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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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an diese Ruine zu legen, deren Hallen noch wiedertönen vom Jubel der Feudalen,
die triumphirend herabblicken auf das vergebliche Gebahren der 6000 Peten-
ten. Glauben sie sich doch geborgen, so lange der norddeutsche Bund, der
ihre Rechte anerkannt hat. überhaupt besteht. Aber nachhaltiger, als ein ent.
gegengesetzter Beschluß des Bundcsraths hätte wirken können, wirkt im Ver¬
borgenen, und seit der helle Tag durch unsere Breschen und Mauerlücken
scheint, nicht mehr blos im Verborgenen der Zahn der Zeit, dessen die poli¬
tische Nothwendigkeit sich überall siegesgewiß bedient, wo kein anderes
Mittel verfangen will.

Man versuche es nur, den Bauernstand in Reih und Glied neben
Ritter- und Landschaft aufmarschiren, und diese Trias Front machen zu lassen
an der mecklenburgischen Grenze. Gibt es kein anderes Mittel, den Kampf
des ständischen mit dem konstitutionellen Princip fortzuführen, als den beiden
Ständen der Ritter- und Landschaft den dritten der Bauern zuzugefellen,
so dürfte es auch von ihm bald heißen: rs3 aä triarios reäiit. Der aus
constitutionell organisirten Gemeinden hervorgegangene Bauernstand dürfte
einen gefährlichen Bundesgenossen abgeben. Hinter dem Rücken der Streiter
wird aus dem in die Gemeinden gelegten konstitutionellen Senfkorn der ge¬
furchtste Constitutonalismus selbst erwachsen, und den streitenden Kämpfern die
Rückkehr in den Sternberger und Malchiner Ständesaal streitig zu machen.
Die zu Mitgliedern jener Gemeinden gewordenen Bauern werden unmöglich
daran Geschmack finden, zugleich Mitglieder einer ständischen Versammlung
zu sein und zugleich an den Wahlen zu dem constitutionellen Reichstag
Theil zu nehmen. Als die mecklenburgische Regierung ihre auf das kon¬
stitutionelle Princip gegründete aber scheinbar für weitere politische Kreise
ungefährlich gemachte Gemeindeordnung im Entwurf publicirte. hatte sie
nicht geahnt, daß dasselbe Princip bald auch von außen hereinbrechen und
die ständischen Institutionen in ein vernichtendes Kreuzfeuer bringen werde.
Wenn die Negierung auch noch jetzt die "unteren Kreise der Gesellschaft"
nach diesem "fremden Muster" auszubilden fortfährt und energisch mit Ver>
erbpachtung der Bauerhufen vorgeht, um dadurch zur Durchführung der Ge¬
meindeordnung zu gelangen, sehen wir sie dann nicht auf einem Wege, der
desto schneller und sicherer zu dem vom Lande ersehnten Ziele führen wird?
Der norddeutsche Bund arbeitet unaufhaltsam von obenher am Abbruch der
Schranken, die dem Zeitgeiste den Eingang in den mecklenburgischen Patrimo-
nialstaat wehren, die modern organisirten Gemeinden werden von unten deren
Fundamente untergraben. Indem so Beide einander in die Hände arbeiten,
werden sie sich bald begegnen auf dem Punkt, da kein Raum mehr ist, das
ständische Princip zu wahren.




an diese Ruine zu legen, deren Hallen noch wiedertönen vom Jubel der Feudalen,
die triumphirend herabblicken auf das vergebliche Gebahren der 6000 Peten-
ten. Glauben sie sich doch geborgen, so lange der norddeutsche Bund, der
ihre Rechte anerkannt hat. überhaupt besteht. Aber nachhaltiger, als ein ent.
gegengesetzter Beschluß des Bundcsraths hätte wirken können, wirkt im Ver¬
borgenen, und seit der helle Tag durch unsere Breschen und Mauerlücken
scheint, nicht mehr blos im Verborgenen der Zahn der Zeit, dessen die poli¬
tische Nothwendigkeit sich überall siegesgewiß bedient, wo kein anderes
Mittel verfangen will.

Man versuche es nur, den Bauernstand in Reih und Glied neben
Ritter- und Landschaft aufmarschiren, und diese Trias Front machen zu lassen
an der mecklenburgischen Grenze. Gibt es kein anderes Mittel, den Kampf
des ständischen mit dem konstitutionellen Princip fortzuführen, als den beiden
Ständen der Ritter- und Landschaft den dritten der Bauern zuzugefellen,
so dürfte es auch von ihm bald heißen: rs3 aä triarios reäiit. Der aus
constitutionell organisirten Gemeinden hervorgegangene Bauernstand dürfte
einen gefährlichen Bundesgenossen abgeben. Hinter dem Rücken der Streiter
wird aus dem in die Gemeinden gelegten konstitutionellen Senfkorn der ge¬
furchtste Constitutonalismus selbst erwachsen, und den streitenden Kämpfern die
Rückkehr in den Sternberger und Malchiner Ständesaal streitig zu machen.
Die zu Mitgliedern jener Gemeinden gewordenen Bauern werden unmöglich
daran Geschmack finden, zugleich Mitglieder einer ständischen Versammlung
zu sein und zugleich an den Wahlen zu dem constitutionellen Reichstag
Theil zu nehmen. Als die mecklenburgische Regierung ihre auf das kon¬
stitutionelle Princip gegründete aber scheinbar für weitere politische Kreise
ungefährlich gemachte Gemeindeordnung im Entwurf publicirte. hatte sie
nicht geahnt, daß dasselbe Princip bald auch von außen hereinbrechen und
die ständischen Institutionen in ein vernichtendes Kreuzfeuer bringen werde.
Wenn die Negierung auch noch jetzt die „unteren Kreise der Gesellschaft"
nach diesem „fremden Muster" auszubilden fortfährt und energisch mit Ver>
erbpachtung der Bauerhufen vorgeht, um dadurch zur Durchführung der Ge¬
meindeordnung zu gelangen, sehen wir sie dann nicht auf einem Wege, der
desto schneller und sicherer zu dem vom Lande ersehnten Ziele führen wird?
Der norddeutsche Bund arbeitet unaufhaltsam von obenher am Abbruch der
Schranken, die dem Zeitgeiste den Eingang in den mecklenburgischen Patrimo-
nialstaat wehren, die modern organisirten Gemeinden werden von unten deren
Fundamente untergraben. Indem so Beide einander in die Hände arbeiten,
werden sie sich bald begegnen auf dem Punkt, da kein Raum mehr ist, das
ständische Princip zu wahren.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/34>, abgerufen am 25.08.2024.