Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.durch das Cultusministerium. Aber dieses konnte doch nicht Alles so lassen, Nachdem man in Hessen z. B. die Provinzialregierungen beseitigt und durch das Cultusministerium. Aber dieses konnte doch nicht Alles so lassen, Nachdem man in Hessen z. B. die Provinzialregierungen beseitigt und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121639"/> <p xml:id="ID_1286" prev="#ID_1285"> durch das Cultusministerium. Aber dieses konnte doch nicht Alles so lassen,<lb/> wie es bisher bestanden hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1287" next="#ID_1288"> Nachdem man in Hessen z. B. die Provinzialregierungen beseitigt und<lb/> den ganzen ehemaligen Kurstaat in einen Regierungsbezirk zusammengezogen<lb/> hatte, war es nicht möglich, drei Consistorien dort bestehen zu lassen. Man<lb/> trat deshalb vor die Kammer mit einer Geldforderung zur Bildung eines<lb/> Consistoriums für den Regierungsbezirk Kassel in Marburg. Die Kammer<lb/> schlug die verlangte Geldsumme auf Betrieb der hessischen Abgeordneten ab;<lb/> sie machte geltend, Marburg sei nicht der geeignete Ort, um dorthin das Gesammt-<lb/> consistorium zu verlegen, dasselbe gehöre nach Kassel; aber auch hiervon abge¬<lb/> sehen, würde kein Geld für Herstellung eines Gesammtconsistoriums in<lb/> Kassel verwilligt werden, wenn nicht das Ministerium erst die schon wieder¬<lb/> holt von der früheren Regierung verheißene Synode zur Einführung einer<lb/> neuen Kirchenverfassung berufen habe; aus der Synode werde sich ein ein¬<lb/> heitliches provinzielles Kirchenregiment entwickeln, nicht umgekehrt. Aus<lb/> Hessen seien Petitionen zur Herstellung einer Presbyterial- und Synodal¬<lb/> verfassung schon längst eingelaufen, sagte man weiter, die Petenten seien<lb/> aber nicht einmal von dem Ministerium einer Antwort gewürdigt worden;<lb/> statt dessen besetze man alle einflußreichen Stellen mit ultrakirchlichen Leuten<lb/> und wenn die Communen zu Directorialstellen der von ihnen gegründeten<lb/> Schulen tüchtige Männer vorschlugen, so würde denselben keine Bestätigung<lb/> zu Theil, wenn sie nicht zugleich in dem Rufe der Rechtgläubigkeit stünden.<lb/> Die weiteren Verhandlungen über diesen Punkt sind ja wohl noch im Ge¬<lb/> dächtnisse Aller. Soviel sei nur noch bemerkt, daß, wenn der Cultusminister<lb/> im ersten Jahr der preußischen Herrschaft nur einen ganz kleinen Theil<lb/> des unnöthigen Reformeifers seiner College» im Justizministerium ge¬<lb/> habt hätte, er und ganz Hessen jetzt viel besser daran wären. Denn wäre<lb/> das Gesammtconsistorium in dem Jahre, in dem der König unbeschränkt<lb/> über die neuen Provinzen verfügen konnte, ins Leben gerufen worden,<lb/> so würde es unangefochten bestehen und die Bewegung der Gegner<lb/> jeder kirchlichen Neuerung in Hessen nicht eine solche Höhe haben<lb/> erreichen können, wie dieses jetzt der Fall ist. Freilich würden wir<lb/> dann allerdings wohl auch noch auf eine Vorsynode lange zu warten<lb/> haben. Aber wie jetzt die Dinge sich entwickelt haben, ist die Regierung in<lb/> großen Nachtheil gerathen. Sie besitzt kein einheitliches Organ für das<lb/> Kirchenregiment in Hessen; ihre Gegner haben sich seit mehreren Jahren<lb/> organisirt, einander in ihren Entschließungen bestärkt, sich vollkommen auf<lb/> Alles vorbereitet. Was aber noch schlimmer ist, es fehlt im Larve der Glaube<lb/> an den Ernst der Maßregeln des Cultusministeriums bei Freund und Feind<lb/> in sehr bedenklichem Maße. Die Regierung ist, so sagen die rennenden Geist-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0418]
durch das Cultusministerium. Aber dieses konnte doch nicht Alles so lassen,
wie es bisher bestanden hatte.
Nachdem man in Hessen z. B. die Provinzialregierungen beseitigt und
den ganzen ehemaligen Kurstaat in einen Regierungsbezirk zusammengezogen
hatte, war es nicht möglich, drei Consistorien dort bestehen zu lassen. Man
trat deshalb vor die Kammer mit einer Geldforderung zur Bildung eines
Consistoriums für den Regierungsbezirk Kassel in Marburg. Die Kammer
schlug die verlangte Geldsumme auf Betrieb der hessischen Abgeordneten ab;
sie machte geltend, Marburg sei nicht der geeignete Ort, um dorthin das Gesammt-
consistorium zu verlegen, dasselbe gehöre nach Kassel; aber auch hiervon abge¬
sehen, würde kein Geld für Herstellung eines Gesammtconsistoriums in
Kassel verwilligt werden, wenn nicht das Ministerium erst die schon wieder¬
holt von der früheren Regierung verheißene Synode zur Einführung einer
neuen Kirchenverfassung berufen habe; aus der Synode werde sich ein ein¬
heitliches provinzielles Kirchenregiment entwickeln, nicht umgekehrt. Aus
Hessen seien Petitionen zur Herstellung einer Presbyterial- und Synodal¬
verfassung schon längst eingelaufen, sagte man weiter, die Petenten seien
aber nicht einmal von dem Ministerium einer Antwort gewürdigt worden;
statt dessen besetze man alle einflußreichen Stellen mit ultrakirchlichen Leuten
und wenn die Communen zu Directorialstellen der von ihnen gegründeten
Schulen tüchtige Männer vorschlugen, so würde denselben keine Bestätigung
zu Theil, wenn sie nicht zugleich in dem Rufe der Rechtgläubigkeit stünden.
Die weiteren Verhandlungen über diesen Punkt sind ja wohl noch im Ge¬
dächtnisse Aller. Soviel sei nur noch bemerkt, daß, wenn der Cultusminister
im ersten Jahr der preußischen Herrschaft nur einen ganz kleinen Theil
des unnöthigen Reformeifers seiner College» im Justizministerium ge¬
habt hätte, er und ganz Hessen jetzt viel besser daran wären. Denn wäre
das Gesammtconsistorium in dem Jahre, in dem der König unbeschränkt
über die neuen Provinzen verfügen konnte, ins Leben gerufen worden,
so würde es unangefochten bestehen und die Bewegung der Gegner
jeder kirchlichen Neuerung in Hessen nicht eine solche Höhe haben
erreichen können, wie dieses jetzt der Fall ist. Freilich würden wir
dann allerdings wohl auch noch auf eine Vorsynode lange zu warten
haben. Aber wie jetzt die Dinge sich entwickelt haben, ist die Regierung in
großen Nachtheil gerathen. Sie besitzt kein einheitliches Organ für das
Kirchenregiment in Hessen; ihre Gegner haben sich seit mehreren Jahren
organisirt, einander in ihren Entschließungen bestärkt, sich vollkommen auf
Alles vorbereitet. Was aber noch schlimmer ist, es fehlt im Larve der Glaube
an den Ernst der Maßregeln des Cultusministeriums bei Freund und Feind
in sehr bedenklichem Maße. Die Regierung ist, so sagen die rennenden Geist-
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