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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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falls zur Annexion der Lombardei an Piemont scheel sah. Dies war noch
unter dem Ministerium Nidolfi. Im December kam dann in Toscana die
Demokratie ans Ruder und in Turin war man keinen Augenblick im Zwei¬
fel, daß damit die Lage noch verschlimmert war, denn die ganze Demokratie
war einstimmig darin, daß nächst der Herrschaft Oestreichs eine Vergrößerung
Piemonts das allergrößte Unglück für Italien wäre. Auch Mamin war da¬
mals noch für die Föderation. Als L. Napoleon zur Präsidentschaft ge¬
langte, trat er ganz in die Fußtapfen der bisherigen Politik der Republik,
nur daß er keine heuchlerischen Versprechungen machte und überhaupt zurück¬
haltender war. Aber er erklärte es für seinen persönlichen Wunsch, eine Con-
föderation der italienischen Staaten unter dem Patronat Frankreichs und
Englands hergestellt zu sehen. So fehlte es dem Project nicht an Freunden
innerhalb und außerhalb Italiens. Unter den Nächstbetheiligten aber kam
es so wenig zu einer Einigung wie früher.




Der Ausgang der irischen Äirchenbill.

I-g, lie^us vsult -- erklärte die königliche Commission im Oberhause
nach Verlesung der durch alle Stadien passirten Kirchenbill, welche die ganze
Session so vorwiegend in Anspruch genommen, daß neben ihr Alles zurück¬
trat. Ende gut, Alles gut, sagten die müden Mitglieder beider Häuser, deren
Geduld durch endlose Sitzungen und die Mühen der season erschöpft war
und die sich nur nach Vertagung sehnten. Ueber dem in elfter Stunde glück¬
lich erzielten Compromiß vergaß man allen Hader, widerrief man alle harten
Worte und pries man die glückliche Verfassung, welche aufs neue die Probe
bestanden. Die Gefahr eines Conflicts ist allerdings vermieden worden, aber
es verlohnt sich doch, etwas näher zu betrachten, um welchen Preis.

Es ist früher in diesen Blättern die große Debatte des Oberhauses über
das Princip der Bill beleuchtet und die Wichtigkeit der Annahme der zwei¬
ten Lesung hervorgehoben, weil dieselbe allein die Möglichkeit einer Amen-
dirung durch die Lords gab. An diese machte sich denn das Oberhaus
auch sofort und zwar unter allgemeinem Beifall der öffentlichen Meinung,
welche, so entschieden sie sür die Aufhebung der Staatskirche war, doch kei¬
neswegs mit den Einzelheiten der Gladstone'schen Bill einverstanden war. Die
Lords beschlossen nun zunächst mit der enormen Mehrheit von 144 Stim¬
men, daß die irische bischöfliche Geistlichkeit fortfahren solle, ihre Häuser und


falls zur Annexion der Lombardei an Piemont scheel sah. Dies war noch
unter dem Ministerium Nidolfi. Im December kam dann in Toscana die
Demokratie ans Ruder und in Turin war man keinen Augenblick im Zwei¬
fel, daß damit die Lage noch verschlimmert war, denn die ganze Demokratie
war einstimmig darin, daß nächst der Herrschaft Oestreichs eine Vergrößerung
Piemonts das allergrößte Unglück für Italien wäre. Auch Mamin war da¬
mals noch für die Föderation. Als L. Napoleon zur Präsidentschaft ge¬
langte, trat er ganz in die Fußtapfen der bisherigen Politik der Republik,
nur daß er keine heuchlerischen Versprechungen machte und überhaupt zurück¬
haltender war. Aber er erklärte es für seinen persönlichen Wunsch, eine Con-
föderation der italienischen Staaten unter dem Patronat Frankreichs und
Englands hergestellt zu sehen. So fehlte es dem Project nicht an Freunden
innerhalb und außerhalb Italiens. Unter den Nächstbetheiligten aber kam
es so wenig zu einer Einigung wie früher.




Der Ausgang der irischen Äirchenbill.

I-g, lie^us vsult — erklärte die königliche Commission im Oberhause
nach Verlesung der durch alle Stadien passirten Kirchenbill, welche die ganze
Session so vorwiegend in Anspruch genommen, daß neben ihr Alles zurück¬
trat. Ende gut, Alles gut, sagten die müden Mitglieder beider Häuser, deren
Geduld durch endlose Sitzungen und die Mühen der season erschöpft war
und die sich nur nach Vertagung sehnten. Ueber dem in elfter Stunde glück¬
lich erzielten Compromiß vergaß man allen Hader, widerrief man alle harten
Worte und pries man die glückliche Verfassung, welche aufs neue die Probe
bestanden. Die Gefahr eines Conflicts ist allerdings vermieden worden, aber
es verlohnt sich doch, etwas näher zu betrachten, um welchen Preis.

Es ist früher in diesen Blättern die große Debatte des Oberhauses über
das Princip der Bill beleuchtet und die Wichtigkeit der Annahme der zwei¬
ten Lesung hervorgehoben, weil dieselbe allein die Möglichkeit einer Amen-
dirung durch die Lords gab. An diese machte sich denn das Oberhaus
auch sofort und zwar unter allgemeinem Beifall der öffentlichen Meinung,
welche, so entschieden sie sür die Aufhebung der Staatskirche war, doch kei¬
neswegs mit den Einzelheiten der Gladstone'schen Bill einverstanden war. Die
Lords beschlossen nun zunächst mit der enormen Mehrheit von 144 Stim¬
men, daß die irische bischöfliche Geistlichkeit fortfahren solle, ihre Häuser und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/300>, abgerufen am 23.07.2024.