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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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beugte sich damals zwar nicht, sie war aber so erschüttert von den Ereig¬
nissen, daß sie den Muth zu einem Widerstandsversuche nicht in sich fand,
sondern es vorzog, eine Zeit lang vollständig vom politischen Schauplatz ab¬
zutreten.

Welcher feindselige Geist gegen den norddeutschen Bund und dessen Ge¬
setzgebung auch in derjenigen Fraction der Feudalen wohnt, welche es sich
zur Aufgabe gemacht hat, sich mit diplomatischer Kunst in die Zeit zu schicken,
das tritt jedesmal hervor, wenn irgend ein neues Bundesgesetz von einer
neuen Seite her das Herz des Feudalismus trifft. Den letzten Ausbruch un¬
verhaltenen Grimmes zeigten die "Mecklenburgischen Anzeigen", das Organ
der herrschenden Partei, wenige Tage nach dem Amtsantritt des Grafen
von Bassewitz, als das von diesem so lebhaft bekämpfte Gesetz wegen der
Gleichberechtigung der Confessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher
Beziehung im Bundes-Gesetzblatt verkündigt worden war. In derselben
Nummer, in welcher das genannte Blatt von der Verkündigung dieses Ge¬
setzes Notiz zu nehmen nicht umhin konnte, brachte es einen dem wildesten
Hasse Ausdruck gebenden Artikel, welcher zwar der Form nach sich an die
Adresse der National-Liberalen richtete, aber in der That gegen die große
Mehrzahl der Mitglieder des Bundesraths und des Reichstages seine Spitze
kehrte, welche diesem von Moritz Wiggers beantragten Gesetz ihre Zustim¬
mung ertheilt hatten. Die national-liberale Partei wurde hier, im Hinblick auf
gewisse Reichstagsbeschlüsse, mit deren näherer Beziehung das Blatt zurück¬
hielt, als eine "rechtsverachtende", auf "Verletzung des Rechts der Einzel¬
staaten ausgehende", "nur das Recht der Umwälzung, der Revolution ken¬
nende", "den Boden der Verfassung mit Füßen tretende" dargestellt. Aus
solchen Ausbrüchen der leidenschaftlichsten Erbitterung erkennt man deutlich,
Wie wenig auch derjenige Theil der feudalen Partei, welcher sich äußerlich
der neuen Ordnung der Dinge gefügt hat, derselben innerlich angehört.

Das Bestreben der Großherzoglichen Regierung wird daher auch unter
der Führung des Grafen v. Bassewitz ganz dasselbe Ziel verfolgen wie
bisher: unveränderte Aufrechthaltung der ständischen Verfassung. Widerstand
gegen die dem Feudalismus und dem absolutistischen Regiment feindlichen
Einflüsse des Bundes. Schwächung der Bundesgewalt zu Gunsten der Einzel¬
staaten.

Die Fortdauer des Kampfes zwischen der Negierung und der des Junker-
Regiments überdrüssigen Bevölkerung des Landes, steht daher in sicherer
Aussicht. Aber die Stellung der Regierung in diesem Kampfe ist jetzt bei
Weitem ungünstiger und schwieriger geworden, als sie noch vor wenigen
Jahren war.

Je mehr die Entwickelung der deutschen Einzelstaaten und des Bundes,


beugte sich damals zwar nicht, sie war aber so erschüttert von den Ereig¬
nissen, daß sie den Muth zu einem Widerstandsversuche nicht in sich fand,
sondern es vorzog, eine Zeit lang vollständig vom politischen Schauplatz ab¬
zutreten.

Welcher feindselige Geist gegen den norddeutschen Bund und dessen Ge¬
setzgebung auch in derjenigen Fraction der Feudalen wohnt, welche es sich
zur Aufgabe gemacht hat, sich mit diplomatischer Kunst in die Zeit zu schicken,
das tritt jedesmal hervor, wenn irgend ein neues Bundesgesetz von einer
neuen Seite her das Herz des Feudalismus trifft. Den letzten Ausbruch un¬
verhaltenen Grimmes zeigten die „Mecklenburgischen Anzeigen", das Organ
der herrschenden Partei, wenige Tage nach dem Amtsantritt des Grafen
von Bassewitz, als das von diesem so lebhaft bekämpfte Gesetz wegen der
Gleichberechtigung der Confessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher
Beziehung im Bundes-Gesetzblatt verkündigt worden war. In derselben
Nummer, in welcher das genannte Blatt von der Verkündigung dieses Ge¬
setzes Notiz zu nehmen nicht umhin konnte, brachte es einen dem wildesten
Hasse Ausdruck gebenden Artikel, welcher zwar der Form nach sich an die
Adresse der National-Liberalen richtete, aber in der That gegen die große
Mehrzahl der Mitglieder des Bundesraths und des Reichstages seine Spitze
kehrte, welche diesem von Moritz Wiggers beantragten Gesetz ihre Zustim¬
mung ertheilt hatten. Die national-liberale Partei wurde hier, im Hinblick auf
gewisse Reichstagsbeschlüsse, mit deren näherer Beziehung das Blatt zurück¬
hielt, als eine „rechtsverachtende", auf „Verletzung des Rechts der Einzel¬
staaten ausgehende", „nur das Recht der Umwälzung, der Revolution ken¬
nende", „den Boden der Verfassung mit Füßen tretende" dargestellt. Aus
solchen Ausbrüchen der leidenschaftlichsten Erbitterung erkennt man deutlich,
Wie wenig auch derjenige Theil der feudalen Partei, welcher sich äußerlich
der neuen Ordnung der Dinge gefügt hat, derselben innerlich angehört.

Das Bestreben der Großherzoglichen Regierung wird daher auch unter
der Führung des Grafen v. Bassewitz ganz dasselbe Ziel verfolgen wie
bisher: unveränderte Aufrechthaltung der ständischen Verfassung. Widerstand
gegen die dem Feudalismus und dem absolutistischen Regiment feindlichen
Einflüsse des Bundes. Schwächung der Bundesgewalt zu Gunsten der Einzel¬
staaten.

Die Fortdauer des Kampfes zwischen der Negierung und der des Junker-
Regiments überdrüssigen Bevölkerung des Landes, steht daher in sicherer
Aussicht. Aber die Stellung der Regierung in diesem Kampfe ist jetzt bei
Weitem ungünstiger und schwieriger geworden, als sie noch vor wenigen
Jahren war.

Je mehr die Entwickelung der deutschen Einzelstaaten und des Bundes,


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[0271] beugte sich damals zwar nicht, sie war aber so erschüttert von den Ereig¬ nissen, daß sie den Muth zu einem Widerstandsversuche nicht in sich fand, sondern es vorzog, eine Zeit lang vollständig vom politischen Schauplatz ab¬ zutreten. Welcher feindselige Geist gegen den norddeutschen Bund und dessen Ge¬ setzgebung auch in derjenigen Fraction der Feudalen wohnt, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich mit diplomatischer Kunst in die Zeit zu schicken, das tritt jedesmal hervor, wenn irgend ein neues Bundesgesetz von einer neuen Seite her das Herz des Feudalismus trifft. Den letzten Ausbruch un¬ verhaltenen Grimmes zeigten die „Mecklenburgischen Anzeigen", das Organ der herrschenden Partei, wenige Tage nach dem Amtsantritt des Grafen von Bassewitz, als das von diesem so lebhaft bekämpfte Gesetz wegen der Gleichberechtigung der Confessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung im Bundes-Gesetzblatt verkündigt worden war. In derselben Nummer, in welcher das genannte Blatt von der Verkündigung dieses Ge¬ setzes Notiz zu nehmen nicht umhin konnte, brachte es einen dem wildesten Hasse Ausdruck gebenden Artikel, welcher zwar der Form nach sich an die Adresse der National-Liberalen richtete, aber in der That gegen die große Mehrzahl der Mitglieder des Bundesraths und des Reichstages seine Spitze kehrte, welche diesem von Moritz Wiggers beantragten Gesetz ihre Zustim¬ mung ertheilt hatten. Die national-liberale Partei wurde hier, im Hinblick auf gewisse Reichstagsbeschlüsse, mit deren näherer Beziehung das Blatt zurück¬ hielt, als eine „rechtsverachtende", auf „Verletzung des Rechts der Einzel¬ staaten ausgehende", „nur das Recht der Umwälzung, der Revolution ken¬ nende", „den Boden der Verfassung mit Füßen tretende" dargestellt. Aus solchen Ausbrüchen der leidenschaftlichsten Erbitterung erkennt man deutlich, Wie wenig auch derjenige Theil der feudalen Partei, welcher sich äußerlich der neuen Ordnung der Dinge gefügt hat, derselben innerlich angehört. Das Bestreben der Großherzoglichen Regierung wird daher auch unter der Führung des Grafen v. Bassewitz ganz dasselbe Ziel verfolgen wie bisher: unveränderte Aufrechthaltung der ständischen Verfassung. Widerstand gegen die dem Feudalismus und dem absolutistischen Regiment feindlichen Einflüsse des Bundes. Schwächung der Bundesgewalt zu Gunsten der Einzel¬ staaten. Die Fortdauer des Kampfes zwischen der Negierung und der des Junker- Regiments überdrüssigen Bevölkerung des Landes, steht daher in sicherer Aussicht. Aber die Stellung der Regierung in diesem Kampfe ist jetzt bei Weitem ungünstiger und schwieriger geworden, als sie noch vor wenigen Jahren war. Je mehr die Entwickelung der deutschen Einzelstaaten und des Bundes,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/271>, abgerufen am 25.08.2024.