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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Eindruck auf denselben zu machen. Auch der Papst unterstützte die Bemühungen
der toscanischen Diplomatie. Am 19. October wurde Griffoli zu Bozzelli
dem einflußreichsten Minister, beschieden, der ihm eröffnete, daß im Minister'
rath über die Liga verhandelt worden sei und daß man sich geeinigt habe,
folgende Bedingungen für den Beitritt Neapels zu stellen: jedem Staat müsse
ausdrücklich der volle Besitz seines Gebiets garantirr werden, alle Staaten
sollten sich für gegenseitigen Schutz zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ord¬
nung verpflichten, endlich seien die gegenwärtigen politischen Einrichtungen
aufrecht zu halten; der Zukunft bleibe es vorbehalten, die Gleichartigkeit der¬
selben anzustreben.' Griffoli, dem diese Bedingungen annehmbar schienen,
arbeitete nun unter Berücksichtigung derselben den förmlichen Entwurf einer
Conföderation mit einem Bundestage aus. Dieser fand zwar entschiedenen
Widerstand beim Fürsten Cariati, im Ministerrath wurde aber doch der Be-
schluß gesaßt: "den Vorschlag, der Verhandlung über einen politischen Bund
zwischen den italienischen Staaten beizutreten, im Princip anzunehmen." Und
dabei blieb es. Die ganze Verhandlung hatte nicht den geringsten Werth.
Aber der Eifer Griffvli's, der noch bis Ende November hingehalten wurde,
hatte nichts zu wünschen übrig gelassen. Er war wirklich in seinen Gründen
unerschöpflich gewesen, und nur dies sei noch als charakteristisch hervorgehoben,
daß Griffoli, obwohl er unverkennbar die künftige Liga als eine Einrichtung
im nationalen Interesse verstand, doch keinen Anstand nahm, die Nieder¬
lage Karl Alberts im Felde geradezu als einen günstigen Umstand hervor¬
zuheben, der die Biloung eines Bundes wesentlich zu erleichtern geeignet sei.
Man sieht, vor welcher Gefahr die Ligaverhandlungen schließlich angekommen
waren: hatten bisher die Gegner Karl Alberts nur behauptet, die Interessen
Piemonts und Italiens seien keineswegs identisch, so war man jetzt nicht
mehr weit davon entfernt, zu beweisen: je unglücklicher das sardinische Heer,
um so besser die Aussichten für den Bund.

Uebrigens konnten die Freunde der Conföderation schon Ende October
sich nicht verbergen, daß die Zeit für deren Verwirklichung vorüber sei.
Während Bargagli und Rossi um die Wette die "unbegreifliche Dummheit"
der Fürsten anklagten, welche eine kostbare Zeit verloren in Verhandlungen
über einen Vertrag, der die konstitutionelle Monarchie unendlich befestigen
müßte, war die Idee einer Conföderation bereits überholt durch das demokra¬
tische Programm, das von dem phantastischen Doctrinär Montanelli zuerst aus¬
gegeben, immer mehr an Terrain gewann und zwar nicht blos in Mittelitalien.
Montanelli verfocht mit unendlichem Wortschwall die Idee, daß, nachdem die
Fürsten es zu nichts zu bringen vermocht, das Volk selbst die Sache in die Hand
nehmen müsse. Italien könne nur durch eine Constituente gerettet werden,
d. h. durch eine souveräne, vom ganzen italienischen Volk gewählte National-


Eindruck auf denselben zu machen. Auch der Papst unterstützte die Bemühungen
der toscanischen Diplomatie. Am 19. October wurde Griffoli zu Bozzelli
dem einflußreichsten Minister, beschieden, der ihm eröffnete, daß im Minister'
rath über die Liga verhandelt worden sei und daß man sich geeinigt habe,
folgende Bedingungen für den Beitritt Neapels zu stellen: jedem Staat müsse
ausdrücklich der volle Besitz seines Gebiets garantirr werden, alle Staaten
sollten sich für gegenseitigen Schutz zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ord¬
nung verpflichten, endlich seien die gegenwärtigen politischen Einrichtungen
aufrecht zu halten; der Zukunft bleibe es vorbehalten, die Gleichartigkeit der¬
selben anzustreben.' Griffoli, dem diese Bedingungen annehmbar schienen,
arbeitete nun unter Berücksichtigung derselben den förmlichen Entwurf einer
Conföderation mit einem Bundestage aus. Dieser fand zwar entschiedenen
Widerstand beim Fürsten Cariati, im Ministerrath wurde aber doch der Be-
schluß gesaßt: „den Vorschlag, der Verhandlung über einen politischen Bund
zwischen den italienischen Staaten beizutreten, im Princip anzunehmen." Und
dabei blieb es. Die ganze Verhandlung hatte nicht den geringsten Werth.
Aber der Eifer Griffvli's, der noch bis Ende November hingehalten wurde,
hatte nichts zu wünschen übrig gelassen. Er war wirklich in seinen Gründen
unerschöpflich gewesen, und nur dies sei noch als charakteristisch hervorgehoben,
daß Griffoli, obwohl er unverkennbar die künftige Liga als eine Einrichtung
im nationalen Interesse verstand, doch keinen Anstand nahm, die Nieder¬
lage Karl Alberts im Felde geradezu als einen günstigen Umstand hervor¬
zuheben, der die Biloung eines Bundes wesentlich zu erleichtern geeignet sei.
Man sieht, vor welcher Gefahr die Ligaverhandlungen schließlich angekommen
waren: hatten bisher die Gegner Karl Alberts nur behauptet, die Interessen
Piemonts und Italiens seien keineswegs identisch, so war man jetzt nicht
mehr weit davon entfernt, zu beweisen: je unglücklicher das sardinische Heer,
um so besser die Aussichten für den Bund.

Uebrigens konnten die Freunde der Conföderation schon Ende October
sich nicht verbergen, daß die Zeit für deren Verwirklichung vorüber sei.
Während Bargagli und Rossi um die Wette die „unbegreifliche Dummheit"
der Fürsten anklagten, welche eine kostbare Zeit verloren in Verhandlungen
über einen Vertrag, der die konstitutionelle Monarchie unendlich befestigen
müßte, war die Idee einer Conföderation bereits überholt durch das demokra¬
tische Programm, das von dem phantastischen Doctrinär Montanelli zuerst aus¬
gegeben, immer mehr an Terrain gewann und zwar nicht blos in Mittelitalien.
Montanelli verfocht mit unendlichem Wortschwall die Idee, daß, nachdem die
Fürsten es zu nichts zu bringen vermocht, das Volk selbst die Sache in die Hand
nehmen müsse. Italien könne nur durch eine Constituente gerettet werden,
d. h. durch eine souveräne, vom ganzen italienischen Volk gewählte National-


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[0386] Eindruck auf denselben zu machen. Auch der Papst unterstützte die Bemühungen der toscanischen Diplomatie. Am 19. October wurde Griffoli zu Bozzelli dem einflußreichsten Minister, beschieden, der ihm eröffnete, daß im Minister' rath über die Liga verhandelt worden sei und daß man sich geeinigt habe, folgende Bedingungen für den Beitritt Neapels zu stellen: jedem Staat müsse ausdrücklich der volle Besitz seines Gebiets garantirr werden, alle Staaten sollten sich für gegenseitigen Schutz zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ord¬ nung verpflichten, endlich seien die gegenwärtigen politischen Einrichtungen aufrecht zu halten; der Zukunft bleibe es vorbehalten, die Gleichartigkeit der¬ selben anzustreben.' Griffoli, dem diese Bedingungen annehmbar schienen, arbeitete nun unter Berücksichtigung derselben den förmlichen Entwurf einer Conföderation mit einem Bundestage aus. Dieser fand zwar entschiedenen Widerstand beim Fürsten Cariati, im Ministerrath wurde aber doch der Be- schluß gesaßt: „den Vorschlag, der Verhandlung über einen politischen Bund zwischen den italienischen Staaten beizutreten, im Princip anzunehmen." Und dabei blieb es. Die ganze Verhandlung hatte nicht den geringsten Werth. Aber der Eifer Griffvli's, der noch bis Ende November hingehalten wurde, hatte nichts zu wünschen übrig gelassen. Er war wirklich in seinen Gründen unerschöpflich gewesen, und nur dies sei noch als charakteristisch hervorgehoben, daß Griffoli, obwohl er unverkennbar die künftige Liga als eine Einrichtung im nationalen Interesse verstand, doch keinen Anstand nahm, die Nieder¬ lage Karl Alberts im Felde geradezu als einen günstigen Umstand hervor¬ zuheben, der die Biloung eines Bundes wesentlich zu erleichtern geeignet sei. Man sieht, vor welcher Gefahr die Ligaverhandlungen schließlich angekommen waren: hatten bisher die Gegner Karl Alberts nur behauptet, die Interessen Piemonts und Italiens seien keineswegs identisch, so war man jetzt nicht mehr weit davon entfernt, zu beweisen: je unglücklicher das sardinische Heer, um so besser die Aussichten für den Bund. Uebrigens konnten die Freunde der Conföderation schon Ende October sich nicht verbergen, daß die Zeit für deren Verwirklichung vorüber sei. Während Bargagli und Rossi um die Wette die „unbegreifliche Dummheit" der Fürsten anklagten, welche eine kostbare Zeit verloren in Verhandlungen über einen Vertrag, der die konstitutionelle Monarchie unendlich befestigen müßte, war die Idee einer Conföderation bereits überholt durch das demokra¬ tische Programm, das von dem phantastischen Doctrinär Montanelli zuerst aus¬ gegeben, immer mehr an Terrain gewann und zwar nicht blos in Mittelitalien. Montanelli verfocht mit unendlichem Wortschwall die Idee, daß, nachdem die Fürsten es zu nichts zu bringen vermocht, das Volk selbst die Sache in die Hand nehmen müsse. Italien könne nur durch eine Constituente gerettet werden, d. h. durch eine souveräne, vom ganzen italienischen Volk gewählte National-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/386>, abgerufen am 26.08.2024.