Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dessen freut Herr v. Plüskow sich des von Preußen auferlegten Druckes,
da derselbe, je schärfer und fühlbarer er sei, desto mehr zur Erlösung von den
Fesseln mitwirken werde. "Unter dem Drucke werden die Völker erprobt",
heißt es weiter, "ob sie noch Stahl in ihrem Blute haben. Hart genug ist
der Druck. Unsere Fürsten sind verjagt oder unterjocht (!), unsere Freiheit
ist dahin bis auf das letzte Zucken. Sie sperren uns in ihre Kasernen, sie
Schirren uns in ihre Uniform, sie pressen uns in ihre Zoll- und Steuer¬
schraube. Sie nehmen vie Frucht unseres Fleißes, das Brod unserer Kinder,
das Blut unserer Söhne. Unsere Products sind nur noch Fourage, unser
Vieh Vorspann und Proviant, unsere Felder Exercierplatze, unsere Häuser
-- die unantastbare Burg des freien Mannes -- unsere Häuser Kasernen!
Hart genug ist der Druck. Dazu noch diese unschätzbare bekannte, verblendete
und übermüthige Rücksichtslosigkeit, da müssen selbst Lämmer Tigerzähne be¬
kommen. Lassen wir das Eisen in unserem Blute nicht verrosten." Mit
diesem pathetischen Schluß kündigte der Ritter Josias von Plüskow an,
daß sein Haß gegen das Preußenthum und den von Preußen gegründeten
norddeutschen Bund nur auf den rechten Zeitpunkt warte, um die Gestalt
einer gewaltsamen Auflehnung anzunehmen.

Man würde indessen sehr irren, wenn man die hier mit erwünschter Klar¬
heit sich aussprechende Richtung sür mehr als eine bloße Schattirung der
in der gesammten feudal-particularistischen Partei unseres Landes lebenden
Gedanken und Absichten halten wollte. Die feindselige Gesinnung gegen den
norddeutschen Bund und den, wenn auch noch der weiteren Entwickelung be¬
dürftigen, doch entschieden constitutionellen Charakter seiner Verfassung wur¬
zelt in dem Wesen dieser Partei. Sie kann ihrer Natur nach politische In¬
stitutionen nicht anders als hassen und bekämpfen, welche den Untergang
ihrer eigenen staatlichen Einrichtungen und ihrer auf dieselben sich gründenden
Herrschaft in sichere Aussicht stellen. Verschiedenheit der Ansichten ist nur in
Betreff des Weges vorhanden, wie der norddeutschen Bundesverfassung und
ihren Einwirkungen auf das Privilegienwesen und das Junkerthum zu be¬
gegnen sei. Die Einen lassen sich durch ihr Temperament treiben, dem nord¬
deutschen Bunde als erklärte Feinde gegenüber zu treten; die Anderen haben
sich mit kühler Berechnung seiner Macht und seiner Forderungen einstweilen
gebeugt, um dieselben von innen herzu untergraben und zu zerstören. Aber das
Ziel beider ist ein gemeinschaftliches: sie wollen den Particularismus und
den Privilegienstaat retten und zu diesem Zwecke den Bundesstaat auf die
Stufe des Staatenbundes zurückschrauben. Die eine Richtung hat schon im
Jahre 1848 die Kunst gelernt und geübt, vor dem daherfahrenden Sturme
sich zu bücken und mit Geduld den Zeitpunkt zu erwarten, wo derselbe aus¬
getobt, um dann das alte Haus in aller Stille wieder aufzubauen; die andere


dessen freut Herr v. Plüskow sich des von Preußen auferlegten Druckes,
da derselbe, je schärfer und fühlbarer er sei, desto mehr zur Erlösung von den
Fesseln mitwirken werde. „Unter dem Drucke werden die Völker erprobt",
heißt es weiter, „ob sie noch Stahl in ihrem Blute haben. Hart genug ist
der Druck. Unsere Fürsten sind verjagt oder unterjocht (!), unsere Freiheit
ist dahin bis auf das letzte Zucken. Sie sperren uns in ihre Kasernen, sie
Schirren uns in ihre Uniform, sie pressen uns in ihre Zoll- und Steuer¬
schraube. Sie nehmen vie Frucht unseres Fleißes, das Brod unserer Kinder,
das Blut unserer Söhne. Unsere Products sind nur noch Fourage, unser
Vieh Vorspann und Proviant, unsere Felder Exercierplatze, unsere Häuser
— die unantastbare Burg des freien Mannes — unsere Häuser Kasernen!
Hart genug ist der Druck. Dazu noch diese unschätzbare bekannte, verblendete
und übermüthige Rücksichtslosigkeit, da müssen selbst Lämmer Tigerzähne be¬
kommen. Lassen wir das Eisen in unserem Blute nicht verrosten." Mit
diesem pathetischen Schluß kündigte der Ritter Josias von Plüskow an,
daß sein Haß gegen das Preußenthum und den von Preußen gegründeten
norddeutschen Bund nur auf den rechten Zeitpunkt warte, um die Gestalt
einer gewaltsamen Auflehnung anzunehmen.

Man würde indessen sehr irren, wenn man die hier mit erwünschter Klar¬
heit sich aussprechende Richtung sür mehr als eine bloße Schattirung der
in der gesammten feudal-particularistischen Partei unseres Landes lebenden
Gedanken und Absichten halten wollte. Die feindselige Gesinnung gegen den
norddeutschen Bund und den, wenn auch noch der weiteren Entwickelung be¬
dürftigen, doch entschieden constitutionellen Charakter seiner Verfassung wur¬
zelt in dem Wesen dieser Partei. Sie kann ihrer Natur nach politische In¬
stitutionen nicht anders als hassen und bekämpfen, welche den Untergang
ihrer eigenen staatlichen Einrichtungen und ihrer auf dieselben sich gründenden
Herrschaft in sichere Aussicht stellen. Verschiedenheit der Ansichten ist nur in
Betreff des Weges vorhanden, wie der norddeutschen Bundesverfassung und
ihren Einwirkungen auf das Privilegienwesen und das Junkerthum zu be¬
gegnen sei. Die Einen lassen sich durch ihr Temperament treiben, dem nord¬
deutschen Bunde als erklärte Feinde gegenüber zu treten; die Anderen haben
sich mit kühler Berechnung seiner Macht und seiner Forderungen einstweilen
gebeugt, um dieselben von innen herzu untergraben und zu zerstören. Aber das
Ziel beider ist ein gemeinschaftliches: sie wollen den Particularismus und
den Privilegienstaat retten und zu diesem Zwecke den Bundesstaat auf die
Stufe des Staatenbundes zurückschrauben. Die eine Richtung hat schon im
Jahre 1848 die Kunst gelernt und geübt, vor dem daherfahrenden Sturme
sich zu bücken und mit Geduld den Zeitpunkt zu erwarten, wo derselbe aus¬
getobt, um dann das alte Haus in aller Stille wieder aufzubauen; die andere


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121491"/>
          <p xml:id="ID_887" prev="#ID_886"> dessen freut Herr v. Plüskow sich des von Preußen auferlegten Druckes,<lb/>
da derselbe, je schärfer und fühlbarer er sei, desto mehr zur Erlösung von den<lb/>
Fesseln mitwirken werde. &#x201E;Unter dem Drucke werden die Völker erprobt",<lb/>
heißt es weiter, &#x201E;ob sie noch Stahl in ihrem Blute haben. Hart genug ist<lb/>
der Druck. Unsere Fürsten sind verjagt oder unterjocht (!), unsere Freiheit<lb/>
ist dahin bis auf das letzte Zucken. Sie sperren uns in ihre Kasernen, sie<lb/>
Schirren uns in ihre Uniform, sie pressen uns in ihre Zoll- und Steuer¬<lb/>
schraube. Sie nehmen vie Frucht unseres Fleißes, das Brod unserer Kinder,<lb/>
das Blut unserer Söhne. Unsere Products sind nur noch Fourage, unser<lb/>
Vieh Vorspann und Proviant, unsere Felder Exercierplatze, unsere Häuser<lb/>
&#x2014; die unantastbare Burg des freien Mannes &#x2014; unsere Häuser Kasernen!<lb/>
Hart genug ist der Druck. Dazu noch diese unschätzbare bekannte, verblendete<lb/>
und übermüthige Rücksichtslosigkeit, da müssen selbst Lämmer Tigerzähne be¬<lb/>
kommen. Lassen wir das Eisen in unserem Blute nicht verrosten." Mit<lb/>
diesem pathetischen Schluß kündigte der Ritter Josias von Plüskow an,<lb/>
daß sein Haß gegen das Preußenthum und den von Preußen gegründeten<lb/>
norddeutschen Bund nur auf den rechten Zeitpunkt warte, um die Gestalt<lb/>
einer gewaltsamen Auflehnung anzunehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_888" next="#ID_889"> Man würde indessen sehr irren, wenn man die hier mit erwünschter Klar¬<lb/>
heit sich aussprechende Richtung sür mehr als eine bloße Schattirung der<lb/>
in der gesammten feudal-particularistischen Partei unseres Landes lebenden<lb/>
Gedanken und Absichten halten wollte. Die feindselige Gesinnung gegen den<lb/>
norddeutschen Bund und den, wenn auch noch der weiteren Entwickelung be¬<lb/>
dürftigen, doch entschieden constitutionellen Charakter seiner Verfassung wur¬<lb/>
zelt in dem Wesen dieser Partei. Sie kann ihrer Natur nach politische In¬<lb/>
stitutionen nicht anders als hassen und bekämpfen, welche den Untergang<lb/>
ihrer eigenen staatlichen Einrichtungen und ihrer auf dieselben sich gründenden<lb/>
Herrschaft in sichere Aussicht stellen. Verschiedenheit der Ansichten ist nur in<lb/>
Betreff des Weges vorhanden, wie der norddeutschen Bundesverfassung und<lb/>
ihren Einwirkungen auf das Privilegienwesen und das Junkerthum zu be¬<lb/>
gegnen sei. Die Einen lassen sich durch ihr Temperament treiben, dem nord¬<lb/>
deutschen Bunde als erklärte Feinde gegenüber zu treten; die Anderen haben<lb/>
sich mit kühler Berechnung seiner Macht und seiner Forderungen einstweilen<lb/>
gebeugt, um dieselben von innen herzu untergraben und zu zerstören. Aber das<lb/>
Ziel beider ist ein gemeinschaftliches: sie wollen den Particularismus und<lb/>
den Privilegienstaat retten und zu diesem Zwecke den Bundesstaat auf die<lb/>
Stufe des Staatenbundes zurückschrauben. Die eine Richtung hat schon im<lb/>
Jahre 1848 die Kunst gelernt und geübt, vor dem daherfahrenden Sturme<lb/>
sich zu bücken und mit Geduld den Zeitpunkt zu erwarten, wo derselbe aus¬<lb/>
getobt, um dann das alte Haus in aller Stille wieder aufzubauen; die andere</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0270] dessen freut Herr v. Plüskow sich des von Preußen auferlegten Druckes, da derselbe, je schärfer und fühlbarer er sei, desto mehr zur Erlösung von den Fesseln mitwirken werde. „Unter dem Drucke werden die Völker erprobt", heißt es weiter, „ob sie noch Stahl in ihrem Blute haben. Hart genug ist der Druck. Unsere Fürsten sind verjagt oder unterjocht (!), unsere Freiheit ist dahin bis auf das letzte Zucken. Sie sperren uns in ihre Kasernen, sie Schirren uns in ihre Uniform, sie pressen uns in ihre Zoll- und Steuer¬ schraube. Sie nehmen vie Frucht unseres Fleißes, das Brod unserer Kinder, das Blut unserer Söhne. Unsere Products sind nur noch Fourage, unser Vieh Vorspann und Proviant, unsere Felder Exercierplatze, unsere Häuser — die unantastbare Burg des freien Mannes — unsere Häuser Kasernen! Hart genug ist der Druck. Dazu noch diese unschätzbare bekannte, verblendete und übermüthige Rücksichtslosigkeit, da müssen selbst Lämmer Tigerzähne be¬ kommen. Lassen wir das Eisen in unserem Blute nicht verrosten." Mit diesem pathetischen Schluß kündigte der Ritter Josias von Plüskow an, daß sein Haß gegen das Preußenthum und den von Preußen gegründeten norddeutschen Bund nur auf den rechten Zeitpunkt warte, um die Gestalt einer gewaltsamen Auflehnung anzunehmen. Man würde indessen sehr irren, wenn man die hier mit erwünschter Klar¬ heit sich aussprechende Richtung sür mehr als eine bloße Schattirung der in der gesammten feudal-particularistischen Partei unseres Landes lebenden Gedanken und Absichten halten wollte. Die feindselige Gesinnung gegen den norddeutschen Bund und den, wenn auch noch der weiteren Entwickelung be¬ dürftigen, doch entschieden constitutionellen Charakter seiner Verfassung wur¬ zelt in dem Wesen dieser Partei. Sie kann ihrer Natur nach politische In¬ stitutionen nicht anders als hassen und bekämpfen, welche den Untergang ihrer eigenen staatlichen Einrichtungen und ihrer auf dieselben sich gründenden Herrschaft in sichere Aussicht stellen. Verschiedenheit der Ansichten ist nur in Betreff des Weges vorhanden, wie der norddeutschen Bundesverfassung und ihren Einwirkungen auf das Privilegienwesen und das Junkerthum zu be¬ gegnen sei. Die Einen lassen sich durch ihr Temperament treiben, dem nord¬ deutschen Bunde als erklärte Feinde gegenüber zu treten; die Anderen haben sich mit kühler Berechnung seiner Macht und seiner Forderungen einstweilen gebeugt, um dieselben von innen herzu untergraben und zu zerstören. Aber das Ziel beider ist ein gemeinschaftliches: sie wollen den Particularismus und den Privilegienstaat retten und zu diesem Zwecke den Bundesstaat auf die Stufe des Staatenbundes zurückschrauben. Die eine Richtung hat schon im Jahre 1848 die Kunst gelernt und geübt, vor dem daherfahrenden Sturme sich zu bücken und mit Geduld den Zeitpunkt zu erwarten, wo derselbe aus¬ getobt, um dann das alte Haus in aller Stille wieder aufzubauen; die andere

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/270
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/270>, abgerufen am 25.08.2024.