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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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cantonen mit Waffen und Geld beisprang, grub sich im Herzen Karl Alberts
der Wunsch, für die Unabhängigkeit Italiens wirken zu können, tiefer und
tiefer. Und gerade die religiöse Richtung, der er sich im Uebermaße ergeben
hatte, wirkte jetzt zu dem gleichem Ziele, denn eine Art mystischer Verehrung
empfand er für die Person des Papstes, und als Oestreich in Besorgniß vor
dem päpstlichen Liberalismus immer drohender gegen Pius IX. auftrat und
sich im August 1847 sogar zur eigenmächtigen Besetzung Ferraras entschloß,
flammte der Zorn Karl Alberts hoch auf. Er bot dem bedrängten Papst die
Hilfe seiner Waffen, und wenn die Oestreicher Rom besetzen würden, das
Gastrecht in seinen Staaten an. Und der Diplomatie erklärte der König,
daß er jeden Act der Gewalt gegen den Souverän des Kirchenstaats wie
eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit seines eigenen Königreichs betrach¬
ten und die geeigneten Mittel der Abwehr ergreifen werde. Dies war im
August 1847; am 2. November schrieb der König in einem vertrauten Brief
an den Grasen Castagneto: "Wenn mir je Gott die Gnade schenkt, einen
Unabhängigkeitskrieg unternehmen zu können, so bin ich entschlossen, selbst
das Heer zu befehligen, und dann will ich für die guelfische Sache thun was
Schamyl gegen das ungeheure Nussenreich thut. Es scheint, daß man in
Rom die geistlichen Waffen bereit hält, hoffen wir es! O der schöne Tag,
an dem wir den. Kriegsruf für die nationale Unabhängigkeit werden erheben
können!" Heimliche Libelle, welche gegen Karl Albert verbreitet wurden, und
welche dieser Grund hatte auf östreichische Fabrication zurückzuführen, auch
wenn sie die radicale Maske trugen, dienten dazu, ihn noch mehr gegen den
Wiener Hof aufzustacheln. Solaro oella Margherita begann zu fühlen, daß
er unbequem wurde, der König wünschte den Rücktritt eines Ministers, der
ein unübersteigliches Hinderniß für seine innersten Neigungen war. Aber
der Minister, der treu und ehrlich an den Principien festhielt, deren Auf¬
geben ihm gleichbedeutend mit dem allgemeinen Ruin war. hielt es gerade
jetzt für unabweisbare Pflicht, feinen Posten nicht zu verlassen. Als ihm der
König zu verstehen gab, daß sein, des Ministers, Credit auch bei Männern
der erprobtesten Hingebung an Kirche und Staat nachzulassen beginne, gab
er zur Antwort: dies könne ihn garnicht Wunder nehmen, die Zeiten seien
wahrhaft ungeheuerlich; dennoch sei es noch möglich vor dem aufsteigenden
Sturm sich zu retten, wenn man ihm muthvoll die Stirn biete und sich nicht
von einer Partei einschüchtern lasse, die um so kühner werde, je mehr man
sie fürchte. Und als die Bewegung von Mittelitalien aus immer lebhafter
auch nach Piemont Herübergriff, schrieb er noch einmal, am 9. October, an
den König: "Man versucht es mit allen Mitteln, die Revolution in diesem
Lande heraufzubeschwören, das glücklich ist und nichts von ihr wissen will.
Leider gibt es ganz ergebene Unterthanen, die theils aus Beschränktheit und


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cantonen mit Waffen und Geld beisprang, grub sich im Herzen Karl Alberts
der Wunsch, für die Unabhängigkeit Italiens wirken zu können, tiefer und
tiefer. Und gerade die religiöse Richtung, der er sich im Uebermaße ergeben
hatte, wirkte jetzt zu dem gleichem Ziele, denn eine Art mystischer Verehrung
empfand er für die Person des Papstes, und als Oestreich in Besorgniß vor
dem päpstlichen Liberalismus immer drohender gegen Pius IX. auftrat und
sich im August 1847 sogar zur eigenmächtigen Besetzung Ferraras entschloß,
flammte der Zorn Karl Alberts hoch auf. Er bot dem bedrängten Papst die
Hilfe seiner Waffen, und wenn die Oestreicher Rom besetzen würden, das
Gastrecht in seinen Staaten an. Und der Diplomatie erklärte der König,
daß er jeden Act der Gewalt gegen den Souverän des Kirchenstaats wie
eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit seines eigenen Königreichs betrach¬
ten und die geeigneten Mittel der Abwehr ergreifen werde. Dies war im
August 1847; am 2. November schrieb der König in einem vertrauten Brief
an den Grasen Castagneto: „Wenn mir je Gott die Gnade schenkt, einen
Unabhängigkeitskrieg unternehmen zu können, so bin ich entschlossen, selbst
das Heer zu befehligen, und dann will ich für die guelfische Sache thun was
Schamyl gegen das ungeheure Nussenreich thut. Es scheint, daß man in
Rom die geistlichen Waffen bereit hält, hoffen wir es! O der schöne Tag,
an dem wir den. Kriegsruf für die nationale Unabhängigkeit werden erheben
können!" Heimliche Libelle, welche gegen Karl Albert verbreitet wurden, und
welche dieser Grund hatte auf östreichische Fabrication zurückzuführen, auch
wenn sie die radicale Maske trugen, dienten dazu, ihn noch mehr gegen den
Wiener Hof aufzustacheln. Solaro oella Margherita begann zu fühlen, daß
er unbequem wurde, der König wünschte den Rücktritt eines Ministers, der
ein unübersteigliches Hinderniß für seine innersten Neigungen war. Aber
der Minister, der treu und ehrlich an den Principien festhielt, deren Auf¬
geben ihm gleichbedeutend mit dem allgemeinen Ruin war. hielt es gerade
jetzt für unabweisbare Pflicht, feinen Posten nicht zu verlassen. Als ihm der
König zu verstehen gab, daß sein, des Ministers, Credit auch bei Männern
der erprobtesten Hingebung an Kirche und Staat nachzulassen beginne, gab
er zur Antwort: dies könne ihn garnicht Wunder nehmen, die Zeiten seien
wahrhaft ungeheuerlich; dennoch sei es noch möglich vor dem aufsteigenden
Sturm sich zu retten, wenn man ihm muthvoll die Stirn biete und sich nicht
von einer Partei einschüchtern lasse, die um so kühner werde, je mehr man
sie fürchte. Und als die Bewegung von Mittelitalien aus immer lebhafter
auch nach Piemont Herübergriff, schrieb er noch einmal, am 9. October, an
den König: „Man versucht es mit allen Mitteln, die Revolution in diesem
Lande heraufzubeschwören, das glücklich ist und nichts von ihr wissen will.
Leider gibt es ganz ergebene Unterthanen, die theils aus Beschränktheit und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/291>, abgerufen am 22.07.2024.