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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Peter nach Nußland hinübergenommen worden), zwei Jahre später Vice-
admiral, 1727 Admiral und Vizepräsident des Admtralitätscollegiums. Als
solcher hat er an der Organisation des sich von Jahr zu Jahr weiter aus¬
breitenden russischen Marinewesens entscheidenden und wichtigen Antheil ge¬
nommen. Natürlich fehlte es außerdem an äußeren Ehren und Belohnungen
nicht: schon 1716 war Sivers in die estländische Ritterschaft aufgenommen
worden, 1722 schenkte Katharina I. ihm das in Finnland belegene Gut
Heydola, 1723 wurde er mit dem Alexander-Newsky-Orden belohnt.

Aber jene Unbeständigkeit des Glücks und der Fürstengunst, welcher fast
all' die Staatsmänner und Krieger verfielen, welche Peter in sein nordisches
Reich berufen und zu hohen Ehren befördert hatte, sollte auch Sivers treffen.
Im Jahre 1732 fiel er plötzlich in Ungnade, verlor seine sämmtlichen Aemter
und Würden und wurde angewiesen, binnen vier Stunden Petersburg zu
verlassen und sich auf sein in Finnland belegenes Gütchen zurückzuziehen.
Die Geschichte dieser Ungnade ist aus mehreren Rücksichten von ungewöhn¬
lichem Interesse. Einmal verdanken wir ihr eine Abhandlung von des Ad¬
mirals eigener Hand ("Historische Lpeeiss taeti der äisgraes des Admiral
Sivers"), welche über das Partei- und Jntriguenwesen neue Aufschlüsse gibt,
welches nach Peters Tode am russischen Hof herrschte und an dem auch die
ausgezeichnetsten Männer der Zeit unwürdigen Antheil nahmen. Während
das Altrussenthum die verzweifeltsten Anstrengungen machte, um alle Spuren
der civilisatorischen Thätigkeit Peters zu verwischen und die alt-moskowiti¬
sche Barbarei i" integrum zu restituiren, zerfleischten sich die Männer, welche
Rußland umgestaltet hatten und jetzt mit Verlust der Früchte ihrer Thätig¬
keit bedroht waren, in thörichten, durch kleinliche Eifersüchteleien genährten
Fehden. Merkwürdig ist zweitens, daß Sivers trotz seiner ausführlichen Er¬
örterungen über die Gründe des Schlages, der ihn nach 28 jährigen treuen
Diensten am Abend seines Lebens traf, die eigentliche Veranlassung desselben
nicht gekannt zu haben scheint, und daß diese Veranlassung eher ein Verdienst,
als ein Versehen des Admirals bildete. -- Zunächst lassen wir die "histori¬
schen Lpoeies taeti" ihrem wichtigsten Theil nach im Wortlaut folgen. Ob¬
gleich mit entschiedener Parteilichkeit und Verbitterung gegen Ostermann und
Mummies geschrieben, bestätigen diese bisher noch nicht veröffentlichten Auf¬
zeichnungen doch die ungünstigen Urtheile, welche bereits andere Zeitgenossen
über die Privatmoral dieser großen Männer gefällt hatten, in zu unwiderleglicher
Weise, als daß sie nicht ihrer Vergessenheit entrissen zu werden verdienten. --
Nach einem kurzen und ziemlich gleichgiltigen Eingang wird Folgendes be¬
richtet:

- "Als der Graf Ostermann mit dem Vice Admiral Cruys Anno 1704 als
ein Schreiber (obwohl er sich Seeretair nannte) nach Nußland kam. so war


Peter nach Nußland hinübergenommen worden), zwei Jahre später Vice-
admiral, 1727 Admiral und Vizepräsident des Admtralitätscollegiums. Als
solcher hat er an der Organisation des sich von Jahr zu Jahr weiter aus¬
breitenden russischen Marinewesens entscheidenden und wichtigen Antheil ge¬
nommen. Natürlich fehlte es außerdem an äußeren Ehren und Belohnungen
nicht: schon 1716 war Sivers in die estländische Ritterschaft aufgenommen
worden, 1722 schenkte Katharina I. ihm das in Finnland belegene Gut
Heydola, 1723 wurde er mit dem Alexander-Newsky-Orden belohnt.

Aber jene Unbeständigkeit des Glücks und der Fürstengunst, welcher fast
all' die Staatsmänner und Krieger verfielen, welche Peter in sein nordisches
Reich berufen und zu hohen Ehren befördert hatte, sollte auch Sivers treffen.
Im Jahre 1732 fiel er plötzlich in Ungnade, verlor seine sämmtlichen Aemter
und Würden und wurde angewiesen, binnen vier Stunden Petersburg zu
verlassen und sich auf sein in Finnland belegenes Gütchen zurückzuziehen.
Die Geschichte dieser Ungnade ist aus mehreren Rücksichten von ungewöhn¬
lichem Interesse. Einmal verdanken wir ihr eine Abhandlung von des Ad¬
mirals eigener Hand („Historische Lpeeiss taeti der äisgraes des Admiral
Sivers"), welche über das Partei- und Jntriguenwesen neue Aufschlüsse gibt,
welches nach Peters Tode am russischen Hof herrschte und an dem auch die
ausgezeichnetsten Männer der Zeit unwürdigen Antheil nahmen. Während
das Altrussenthum die verzweifeltsten Anstrengungen machte, um alle Spuren
der civilisatorischen Thätigkeit Peters zu verwischen und die alt-moskowiti¬
sche Barbarei i» integrum zu restituiren, zerfleischten sich die Männer, welche
Rußland umgestaltet hatten und jetzt mit Verlust der Früchte ihrer Thätig¬
keit bedroht waren, in thörichten, durch kleinliche Eifersüchteleien genährten
Fehden. Merkwürdig ist zweitens, daß Sivers trotz seiner ausführlichen Er¬
örterungen über die Gründe des Schlages, der ihn nach 28 jährigen treuen
Diensten am Abend seines Lebens traf, die eigentliche Veranlassung desselben
nicht gekannt zu haben scheint, und daß diese Veranlassung eher ein Verdienst,
als ein Versehen des Admirals bildete. — Zunächst lassen wir die „histori¬
schen Lpoeies taeti" ihrem wichtigsten Theil nach im Wortlaut folgen. Ob¬
gleich mit entschiedener Parteilichkeit und Verbitterung gegen Ostermann und
Mummies geschrieben, bestätigen diese bisher noch nicht veröffentlichten Auf¬
zeichnungen doch die ungünstigen Urtheile, welche bereits andere Zeitgenossen
über die Privatmoral dieser großen Männer gefällt hatten, in zu unwiderleglicher
Weise, als daß sie nicht ihrer Vergessenheit entrissen zu werden verdienten. —
Nach einem kurzen und ziemlich gleichgiltigen Eingang wird Folgendes be¬
richtet:

- „Als der Graf Ostermann mit dem Vice Admiral Cruys Anno 1704 als
ein Schreiber (obwohl er sich Seeretair nannte) nach Nußland kam. so war


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[0398] Peter nach Nußland hinübergenommen worden), zwei Jahre später Vice- admiral, 1727 Admiral und Vizepräsident des Admtralitätscollegiums. Als solcher hat er an der Organisation des sich von Jahr zu Jahr weiter aus¬ breitenden russischen Marinewesens entscheidenden und wichtigen Antheil ge¬ nommen. Natürlich fehlte es außerdem an äußeren Ehren und Belohnungen nicht: schon 1716 war Sivers in die estländische Ritterschaft aufgenommen worden, 1722 schenkte Katharina I. ihm das in Finnland belegene Gut Heydola, 1723 wurde er mit dem Alexander-Newsky-Orden belohnt. Aber jene Unbeständigkeit des Glücks und der Fürstengunst, welcher fast all' die Staatsmänner und Krieger verfielen, welche Peter in sein nordisches Reich berufen und zu hohen Ehren befördert hatte, sollte auch Sivers treffen. Im Jahre 1732 fiel er plötzlich in Ungnade, verlor seine sämmtlichen Aemter und Würden und wurde angewiesen, binnen vier Stunden Petersburg zu verlassen und sich auf sein in Finnland belegenes Gütchen zurückzuziehen. Die Geschichte dieser Ungnade ist aus mehreren Rücksichten von ungewöhn¬ lichem Interesse. Einmal verdanken wir ihr eine Abhandlung von des Ad¬ mirals eigener Hand („Historische Lpeeiss taeti der äisgraes des Admiral Sivers"), welche über das Partei- und Jntriguenwesen neue Aufschlüsse gibt, welches nach Peters Tode am russischen Hof herrschte und an dem auch die ausgezeichnetsten Männer der Zeit unwürdigen Antheil nahmen. Während das Altrussenthum die verzweifeltsten Anstrengungen machte, um alle Spuren der civilisatorischen Thätigkeit Peters zu verwischen und die alt-moskowiti¬ sche Barbarei i» integrum zu restituiren, zerfleischten sich die Männer, welche Rußland umgestaltet hatten und jetzt mit Verlust der Früchte ihrer Thätig¬ keit bedroht waren, in thörichten, durch kleinliche Eifersüchteleien genährten Fehden. Merkwürdig ist zweitens, daß Sivers trotz seiner ausführlichen Er¬ örterungen über die Gründe des Schlages, der ihn nach 28 jährigen treuen Diensten am Abend seines Lebens traf, die eigentliche Veranlassung desselben nicht gekannt zu haben scheint, und daß diese Veranlassung eher ein Verdienst, als ein Versehen des Admirals bildete. — Zunächst lassen wir die „histori¬ schen Lpoeies taeti" ihrem wichtigsten Theil nach im Wortlaut folgen. Ob¬ gleich mit entschiedener Parteilichkeit und Verbitterung gegen Ostermann und Mummies geschrieben, bestätigen diese bisher noch nicht veröffentlichten Auf¬ zeichnungen doch die ungünstigen Urtheile, welche bereits andere Zeitgenossen über die Privatmoral dieser großen Männer gefällt hatten, in zu unwiderleglicher Weise, als daß sie nicht ihrer Vergessenheit entrissen zu werden verdienten. — Nach einem kurzen und ziemlich gleichgiltigen Eingang wird Folgendes be¬ richtet: - „Als der Graf Ostermann mit dem Vice Admiral Cruys Anno 1704 als ein Schreiber (obwohl er sich Seeretair nannte) nach Nußland kam. so war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/398>, abgerufen am 25.08.2024.