Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.fache Erwägung, daß derjenige besser weiß, wie ein gesundes Rechts¬ Man denke weiter an die Bedeutung einheitlicher Competenzbestimmungen, Allerdings mag man sich über alles dies in manchen Kreisen nicht ganz fache Erwägung, daß derjenige besser weiß, wie ein gesundes Rechts¬ Man denke weiter an die Bedeutung einheitlicher Competenzbestimmungen, Allerdings mag man sich über alles dies in manchen Kreisen nicht ganz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121527"/> <p xml:id="ID_973" prev="#ID_972"> fache Erwägung, daß derjenige besser weiß, wie ein gesundes Rechts¬<lb/> verhältniß beschaffen sein muß, der ein solches tagtäglich sieht und erlebt, als<lb/> derjenige, der immer nur mit kranken Rechtsverhältnissen zu thun hat. Jeden¬<lb/> falls aber ist die Rechtspflege mit oder ohne kaufmännische Beisitzer eine<lb/> wesentlich verschiedene. Es hieße einfach auf eine einheitliche Rechts¬<lb/> pflege verzichten, wenn man die Einführung oder Nichtemführung der Han¬<lb/> delsgerichte dem Belieben der einzelnen Territorialgewalten überlassen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_974"> Man denke weiter an die Bedeutung einheitlicher Competenzbestimmungen,<lb/> für die Einheit und Gleichartigkeit der Rechtspflege. Oder sollte es z. B.<lb/> gestattet sein, das öffentliche und mündliche Verfahren vor einem collegialisch<lb/> besetzten Gerichte, wie es die neue Proceßordnung für die ordentlichen Gerichte<lb/> vorschreiben, jedenfalls voraussetzen wird, für die bei weitem größte Zahl der<lb/> Rechtssachen wieder einfach dadurch weg zu escamotiren, daß man die Com-<lb/> petenz der ordentlichen Gerichte erst mit einer unverhältnismäßig hohen<lb/> Proceßsumme beginnen läßt, alle geringeren Sachen aber den Bagatellrichtern<lb/> zuweist? In einer Proceßgesetzordriung, welche die hessische Regierung kurz<lb/> vor der Krisis des Jahres 1866 auf Grundlage des hannoverschen Entwurfs<lb/> hatte drucken lassen, war dies wirklich geschehen — wie Einzelne unterstellten,<lb/> nur deshalb, weil den meist oppositionell gesinnten und das stehende Cadre<lb/> aller politischen und kirchlichen Agitationen bildenden Advocaten ein großer<lb/> Theil alsdann ihrer Praxis entzogen und den sogenannten Proceßbevollmäch¬<lb/> tigten zugefallen wäre —, in Wahrheit wohl deshalb, weil der Justiz¬<lb/> minister sich nicht dazu entschließen konnte, mit der bestehenden Justiz¬<lb/> organisation, von der doch wahrlich nichts aufzuheben ist, entschieden zu<lb/> brechen. Aber wie dem auch sei, bei der Einführung der neuen Proceßord¬<lb/> nung müssen gegen solche Borkommnisse Garantien gegeben werden, ernst¬<lb/> liche Garantien, wie sie nur durch bestimmte, von Bundes¬<lb/> wegen festgestellte Grundzüge der Gerich es organisation und<lb/> durch eine ernstlicheControle ihrerDurchführung gegebenwer¬<lb/> den können.</p><lb/> <p xml:id="ID_975" next="#ID_976"> Allerdings mag man sich über alles dies in manchen Kreisen nicht ganz<lb/> klar gewesen sein. Man mag sich vorgespiegelt haben, daß die Gerichtsverfassung<lb/> auch gegenüber der neuen Proceßordnung als ein lou ins ta-vgors für die<lb/> Bundesgesetzgebung, nach wie vor der ausschließlichen Verfügung der Parti-<lb/> culargesetzgebungen der einzelnen Bundesterritorien vorbehalten bleiben könne.<lb/> Allein eine solche rein doctrinäre Scheidung, welche lediglich für eine wissen¬<lb/> schaftliche Bearbeitung des Civilproceßrechts Bedeutung und Berechtigung<lb/> hat, kann doch da keinen Sinn haben, wo eine Nation nach einer einheit¬<lb/> lichen Gestaltung ihres Rechtslebens ringt. Sie wird nicht Stand halten<lb/> können gegenüber der Macht des practischen Bedürfnisses und die Logik der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
fache Erwägung, daß derjenige besser weiß, wie ein gesundes Rechts¬
verhältniß beschaffen sein muß, der ein solches tagtäglich sieht und erlebt, als
derjenige, der immer nur mit kranken Rechtsverhältnissen zu thun hat. Jeden¬
falls aber ist die Rechtspflege mit oder ohne kaufmännische Beisitzer eine
wesentlich verschiedene. Es hieße einfach auf eine einheitliche Rechts¬
pflege verzichten, wenn man die Einführung oder Nichtemführung der Han¬
delsgerichte dem Belieben der einzelnen Territorialgewalten überlassen wollte.
Man denke weiter an die Bedeutung einheitlicher Competenzbestimmungen,
für die Einheit und Gleichartigkeit der Rechtspflege. Oder sollte es z. B.
gestattet sein, das öffentliche und mündliche Verfahren vor einem collegialisch
besetzten Gerichte, wie es die neue Proceßordnung für die ordentlichen Gerichte
vorschreiben, jedenfalls voraussetzen wird, für die bei weitem größte Zahl der
Rechtssachen wieder einfach dadurch weg zu escamotiren, daß man die Com-
petenz der ordentlichen Gerichte erst mit einer unverhältnismäßig hohen
Proceßsumme beginnen läßt, alle geringeren Sachen aber den Bagatellrichtern
zuweist? In einer Proceßgesetzordriung, welche die hessische Regierung kurz
vor der Krisis des Jahres 1866 auf Grundlage des hannoverschen Entwurfs
hatte drucken lassen, war dies wirklich geschehen — wie Einzelne unterstellten,
nur deshalb, weil den meist oppositionell gesinnten und das stehende Cadre
aller politischen und kirchlichen Agitationen bildenden Advocaten ein großer
Theil alsdann ihrer Praxis entzogen und den sogenannten Proceßbevollmäch¬
tigten zugefallen wäre —, in Wahrheit wohl deshalb, weil der Justiz¬
minister sich nicht dazu entschließen konnte, mit der bestehenden Justiz¬
organisation, von der doch wahrlich nichts aufzuheben ist, entschieden zu
brechen. Aber wie dem auch sei, bei der Einführung der neuen Proceßord¬
nung müssen gegen solche Borkommnisse Garantien gegeben werden, ernst¬
liche Garantien, wie sie nur durch bestimmte, von Bundes¬
wegen festgestellte Grundzüge der Gerich es organisation und
durch eine ernstlicheControle ihrerDurchführung gegebenwer¬
den können.
Allerdings mag man sich über alles dies in manchen Kreisen nicht ganz
klar gewesen sein. Man mag sich vorgespiegelt haben, daß die Gerichtsverfassung
auch gegenüber der neuen Proceßordnung als ein lou ins ta-vgors für die
Bundesgesetzgebung, nach wie vor der ausschließlichen Verfügung der Parti-
culargesetzgebungen der einzelnen Bundesterritorien vorbehalten bleiben könne.
Allein eine solche rein doctrinäre Scheidung, welche lediglich für eine wissen¬
schaftliche Bearbeitung des Civilproceßrechts Bedeutung und Berechtigung
hat, kann doch da keinen Sinn haben, wo eine Nation nach einer einheit¬
lichen Gestaltung ihres Rechtslebens ringt. Sie wird nicht Stand halten
können gegenüber der Macht des practischen Bedürfnisses und die Logik der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |