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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Zur Ordnung! Zur Ordnung! Mr. Vorsitzer! Mr. Vorsitzer! Den Mr. Thun-
der zur Ordnung rufen!

M'Murrough hämmert und sagt dann: Das Verlangen der Versamm¬
lung ist nicht ungerechtfertigt, insofern -- obgleich, Gentlemen, die angeborene
celtische Lebhaftigkeit -- und gewiß keine Beleidigung beabsichtigt -- insofern
ich schon erinnern wollte, daß Mr. Thunder's Bemerkungen den Gegenstand
der Debatte, nämlich: War Lord Macaulay u- s. w. bisher nicht berührt
haben.

O'Brien: Macaulay wird sich selbst vertheidigen. Mr. Vorsitzer und
Gentlemen, die Majorität für den Ordnungsruf ist entscheidend und ich beuge
mich vor ihrem Ausspruch. Die Luft soll wieder rein werden; ich will die
Samstagabende des grauen Hofes nicht mehr stören. ("So war's nicht ge¬
meint!" -- "Unsinn!" -- "Gentleman immer gern gehört, reich an Anek¬
doten" --). Nein, es widerstrebt meinem Gewissen, aus dieser festen Burg
altenglischer Gesinnung die treuesten Hüter zu verscheuchen. Nur habe ich
an die Minorität noch eine Bitte. Zu den blinden und ärgsten Feinden
Englands möchte ich nicht gezählt sein. Ich liebe erstens, wie Sie gehört
haben, die radicalen Engländer. Möge ihre Zahl fortwährend steigen! Ich
vertrage mich auch mit einem Ketzer, wenn er nicht zu fromm ist. Und dann
habe ich manche Dinge in diesem Theile des Reiches schätzen gelernt. Ich
sehe gern meine irische Kartoffel -- ach. es ist nicht gut, daß sie allein sei --
gepaart mit dem englischen Rinderbraten. ("Bravo!") Von irgend einer
Abneigung oder Kälte gegen die Töchter der Insel weiß ich mich vollkommen
frei. (Heiterkeit.) Obgleich einer langen Reihe von Königen entsprossen,
kenne ich keinen Stolz des Geblüts und werde es für keine Verschlechterung
der edlen irischen Race halten, wenn ein schlichtes, aber rosiges englisches
Mägdelein die Mutter der künftigen Thunder O'Briens wird. ("Ah!") --
Buckville: Sehr herablassend von Mr. Thunder, doch schade, daß er zu ver¬
gessen scheint, was ein alter Spruch sggt: "Kein fremder Wicht die Rose
bricht!" (Gezische! und Zusammenstecken der Köpfe.) O'Brien: Fremder
Wicht! Vortrefflich. Die schöne Lehre -- ich weiß nicht mehr, ist sie von
Lord Lyndhurst oder Lord Grumley -- daß wir Jrländer auf dem Boden
unserer Vorfahren als fremdeZWichte behandelt werden müssen*), wird manch¬
mal gewissenhafter befolgt als die zehn Gebote. Als ich das lustige Grün
Erin verließ, kam ich. wie Ihr wißt, eigens herüber, um ein wenig gesunden
irischen Menschenverstand in Euere sächsischen Schädel hineinzupauken. (Lachen.)
Leider bin ich kein Herkules, wie ich bald merkte, und so kam mir damals



Lord Lyndhurst nannte die Jrlnndcr "Fremdlinge, lMvus) in Blut, Sprache und Re¬
ligion." . ,
40*

Zur Ordnung! Zur Ordnung! Mr. Vorsitzer! Mr. Vorsitzer! Den Mr. Thun-
der zur Ordnung rufen!

M'Murrough hämmert und sagt dann: Das Verlangen der Versamm¬
lung ist nicht ungerechtfertigt, insofern — obgleich, Gentlemen, die angeborene
celtische Lebhaftigkeit — und gewiß keine Beleidigung beabsichtigt — insofern
ich schon erinnern wollte, daß Mr. Thunder's Bemerkungen den Gegenstand
der Debatte, nämlich: War Lord Macaulay u- s. w. bisher nicht berührt
haben.

O'Brien: Macaulay wird sich selbst vertheidigen. Mr. Vorsitzer und
Gentlemen, die Majorität für den Ordnungsruf ist entscheidend und ich beuge
mich vor ihrem Ausspruch. Die Luft soll wieder rein werden; ich will die
Samstagabende des grauen Hofes nicht mehr stören. („So war's nicht ge¬
meint!" — „Unsinn!" — „Gentleman immer gern gehört, reich an Anek¬
doten" —). Nein, es widerstrebt meinem Gewissen, aus dieser festen Burg
altenglischer Gesinnung die treuesten Hüter zu verscheuchen. Nur habe ich
an die Minorität noch eine Bitte. Zu den blinden und ärgsten Feinden
Englands möchte ich nicht gezählt sein. Ich liebe erstens, wie Sie gehört
haben, die radicalen Engländer. Möge ihre Zahl fortwährend steigen! Ich
vertrage mich auch mit einem Ketzer, wenn er nicht zu fromm ist. Und dann
habe ich manche Dinge in diesem Theile des Reiches schätzen gelernt. Ich
sehe gern meine irische Kartoffel — ach. es ist nicht gut, daß sie allein sei —
gepaart mit dem englischen Rinderbraten. („Bravo!") Von irgend einer
Abneigung oder Kälte gegen die Töchter der Insel weiß ich mich vollkommen
frei. (Heiterkeit.) Obgleich einer langen Reihe von Königen entsprossen,
kenne ich keinen Stolz des Geblüts und werde es für keine Verschlechterung
der edlen irischen Race halten, wenn ein schlichtes, aber rosiges englisches
Mägdelein die Mutter der künftigen Thunder O'Briens wird. („Ah!") —
Buckville: Sehr herablassend von Mr. Thunder, doch schade, daß er zu ver¬
gessen scheint, was ein alter Spruch sggt: „Kein fremder Wicht die Rose
bricht!" (Gezische! und Zusammenstecken der Köpfe.) O'Brien: Fremder
Wicht! Vortrefflich. Die schöne Lehre — ich weiß nicht mehr, ist sie von
Lord Lyndhurst oder Lord Grumley — daß wir Jrländer auf dem Boden
unserer Vorfahren als fremdeZWichte behandelt werden müssen*), wird manch¬
mal gewissenhafter befolgt als die zehn Gebote. Als ich das lustige Grün
Erin verließ, kam ich. wie Ihr wißt, eigens herüber, um ein wenig gesunden
irischen Menschenverstand in Euere sächsischen Schädel hineinzupauken. (Lachen.)
Leider bin ich kein Herkules, wie ich bald merkte, und so kam mir damals



Lord Lyndhurst nannte die Jrlnndcr „Fremdlinge, lMvus) in Blut, Sprache und Re¬
ligion." . ,
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[0323] Zur Ordnung! Zur Ordnung! Mr. Vorsitzer! Mr. Vorsitzer! Den Mr. Thun- der zur Ordnung rufen! M'Murrough hämmert und sagt dann: Das Verlangen der Versamm¬ lung ist nicht ungerechtfertigt, insofern — obgleich, Gentlemen, die angeborene celtische Lebhaftigkeit — und gewiß keine Beleidigung beabsichtigt — insofern ich schon erinnern wollte, daß Mr. Thunder's Bemerkungen den Gegenstand der Debatte, nämlich: War Lord Macaulay u- s. w. bisher nicht berührt haben. O'Brien: Macaulay wird sich selbst vertheidigen. Mr. Vorsitzer und Gentlemen, die Majorität für den Ordnungsruf ist entscheidend und ich beuge mich vor ihrem Ausspruch. Die Luft soll wieder rein werden; ich will die Samstagabende des grauen Hofes nicht mehr stören. („So war's nicht ge¬ meint!" — „Unsinn!" — „Gentleman immer gern gehört, reich an Anek¬ doten" —). Nein, es widerstrebt meinem Gewissen, aus dieser festen Burg altenglischer Gesinnung die treuesten Hüter zu verscheuchen. Nur habe ich an die Minorität noch eine Bitte. Zu den blinden und ärgsten Feinden Englands möchte ich nicht gezählt sein. Ich liebe erstens, wie Sie gehört haben, die radicalen Engländer. Möge ihre Zahl fortwährend steigen! Ich vertrage mich auch mit einem Ketzer, wenn er nicht zu fromm ist. Und dann habe ich manche Dinge in diesem Theile des Reiches schätzen gelernt. Ich sehe gern meine irische Kartoffel — ach. es ist nicht gut, daß sie allein sei — gepaart mit dem englischen Rinderbraten. („Bravo!") Von irgend einer Abneigung oder Kälte gegen die Töchter der Insel weiß ich mich vollkommen frei. (Heiterkeit.) Obgleich einer langen Reihe von Königen entsprossen, kenne ich keinen Stolz des Geblüts und werde es für keine Verschlechterung der edlen irischen Race halten, wenn ein schlichtes, aber rosiges englisches Mägdelein die Mutter der künftigen Thunder O'Briens wird. („Ah!") — Buckville: Sehr herablassend von Mr. Thunder, doch schade, daß er zu ver¬ gessen scheint, was ein alter Spruch sggt: „Kein fremder Wicht die Rose bricht!" (Gezische! und Zusammenstecken der Köpfe.) O'Brien: Fremder Wicht! Vortrefflich. Die schöne Lehre — ich weiß nicht mehr, ist sie von Lord Lyndhurst oder Lord Grumley — daß wir Jrländer auf dem Boden unserer Vorfahren als fremdeZWichte behandelt werden müssen*), wird manch¬ mal gewissenhafter befolgt als die zehn Gebote. Als ich das lustige Grün Erin verließ, kam ich. wie Ihr wißt, eigens herüber, um ein wenig gesunden irischen Menschenverstand in Euere sächsischen Schädel hineinzupauken. (Lachen.) Leider bin ich kein Herkules, wie ich bald merkte, und so kam mir damals Lord Lyndhurst nannte die Jrlnndcr „Fremdlinge, lMvus) in Blut, Sprache und Re¬ ligion." . , 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/323>, abgerufen am 24.08.2024.