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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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nach Ausweis seines Porträts ein schöner Mann mit großem, klaren und
klugen blauen Auge gewesen -- den Kaiser, grade als derselbe an der auf dem
Decke befindlichen Commandeurkajüte vorübergeht, sperrt ihn in die Kajüte,
verschließt die Thür derselben, übernimmt den Befehl, sammelt die Flotte
und führt sie rechtzeitig in den sichern Hafen zurück. An Land gekommen,
nähert Sivers sich der Kajüte, wo Alles still ist, öffnet ihre Thür, kann jedoch
nicht in den inneren Raum, weil in diesem Se. Majestät ausgestreckt daliegt
und ihren Rausch ausschläft. Als nun nach einiger Zeit Peter erscheint, tritt
Sivers auf ihn salutirend zu und begehrt seinen Abschied. Der Kaiser fährt
auf und fragt nach der Veranlassung des Gesuchs. Sivers erklärt ihm, daß
nach dem Vorgefallenen und da er genöthigt gewesen sei, sich gewissermaßen
an der geheiligten Person des Herrschers zu vergreisen, von einer Fortsetzung
des Dienstverhältnisses nicht wohl die Rede sein könne. Jetzt erst erinnert
Peter sich des Vorganges und fragt seinen Officier, warum er ihn internirt
habe. Sivers motivirt sein Verfahren mit der der Flotte drohend gewesenen
Gefahr und seiner Pflicht ihrer Erhaltung, und hält dem Kaiser vor, daß der¬
selbe die geheime Abmachung doppelt verletzt habe, indem er ihn schlagen und
das Commando usurpiren gewollt. Peter sieht sofort sein Unrecht ein, um¬
armt den muthigen Retter seiner Flotte und bittet ihn, den Dienst nicht zu
verlassen, da ein Mann, der sich so unerschrocken gezeigt, seiner Gnade sür
alle Zeiten sicher sein könne.

Dieses Versprechen hat Peter in der Folge gehalten und Sivers sein
Möglichstes gethan, um desselben würdig zu bleiben. Sowohl als umsichtiger
Organisator und tapferer Seesoldat, wie als Topograph und Wasserbaumeister
erwarb er sich binnen weniger Jahre große Verdienste um den Staat, in
dessen Dienste er getreten war. Er nahm 1706 an der Belagerung von Wyborg
Theil, machte die Expeditionen von 1713 und 1714 mit, focht bei Hangöud,
leitete die Deseente bei Gotland, untersuchte wiederholt das Fahrwasser bei
den finnischen Scheeren, arbeitete an der Befestigung von Kronstäbe und lei¬
tete die Canal- und Hafenbauten dieses wichtigen Platzes nach einem selbst
entworfenen Plan. Für die außerordentliche Wichtigkeit dieser Bauten, welche
erst unter der Kaiserin Anna zum Abschluß gebracht wurden, liegt ein be¬
merkenswerthes Zeugniß von der Hand Ostermanns vor, der, wie wir in
der Folge sehen werden, Sivers Feind und entschiedener Gegner war. Es
heißt in einem vom Jahre 1731 datirten Schreiben dieses berühmten Staats¬
mannes, das sich im Nachlaß des Admirals gefunden hat, wie folgt:

Lsais bien yue es kalt xg.s taut as bruit izus afin^ as I^äoM*)



") Der Ladoga-Kanal, den Mummies ausgeführt hatte und den Peter der Gr. als das
größte und verdienstvollste Werk bezeichnete, das jemals von einem in russischen Diensten

nach Ausweis seines Porträts ein schöner Mann mit großem, klaren und
klugen blauen Auge gewesen — den Kaiser, grade als derselbe an der auf dem
Decke befindlichen Commandeurkajüte vorübergeht, sperrt ihn in die Kajüte,
verschließt die Thür derselben, übernimmt den Befehl, sammelt die Flotte
und führt sie rechtzeitig in den sichern Hafen zurück. An Land gekommen,
nähert Sivers sich der Kajüte, wo Alles still ist, öffnet ihre Thür, kann jedoch
nicht in den inneren Raum, weil in diesem Se. Majestät ausgestreckt daliegt
und ihren Rausch ausschläft. Als nun nach einiger Zeit Peter erscheint, tritt
Sivers auf ihn salutirend zu und begehrt seinen Abschied. Der Kaiser fährt
auf und fragt nach der Veranlassung des Gesuchs. Sivers erklärt ihm, daß
nach dem Vorgefallenen und da er genöthigt gewesen sei, sich gewissermaßen
an der geheiligten Person des Herrschers zu vergreisen, von einer Fortsetzung
des Dienstverhältnisses nicht wohl die Rede sein könne. Jetzt erst erinnert
Peter sich des Vorganges und fragt seinen Officier, warum er ihn internirt
habe. Sivers motivirt sein Verfahren mit der der Flotte drohend gewesenen
Gefahr und seiner Pflicht ihrer Erhaltung, und hält dem Kaiser vor, daß der¬
selbe die geheime Abmachung doppelt verletzt habe, indem er ihn schlagen und
das Commando usurpiren gewollt. Peter sieht sofort sein Unrecht ein, um¬
armt den muthigen Retter seiner Flotte und bittet ihn, den Dienst nicht zu
verlassen, da ein Mann, der sich so unerschrocken gezeigt, seiner Gnade sür
alle Zeiten sicher sein könne.

Dieses Versprechen hat Peter in der Folge gehalten und Sivers sein
Möglichstes gethan, um desselben würdig zu bleiben. Sowohl als umsichtiger
Organisator und tapferer Seesoldat, wie als Topograph und Wasserbaumeister
erwarb er sich binnen weniger Jahre große Verdienste um den Staat, in
dessen Dienste er getreten war. Er nahm 1706 an der Belagerung von Wyborg
Theil, machte die Expeditionen von 1713 und 1714 mit, focht bei Hangöud,
leitete die Deseente bei Gotland, untersuchte wiederholt das Fahrwasser bei
den finnischen Scheeren, arbeitete an der Befestigung von Kronstäbe und lei¬
tete die Canal- und Hafenbauten dieses wichtigen Platzes nach einem selbst
entworfenen Plan. Für die außerordentliche Wichtigkeit dieser Bauten, welche
erst unter der Kaiserin Anna zum Abschluß gebracht wurden, liegt ein be¬
merkenswerthes Zeugniß von der Hand Ostermanns vor, der, wie wir in
der Folge sehen werden, Sivers Feind und entschiedener Gegner war. Es
heißt in einem vom Jahre 1731 datirten Schreiben dieses berühmten Staats¬
mannes, das sich im Nachlaß des Admirals gefunden hat, wie folgt:

Lsais bien yue es kalt xg.s taut as bruit izus afin^ as I^äoM*)



") Der Ladoga-Kanal, den Mummies ausgeführt hatte und den Peter der Gr. als das
größte und verdienstvollste Werk bezeichnete, das jemals von einem in russischen Diensten
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/396>, abgerufen am 25.08.2024.