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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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jenes zu gewinnen, in welchem die Nation und die Unabhängigkeit gar nicht
mehr erwähnt seien, und das, des populären Elements beraubt, nur einen
Bund der Fürsten aufstelle, deren Bevollmächtigte blos berathen, nicht be¬
schließen könnten. Ebenso hielt Nosmini gar nichts auf dieses Project, das
statt einer That nur eine inhaltlose Versprechung sei

Während dieser Verhandlungen hatte sich das Turiner Cabinet direct
mit der Florentiner Negierung ins Benehmen gesetzt. In einer Note vom
9. October wiederholte Villamarka, der piemontesische Gesandte in Florenz,
daß seine Regierung geneigt sei, einen förmlichen Pact einzugehen zum Ab¬
schluß einer Liga mit dem doppelten Zweck: 1) zur Vorbereitung eines neuen
Krieges gegen Oestreich, 2) zur Vorbereitung einer künftigen Conföderation
zum Schutz der äußeren Unabhängigkeit und der inneren Ordnung. Das
Ministerium Capponi nahm den Vorschlag nicht ungünstig auf, bestand aber
auf wesentlichen Modifikationen, welche drei Punkre betrafen, einmal den
Zeitpunkt des Zusammentritts der Bevollmächtigten, welche die organischen
Gesetze des Bundesvertrags vereinbaren sollten, dann die Art und Weise der
Wahl dieser Bevollmächtigten, endlich die Form der Erklärung für die künftige
Conföderation. Vor Allem sollte die Einberufung der Bevollmächtigten un¬
verzüglich geschehen, darauf legte Giorgini, der Minister des Auswärtigen,
in seiner Note vom 10. Octbr. das größte Gewicht. Ein Verzug lasse sich
durch nichts rechtfertigen und würde zu neuen Verleumdungen und Dekla¬
mationen gegen die italienischen Regierungen Anlaß geben. Die Folge wäre
nur, daß die Radikalen sich der Sache bemächtigten und die Action der Re¬
gierungen usurpirter. Auch empfehle es sich, daß die Feststellung der Con-
tingente und der Geldbeiträge zum Kriege, worauf Piemont mit Recht so
großes Gewicht lege, nicht von den diplomatischen Agenten der Regierungen,
welche die Präliminarien des Bundesvertrags unterzeichnen würden, sondern
von den definitiven Vertretern selbst bestimmt würden. Diese aber müßten,
worüber das Turiner Cabinet sich nicht deutlich ausspreche, nicht von den
Regierungen, sondern von den Volksvertretungen der drei Staaten gewählt
werden, denn sonst würde der Bund, anstatt als ein Entgegenkommen gegen
die öffentliche Meinung begrüßt zu werden, nur mit Mißtrauen aufgenom¬
men und als Bund der Fürsten gegen die Völker verdächtigt werden.
Endlich aber müsse noch förmlich das föderative Princip betont werden, dessen
Verwirklichung der Zweck der Liga sei, dadurch werde die ganze Sache dem
Auslande gegenüber an Gewicht und Feierlichkeit gewinnen. Villamarka's
Antwort war entgegenkommend; nur gegen die Wahl der Bevollmächtigten
durch die Kammern erklärte er sich jetzt bestimmt. Dieses Vorgehen, schrieb
er, wäre im Widerspruch mit den Rechten der Krone wie mit den Rechten
der Kammern, denn jenen stehe es zu, Verträge abzuschließen, und diesen, von


jenes zu gewinnen, in welchem die Nation und die Unabhängigkeit gar nicht
mehr erwähnt seien, und das, des populären Elements beraubt, nur einen
Bund der Fürsten aufstelle, deren Bevollmächtigte blos berathen, nicht be¬
schließen könnten. Ebenso hielt Nosmini gar nichts auf dieses Project, das
statt einer That nur eine inhaltlose Versprechung sei

Während dieser Verhandlungen hatte sich das Turiner Cabinet direct
mit der Florentiner Negierung ins Benehmen gesetzt. In einer Note vom
9. October wiederholte Villamarka, der piemontesische Gesandte in Florenz,
daß seine Regierung geneigt sei, einen förmlichen Pact einzugehen zum Ab¬
schluß einer Liga mit dem doppelten Zweck: 1) zur Vorbereitung eines neuen
Krieges gegen Oestreich, 2) zur Vorbereitung einer künftigen Conföderation
zum Schutz der äußeren Unabhängigkeit und der inneren Ordnung. Das
Ministerium Capponi nahm den Vorschlag nicht ungünstig auf, bestand aber
auf wesentlichen Modifikationen, welche drei Punkre betrafen, einmal den
Zeitpunkt des Zusammentritts der Bevollmächtigten, welche die organischen
Gesetze des Bundesvertrags vereinbaren sollten, dann die Art und Weise der
Wahl dieser Bevollmächtigten, endlich die Form der Erklärung für die künftige
Conföderation. Vor Allem sollte die Einberufung der Bevollmächtigten un¬
verzüglich geschehen, darauf legte Giorgini, der Minister des Auswärtigen,
in seiner Note vom 10. Octbr. das größte Gewicht. Ein Verzug lasse sich
durch nichts rechtfertigen und würde zu neuen Verleumdungen und Dekla¬
mationen gegen die italienischen Regierungen Anlaß geben. Die Folge wäre
nur, daß die Radikalen sich der Sache bemächtigten und die Action der Re¬
gierungen usurpirter. Auch empfehle es sich, daß die Feststellung der Con-
tingente und der Geldbeiträge zum Kriege, worauf Piemont mit Recht so
großes Gewicht lege, nicht von den diplomatischen Agenten der Regierungen,
welche die Präliminarien des Bundesvertrags unterzeichnen würden, sondern
von den definitiven Vertretern selbst bestimmt würden. Diese aber müßten,
worüber das Turiner Cabinet sich nicht deutlich ausspreche, nicht von den
Regierungen, sondern von den Volksvertretungen der drei Staaten gewählt
werden, denn sonst würde der Bund, anstatt als ein Entgegenkommen gegen
die öffentliche Meinung begrüßt zu werden, nur mit Mißtrauen aufgenom¬
men und als Bund der Fürsten gegen die Völker verdächtigt werden.
Endlich aber müsse noch förmlich das föderative Princip betont werden, dessen
Verwirklichung der Zweck der Liga sei, dadurch werde die ganze Sache dem
Auslande gegenüber an Gewicht und Feierlichkeit gewinnen. Villamarka's
Antwort war entgegenkommend; nur gegen die Wahl der Bevollmächtigten
durch die Kammern erklärte er sich jetzt bestimmt. Dieses Vorgehen, schrieb
er, wäre im Widerspruch mit den Rechten der Krone wie mit den Rechten
der Kammern, denn jenen stehe es zu, Verträge abzuschließen, und diesen, von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/383>, abgerufen am 24.08.2024.