther Ver¬
treter der Fremden aber fällt A. de Meuron aus Genf auf; in seinen
vollendet gemalten „Gemsjägern" klingt wenigstens die Tradition Roberts
würdig nach. Ribot präsentirt sich in seiner Domäne, Küche und Keller,
als geschickter Nachahmer der vulgären Altholländer.

Kraus beginnt den Reigen dann auch im Porträtfache mit einigen
meisterhaft breit und trocken behandelten Bildnissen. Bei den Franzosen
steht hier Paul Flandrin's Sattes, glatt verarbeitetes Colorit einer An¬
zahl Deutscher gegenüber, von denen nur Richter in Berlin ähnliche In¬
tention, aber Steigerung ins Elegante zeigt. Werthvoller sind die Porträts
von Lenbach und Leidel in München. Ist es auch für das Original
eines Porträts ein zweifelhaftes Vergnügen, wenn dasselbe wie 300 Jahre
alt aussieht, so hat doch die Anlehnung an classische Vorbilder des Hell¬
dunkels bei dem Geschmack, mit welchem Lenbach verfährt, nichts Bedenkliches.
Wir nennen noch Halber in München, Cajeran Schweizer in Leipzig,
dessen wackere stilistische Intention Lob verdient, endlich Borckmann in
Berlin, dem in der Porträtgruppe die Verbindung modernsten Lebens mit
gediegener Formgebung anmuthig gelingt.

Auch in der Malerei des Thierlebens überwiegen die deutschen Produkte
an Zahl und an künstlerischem Werth. Die photographisch reproducirten
Wiederkäuer von Xaver de Cock und August Bonheur — die virtuosere
Schwester ist leider ausgeblieben — namentlich eine Viehherde des ersteren,
die mit der ganzen Wirklichkeit eines Bildes . in der LailUZi-g, obsoura, auf
den Beschauer losrückt, haben keine Gegenstücke diesseits des Rheins; Gauer¬
mann und Brendel mit ihren cultivirten Thieren lassen Rivalen wie
Braseassat (der nicht vertreten ist) und Verboekhoven den Rang; entschieden
obenan steht aber in der ganzen Section Voltz. Er verbindet Thier, Land¬
schaft und Menschen, ohne einem der Theile Zwang anzuthun, zu der Ein¬
heit behaglichen Gemeinlebens, das uns die alten Niederländer schildern, aber
er bleibt dabei durchaus originell.

Die Landschaften, welche in der Ausstellung vereinigt sind, bieten fast
weniger als die anderen Hauptgebiete einen Ueberblick über die charakteristi¬
schen Richtungen, wenn auch interessante Einzelheiten in großer Zahl vorhan¬
den sind. Beinahe ganz mangelt die historische Landschaft: kein Preller. kein
Rottmann, kein Schirmer oder Richter erfreut das Auge; Albert Zimmer¬
mann hat eine ungünstige Auswahl getroffen; selbst die jüngste Generation der
mittelbaren Schüler des alten Koch auf diesem nur noch bei uns zu Recht be-


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[0441] aber Waldmüller, dessen kecke Lichtbehandlung am besten geeignet wäre, un¬ seren französischen Rivalen zu imponiren. Diese haben sich nur spärlich ein¬ gefunden. Wie deutscherseits den einzigen Ludwig Richter, so vermissen wir Breton und seine Genossen höchst ungern. Als sehr achtungswerther Ver¬ treter der Fremden aber fällt A. de Meuron aus Genf auf; in seinen vollendet gemalten „Gemsjägern" klingt wenigstens die Tradition Roberts würdig nach. Ribot präsentirt sich in seiner Domäne, Küche und Keller, als geschickter Nachahmer der vulgären Altholländer. Kraus beginnt den Reigen dann auch im Porträtfache mit einigen meisterhaft breit und trocken behandelten Bildnissen. Bei den Franzosen steht hier Paul Flandrin's Sattes, glatt verarbeitetes Colorit einer An¬ zahl Deutscher gegenüber, von denen nur Richter in Berlin ähnliche In¬ tention, aber Steigerung ins Elegante zeigt. Werthvoller sind die Porträts von Lenbach und Leidel in München. Ist es auch für das Original eines Porträts ein zweifelhaftes Vergnügen, wenn dasselbe wie 300 Jahre alt aussieht, so hat doch die Anlehnung an classische Vorbilder des Hell¬ dunkels bei dem Geschmack, mit welchem Lenbach verfährt, nichts Bedenkliches. Wir nennen noch Halber in München, Cajeran Schweizer in Leipzig, dessen wackere stilistische Intention Lob verdient, endlich Borckmann in Berlin, dem in der Porträtgruppe die Verbindung modernsten Lebens mit gediegener Formgebung anmuthig gelingt. Auch in der Malerei des Thierlebens überwiegen die deutschen Produkte an Zahl und an künstlerischem Werth. Die photographisch reproducirten Wiederkäuer von Xaver de Cock und August Bonheur — die virtuosere Schwester ist leider ausgeblieben — namentlich eine Viehherde des ersteren, die mit der ganzen Wirklichkeit eines Bildes . in der LailUZi-g, obsoura, auf den Beschauer losrückt, haben keine Gegenstücke diesseits des Rheins; Gauer¬ mann und Brendel mit ihren cultivirten Thieren lassen Rivalen wie Braseassat (der nicht vertreten ist) und Verboekhoven den Rang; entschieden obenan steht aber in der ganzen Section Voltz. Er verbindet Thier, Land¬ schaft und Menschen, ohne einem der Theile Zwang anzuthun, zu der Ein¬ heit behaglichen Gemeinlebens, das uns die alten Niederländer schildern, aber er bleibt dabei durchaus originell. Die Landschaften, welche in der Ausstellung vereinigt sind, bieten fast weniger als die anderen Hauptgebiete einen Ueberblick über die charakteristi¬ schen Richtungen, wenn auch interessante Einzelheiten in großer Zahl vorhan¬ den sind. Beinahe ganz mangelt die historische Landschaft: kein Preller. kein Rottmann, kein Schirmer oder Richter erfreut das Auge; Albert Zimmer¬ mann hat eine ungünstige Auswahl getroffen; selbst die jüngste Generation der mittelbaren Schüler des alten Koch auf diesem nur noch bei uns zu Recht be- Grenzboten III. 1LV9. 5S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/441>, abgerufen am 25.08.2024.