Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

daranstoßenden Hufen lastenfrei zu besitzen. Die Häuser waren durchgängig in
den letzten 1S0 Jahren aus Privatmitteln unter Hinzufügung von 250,000 L.
aus Staatsmitteln errichtet, die Höfe waren Bewilligungen Jakobs I. an
die in der Provinz Ulster ansässigen Protestanten. Sie den Gemeinden, zu denen
sie gehören, zu nehmen, erschien der Mehrheit als eine Spoliation, nur
69 Peers unterstützten die Regierung in ihrem Widerstand gegen den An¬
trag. Nachdem derselbe durchgegangen, kam das Amendement des Herzogs
von Cleveland an die Reihe, welches vorschlug, die überschüssigen Fonds der
irischen Kirche zur Errichtung von Häusern und zum Ankauf von Gartenland
für die katholischen Priester und presbyterianischer Geistlichen zu verwenden.
Dem opponirten die Regierung und die Hochtories, erstere auf Grund
Polnischer Verpflichtungen, letztere aus religiöser Bigotterie. Der Antrag
wurde unterstützt durch Alles, was im Oberhause Gewicht hatte durch staats¬
männische Erfahrung, Unabhängigkeit und Beredtsamkeit; leider überwogen
die combinirten Extreme, die Bigotterie und der Einfluß des Ministeriums,
so daß der Antrag mit geringer Mehrheit verworfen wurde. Das war sehr
unglücklich, weil das zweite Amendement die natürliche Compensation des
ersten bildete und mit dem ersten allein die Bill keine Chance hatte, vom
Unterhause angenommen zu werden. Bei der einseitigen Erhaltung der Häu¬
ser und Höfe der protestantischen Geistlichkeit würde man das Princip der
Gleichheit verletzen, welches die Grundlage des Gesetzes ist. Entweder
mußte also auch diese Concession aufgegeben oder dieselbe auf Katholiken
und Presbyterianer ausgedehnt werden. Indeß gelang es. die Sache noch
zu redressiren; man beschloß in einer Privatzusammenkunft der leitenden con-
servativen Peers das Cleveland'sche Amendement bei der Einbringung des
Reports, der der dritten Lesung vorhergehenden Formalität, wieder aufzunehmen,
und sicherte sich hierfür eine Majorität. Manche der Hochtories waren selbst
dafür und wollten nur nicht offen dafür stimmen. Die katholischen Peers
hatten nur dagegen votirt, weil die Mitglieder des Cabinets gedroht, die An¬
nahme werde die ganze Bill gefährden- Alle diese versprachen nun, bei Wieder¬
aufnahme des Antrags dafür zu stimmen, und nachdem Lord Stanhope den¬
selben aufs neue eingebracht, wurde nach heftigem Kampfe eine Majorität
von 7 erzielt.

Durch diese beiden wichtigen Amendements war die Bill unendlich ver¬
bessert, ihr Zweck blieb gesichert, ihren Unbilligkeiten war die Spitze abge¬
brochen. Gladstone hatte sein Unternehmen als einen Act der Gerechtigkeit
und eine Friedensbotschaft für Irland bezeichnet, aber er halte dabei keinen
Bedacht genommen auf die praktischen Bedürfnisse des Klerus, welcher den
größten Einfluß auf die Massen hat. Das Stanhope'sche Amendement hätte
einem großen practischen Uebelstand abgeholfen, nämlich der Schwierigkeit,


daranstoßenden Hufen lastenfrei zu besitzen. Die Häuser waren durchgängig in
den letzten 1S0 Jahren aus Privatmitteln unter Hinzufügung von 250,000 L.
aus Staatsmitteln errichtet, die Höfe waren Bewilligungen Jakobs I. an
die in der Provinz Ulster ansässigen Protestanten. Sie den Gemeinden, zu denen
sie gehören, zu nehmen, erschien der Mehrheit als eine Spoliation, nur
69 Peers unterstützten die Regierung in ihrem Widerstand gegen den An¬
trag. Nachdem derselbe durchgegangen, kam das Amendement des Herzogs
von Cleveland an die Reihe, welches vorschlug, die überschüssigen Fonds der
irischen Kirche zur Errichtung von Häusern und zum Ankauf von Gartenland
für die katholischen Priester und presbyterianischer Geistlichen zu verwenden.
Dem opponirten die Regierung und die Hochtories, erstere auf Grund
Polnischer Verpflichtungen, letztere aus religiöser Bigotterie. Der Antrag
wurde unterstützt durch Alles, was im Oberhause Gewicht hatte durch staats¬
männische Erfahrung, Unabhängigkeit und Beredtsamkeit; leider überwogen
die combinirten Extreme, die Bigotterie und der Einfluß des Ministeriums,
so daß der Antrag mit geringer Mehrheit verworfen wurde. Das war sehr
unglücklich, weil das zweite Amendement die natürliche Compensation des
ersten bildete und mit dem ersten allein die Bill keine Chance hatte, vom
Unterhause angenommen zu werden. Bei der einseitigen Erhaltung der Häu¬
ser und Höfe der protestantischen Geistlichkeit würde man das Princip der
Gleichheit verletzen, welches die Grundlage des Gesetzes ist. Entweder
mußte also auch diese Concession aufgegeben oder dieselbe auf Katholiken
und Presbyterianer ausgedehnt werden. Indeß gelang es. die Sache noch
zu redressiren; man beschloß in einer Privatzusammenkunft der leitenden con-
servativen Peers das Cleveland'sche Amendement bei der Einbringung des
Reports, der der dritten Lesung vorhergehenden Formalität, wieder aufzunehmen,
und sicherte sich hierfür eine Majorität. Manche der Hochtories waren selbst
dafür und wollten nur nicht offen dafür stimmen. Die katholischen Peers
hatten nur dagegen votirt, weil die Mitglieder des Cabinets gedroht, die An¬
nahme werde die ganze Bill gefährden- Alle diese versprachen nun, bei Wieder¬
aufnahme des Antrags dafür zu stimmen, und nachdem Lord Stanhope den¬
selben aufs neue eingebracht, wurde nach heftigem Kampfe eine Majorität
von 7 erzielt.

Durch diese beiden wichtigen Amendements war die Bill unendlich ver¬
bessert, ihr Zweck blieb gesichert, ihren Unbilligkeiten war die Spitze abge¬
brochen. Gladstone hatte sein Unternehmen als einen Act der Gerechtigkeit
und eine Friedensbotschaft für Irland bezeichnet, aber er halte dabei keinen
Bedacht genommen auf die praktischen Bedürfnisse des Klerus, welcher den
größten Einfluß auf die Massen hat. Das Stanhope'sche Amendement hätte
einem großen practischen Uebelstand abgeholfen, nämlich der Schwierigkeit,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0301" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121522"/>
          <p xml:id="ID_960" prev="#ID_959"> daranstoßenden Hufen lastenfrei zu besitzen. Die Häuser waren durchgängig in<lb/>
den letzten 1S0 Jahren aus Privatmitteln unter Hinzufügung von 250,000 L.<lb/>
aus Staatsmitteln errichtet, die Höfe waren Bewilligungen Jakobs I. an<lb/>
die in der Provinz Ulster ansässigen Protestanten. Sie den Gemeinden, zu denen<lb/>
sie gehören, zu nehmen, erschien der Mehrheit als eine Spoliation, nur<lb/>
69 Peers unterstützten die Regierung in ihrem Widerstand gegen den An¬<lb/>
trag. Nachdem derselbe durchgegangen, kam das Amendement des Herzogs<lb/>
von Cleveland an die Reihe, welches vorschlug, die überschüssigen Fonds der<lb/>
irischen Kirche zur Errichtung von Häusern und zum Ankauf von Gartenland<lb/>
für die katholischen Priester und presbyterianischer Geistlichen zu verwenden.<lb/>
Dem opponirten die Regierung und die Hochtories, erstere auf Grund<lb/>
Polnischer Verpflichtungen, letztere aus religiöser Bigotterie. Der Antrag<lb/>
wurde unterstützt durch Alles, was im Oberhause Gewicht hatte durch staats¬<lb/>
männische Erfahrung, Unabhängigkeit und Beredtsamkeit; leider überwogen<lb/>
die combinirten Extreme, die Bigotterie und der Einfluß des Ministeriums,<lb/>
so daß der Antrag mit geringer Mehrheit verworfen wurde. Das war sehr<lb/>
unglücklich, weil das zweite Amendement die natürliche Compensation des<lb/>
ersten bildete und mit dem ersten allein die Bill keine Chance hatte, vom<lb/>
Unterhause angenommen zu werden. Bei der einseitigen Erhaltung der Häu¬<lb/>
ser und Höfe der protestantischen Geistlichkeit würde man das Princip der<lb/>
Gleichheit verletzen, welches die Grundlage des Gesetzes ist. Entweder<lb/>
mußte also auch diese Concession aufgegeben oder dieselbe auf Katholiken<lb/>
und Presbyterianer ausgedehnt werden. Indeß gelang es. die Sache noch<lb/>
zu redressiren; man beschloß in einer Privatzusammenkunft der leitenden con-<lb/>
servativen Peers das Cleveland'sche Amendement bei der Einbringung des<lb/>
Reports, der der dritten Lesung vorhergehenden Formalität, wieder aufzunehmen,<lb/>
und sicherte sich hierfür eine Majorität. Manche der Hochtories waren selbst<lb/>
dafür und wollten nur nicht offen dafür stimmen. Die katholischen Peers<lb/>
hatten nur dagegen votirt, weil die Mitglieder des Cabinets gedroht, die An¬<lb/>
nahme werde die ganze Bill gefährden- Alle diese versprachen nun, bei Wieder¬<lb/>
aufnahme des Antrags dafür zu stimmen, und nachdem Lord Stanhope den¬<lb/>
selben aufs neue eingebracht, wurde nach heftigem Kampfe eine Majorität<lb/>
von 7 erzielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_961" next="#ID_962"> Durch diese beiden wichtigen Amendements war die Bill unendlich ver¬<lb/>
bessert, ihr Zweck blieb gesichert, ihren Unbilligkeiten war die Spitze abge¬<lb/>
brochen. Gladstone hatte sein Unternehmen als einen Act der Gerechtigkeit<lb/>
und eine Friedensbotschaft für Irland bezeichnet, aber er halte dabei keinen<lb/>
Bedacht genommen auf die praktischen Bedürfnisse des Klerus, welcher den<lb/>
größten Einfluß auf die Massen hat. Das Stanhope'sche Amendement hätte<lb/>
einem großen practischen Uebelstand abgeholfen, nämlich der Schwierigkeit,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0301] daranstoßenden Hufen lastenfrei zu besitzen. Die Häuser waren durchgängig in den letzten 1S0 Jahren aus Privatmitteln unter Hinzufügung von 250,000 L. aus Staatsmitteln errichtet, die Höfe waren Bewilligungen Jakobs I. an die in der Provinz Ulster ansässigen Protestanten. Sie den Gemeinden, zu denen sie gehören, zu nehmen, erschien der Mehrheit als eine Spoliation, nur 69 Peers unterstützten die Regierung in ihrem Widerstand gegen den An¬ trag. Nachdem derselbe durchgegangen, kam das Amendement des Herzogs von Cleveland an die Reihe, welches vorschlug, die überschüssigen Fonds der irischen Kirche zur Errichtung von Häusern und zum Ankauf von Gartenland für die katholischen Priester und presbyterianischer Geistlichen zu verwenden. Dem opponirten die Regierung und die Hochtories, erstere auf Grund Polnischer Verpflichtungen, letztere aus religiöser Bigotterie. Der Antrag wurde unterstützt durch Alles, was im Oberhause Gewicht hatte durch staats¬ männische Erfahrung, Unabhängigkeit und Beredtsamkeit; leider überwogen die combinirten Extreme, die Bigotterie und der Einfluß des Ministeriums, so daß der Antrag mit geringer Mehrheit verworfen wurde. Das war sehr unglücklich, weil das zweite Amendement die natürliche Compensation des ersten bildete und mit dem ersten allein die Bill keine Chance hatte, vom Unterhause angenommen zu werden. Bei der einseitigen Erhaltung der Häu¬ ser und Höfe der protestantischen Geistlichkeit würde man das Princip der Gleichheit verletzen, welches die Grundlage des Gesetzes ist. Entweder mußte also auch diese Concession aufgegeben oder dieselbe auf Katholiken und Presbyterianer ausgedehnt werden. Indeß gelang es. die Sache noch zu redressiren; man beschloß in einer Privatzusammenkunft der leitenden con- servativen Peers das Cleveland'sche Amendement bei der Einbringung des Reports, der der dritten Lesung vorhergehenden Formalität, wieder aufzunehmen, und sicherte sich hierfür eine Majorität. Manche der Hochtories waren selbst dafür und wollten nur nicht offen dafür stimmen. Die katholischen Peers hatten nur dagegen votirt, weil die Mitglieder des Cabinets gedroht, die An¬ nahme werde die ganze Bill gefährden- Alle diese versprachen nun, bei Wieder¬ aufnahme des Antrags dafür zu stimmen, und nachdem Lord Stanhope den¬ selben aufs neue eingebracht, wurde nach heftigem Kampfe eine Majorität von 7 erzielt. Durch diese beiden wichtigen Amendements war die Bill unendlich ver¬ bessert, ihr Zweck blieb gesichert, ihren Unbilligkeiten war die Spitze abge¬ brochen. Gladstone hatte sein Unternehmen als einen Act der Gerechtigkeit und eine Friedensbotschaft für Irland bezeichnet, aber er halte dabei keinen Bedacht genommen auf die praktischen Bedürfnisse des Klerus, welcher den größten Einfluß auf die Massen hat. Das Stanhope'sche Amendement hätte einem großen practischen Uebelstand abgeholfen, nämlich der Schwierigkeit,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/301
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/301>, abgerufen am 23.07.2024.