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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Neue Ausgrabungen in Athen.

Die für Sammlung vaterländischer Alterthümer ununterbrochen thätige
archäologische Gesellschaft in Athen hat ihre folgenreichen Ausgrabungen bei
der Kirche der Panagia Chrysopyrgiotissa wieder begonnen. Durch diese war
seither außer einer Reihe Inschriften das topographisch wichtige Resultat ge¬
wonnen worden, daß die längs dieser Kirche sich hinziehenden Ruinen, die
man früher allgemein für das Gymnasion des Ptolemaios gehalten hatte,
einer Stoa des Attalos II. Philadelphias am Markte von Athen angehören.

Gegenwärtig sind am nämlichen Ort, also auf der eigentlichen Agora,
zwei allerdings nur unvollkommen erhaltene lebensgroße Figuren aus
Marmor ausgegraben worden, die in mehrfacher Hinsicht historisches und
kunstgeschichtliches Interesse beanspruchen. Erhalten ist von beiden nicht viel
mehr als der Torso, aber über die Bewegung der Arme und Beine kann
nicht wohl ein Zweifel herrschen. Beide standen aufrecht und schienen ziem¬
lich gleiche Tracht gehabt zu haben. Beide sind weiblich, und haben über
einem Chiton einen mit Reliefs verzierten Panzer, mit Tragriemen über den
Schultern, franzenartigen (Leder-) Klappen am unteren Saum, ganz wie wir
sie an den römischen Jmperatorensiguren zu sehen gewohnt sind. Ueber den
Panzer hängt ein langer, auf den Schultern nur lose befestigter Mantel
im Rücken herab. Die Arbeit ist frisch aber flüchtig, wie sie in den pro-
ductiven Werkstätten der alten Bildhauer für sogenannte decorative Werke
nie anders angewendet worden ist. Die eine Figur zeigt über dem Schenkel,
auf den Falten des Chitons, eine in Charakteren des zweiten Jahrhunderts
n. Ch. eingegrabene Inschrift, die als Meister einen bisher unbekannten
"Jason aus Athen" nennt. Unzweifelhaft gehörten diese Figuren einer
größeren Reihe an, und können nach Analogien, die gerade aus hadrianischer
Zeit in Athen sich nachweisen lassen, für Personifikationen von Städten oder
Provinzen gelten.

Neuerdings hat Herr Rangabe der Pariser ^.elräemie ass inserixtionZ
et beilös lettres eine von dem Lomite ass iiutihulürös et'^.tneutzg emittirte
Publication eines im Vasenstil bemalten mit Inschriften versehenen Thvntellers
unterbreitet und bei dieser Gelegenheit von der Thätigkeit dieses Comites
Nachricht gegeben. Er sagt: dieses Comite", bestehend aus Herrn Stauros, Di¬
rektor der griechischen Bank, den Herren Nenie'ri, Basilis und Kähaja, Unterdirec-
toren der griechischen Bank, dem Herrn Calliga, Professor der Universität zu
Athen und ehemaligem Minister, und mir, hat sich vor fünf Jahren in Athen


Neue Ausgrabungen in Athen.

Die für Sammlung vaterländischer Alterthümer ununterbrochen thätige
archäologische Gesellschaft in Athen hat ihre folgenreichen Ausgrabungen bei
der Kirche der Panagia Chrysopyrgiotissa wieder begonnen. Durch diese war
seither außer einer Reihe Inschriften das topographisch wichtige Resultat ge¬
wonnen worden, daß die längs dieser Kirche sich hinziehenden Ruinen, die
man früher allgemein für das Gymnasion des Ptolemaios gehalten hatte,
einer Stoa des Attalos II. Philadelphias am Markte von Athen angehören.

Gegenwärtig sind am nämlichen Ort, also auf der eigentlichen Agora,
zwei allerdings nur unvollkommen erhaltene lebensgroße Figuren aus
Marmor ausgegraben worden, die in mehrfacher Hinsicht historisches und
kunstgeschichtliches Interesse beanspruchen. Erhalten ist von beiden nicht viel
mehr als der Torso, aber über die Bewegung der Arme und Beine kann
nicht wohl ein Zweifel herrschen. Beide standen aufrecht und schienen ziem¬
lich gleiche Tracht gehabt zu haben. Beide sind weiblich, und haben über
einem Chiton einen mit Reliefs verzierten Panzer, mit Tragriemen über den
Schultern, franzenartigen (Leder-) Klappen am unteren Saum, ganz wie wir
sie an den römischen Jmperatorensiguren zu sehen gewohnt sind. Ueber den
Panzer hängt ein langer, auf den Schultern nur lose befestigter Mantel
im Rücken herab. Die Arbeit ist frisch aber flüchtig, wie sie in den pro-
ductiven Werkstätten der alten Bildhauer für sogenannte decorative Werke
nie anders angewendet worden ist. Die eine Figur zeigt über dem Schenkel,
auf den Falten des Chitons, eine in Charakteren des zweiten Jahrhunderts
n. Ch. eingegrabene Inschrift, die als Meister einen bisher unbekannten
»Jason aus Athen" nennt. Unzweifelhaft gehörten diese Figuren einer
größeren Reihe an, und können nach Analogien, die gerade aus hadrianischer
Zeit in Athen sich nachweisen lassen, für Personifikationen von Städten oder
Provinzen gelten.

Neuerdings hat Herr Rangabe der Pariser ^.elräemie ass inserixtionZ
et beilös lettres eine von dem Lomite ass iiutihulürös et'^.tneutzg emittirte
Publication eines im Vasenstil bemalten mit Inschriften versehenen Thvntellers
unterbreitet und bei dieser Gelegenheit von der Thätigkeit dieses Comites
Nachricht gegeben. Er sagt: dieses Comite", bestehend aus Herrn Stauros, Di¬
rektor der griechischen Bank, den Herren Nenie'ri, Basilis und Kähaja, Unterdirec-
toren der griechischen Bank, dem Herrn Calliga, Professor der Universität zu
Athen und ehemaligem Minister, und mir, hat sich vor fünf Jahren in Athen


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[0325] Neue Ausgrabungen in Athen. Die für Sammlung vaterländischer Alterthümer ununterbrochen thätige archäologische Gesellschaft in Athen hat ihre folgenreichen Ausgrabungen bei der Kirche der Panagia Chrysopyrgiotissa wieder begonnen. Durch diese war seither außer einer Reihe Inschriften das topographisch wichtige Resultat ge¬ wonnen worden, daß die längs dieser Kirche sich hinziehenden Ruinen, die man früher allgemein für das Gymnasion des Ptolemaios gehalten hatte, einer Stoa des Attalos II. Philadelphias am Markte von Athen angehören. Gegenwärtig sind am nämlichen Ort, also auf der eigentlichen Agora, zwei allerdings nur unvollkommen erhaltene lebensgroße Figuren aus Marmor ausgegraben worden, die in mehrfacher Hinsicht historisches und kunstgeschichtliches Interesse beanspruchen. Erhalten ist von beiden nicht viel mehr als der Torso, aber über die Bewegung der Arme und Beine kann nicht wohl ein Zweifel herrschen. Beide standen aufrecht und schienen ziem¬ lich gleiche Tracht gehabt zu haben. Beide sind weiblich, und haben über einem Chiton einen mit Reliefs verzierten Panzer, mit Tragriemen über den Schultern, franzenartigen (Leder-) Klappen am unteren Saum, ganz wie wir sie an den römischen Jmperatorensiguren zu sehen gewohnt sind. Ueber den Panzer hängt ein langer, auf den Schultern nur lose befestigter Mantel im Rücken herab. Die Arbeit ist frisch aber flüchtig, wie sie in den pro- ductiven Werkstätten der alten Bildhauer für sogenannte decorative Werke nie anders angewendet worden ist. Die eine Figur zeigt über dem Schenkel, auf den Falten des Chitons, eine in Charakteren des zweiten Jahrhunderts n. Ch. eingegrabene Inschrift, die als Meister einen bisher unbekannten »Jason aus Athen" nennt. Unzweifelhaft gehörten diese Figuren einer größeren Reihe an, und können nach Analogien, die gerade aus hadrianischer Zeit in Athen sich nachweisen lassen, für Personifikationen von Städten oder Provinzen gelten. Neuerdings hat Herr Rangabe der Pariser ^.elräemie ass inserixtionZ et beilös lettres eine von dem Lomite ass iiutihulürös et'^.tneutzg emittirte Publication eines im Vasenstil bemalten mit Inschriften versehenen Thvntellers unterbreitet und bei dieser Gelegenheit von der Thätigkeit dieses Comites Nachricht gegeben. Er sagt: dieses Comite", bestehend aus Herrn Stauros, Di¬ rektor der griechischen Bank, den Herren Nenie'ri, Basilis und Kähaja, Unterdirec- toren der griechischen Bank, dem Herrn Calliga, Professor der Universität zu Athen und ehemaligem Minister, und mir, hat sich vor fünf Jahren in Athen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/325>, abgerufen am 22.07.2024.