Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.denen sie auch den örtlichen Verhältnissen gemäß ihre Familien erhalten können denen sie auch den örtlichen Verhältnissen gemäß ihre Familien erhalten können <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0027" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121248"/> <p xml:id="ID_99" prev="#ID_98"> denen sie auch den örtlichen Verhältnissen gemäß ihre Familien erhalten können<lb/> und was die Hauptsache ist, sie müssen sich während eines vierjährigen Unter¬<lb/> richts eine bessere Bildung aneignen, als die, welche ihnen bisher grundsätz¬<lb/> lich zugemessen war, damit sie bei Leibe nicht mehr wüßten, als die be¬<lb/> scheidenen Geistlichen. Dazu kommen noch die Lehrerprüfung und zwei Probe¬<lb/> jahre." Trotz alle- und alledem wird aber die Erziehung des Volkes nicht<lb/> fortschreiten, so lange nicht in die Geistlichen selbst ein besserer Geist fährt. ^<lb/> In katholischen Ländern und namentlich in dem von der Außenwelt so gut<lb/> wie abgeschnittenen Tirol, ist der Einfluß des Clerus auf die ländliche Be¬<lb/> völkerung zu maßgebend, als daß eine gedeihliche Entwickelung der geistigen<lb/> Anlagen und Kräfte festen Grund fassen könnte, so lange nicht auch der Geist¬<lb/> liche dazu beiträgt, richtigere Vorstellungen von der Aufgabe des Menschen<lb/> und dem Ziel seines irdischen Daseins, als dies bisher der Fall war, zu<lb/> verbreiten, wenn nicht auch der Clerus Tirols sich aus dem Sumpfe seiner<lb/> gegenwärtigen Verkommenheit erhebt. Dazu aber sind nothwendig: die Ab¬<lb/> schaffung der geistlichen Knabeninstitute an den Gymnasien, die Aufhebung<lb/> der bischöflichen Seminarien zu Trient und Brixen, sowie der Jesuitenfacultät<lb/> und des Convictes in Innsbruck, endlich die Besetzung der theologischen Lehr¬<lb/> anstalt mit dazu vom Staate berufenen, den Standpunkt der modernen Wissen¬<lb/> schaft währenden Professoren. An die angehenden Geistlichen ist aber vor<lb/> Empfang der Weihen die Anforderung zu stellen, daß sie sich durch eine<lb/> strenge Prüfung nicht nur über die erworbenen theologischen Kenntnisse,<lb/> sondern auch namentlich über ihre allgemeine Bildung ausweisen- Selbst¬<lb/> verständlich ist hierbei mit allem und jedem gründlich aufzuräumen, was an<lb/> die sogenannte „freie katholische Universität" der Dr. Buß und Genossen<lb/> erinnern könnte. Wir begreifen wohl, daß der gegenwärtige östreichische<lb/> Unterrichtsminister zu Wünschen solcher Art lächelnd die Achsel zucken wird,<lb/> verzweifeln aber dennoch nicht daran, daß sie endlich in Ausführung kommen.<lb/> Vielleicht sind es eben die erbittertsten Feinde des Fortschritts, die Wortführer<lb/> in Rom, die in ihrer Verblendung und Herrschsucht zur schnelleren Be¬<lb/> seitigung der ägyptischen Finsterniß helfen, als es allmälige Reformen ver¬<lb/> möchten, und die schließlich auch in Oestreich (wie es bereits im westlichen<lb/> Deutschland geschah), zu Protesten gegen das uns in Aussicht gestellte Dogma<lb/> von der Unfehlbarkeit des Papstes und seiner Jesuiten drängen werden. Zerfalle<lb/> einmal jener morsche, mittelalterliche Bau, dann sproßt wohl auch der Keim<lb/> neuen Lebens aus den Ruinen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
denen sie auch den örtlichen Verhältnissen gemäß ihre Familien erhalten können
und was die Hauptsache ist, sie müssen sich während eines vierjährigen Unter¬
richts eine bessere Bildung aneignen, als die, welche ihnen bisher grundsätz¬
lich zugemessen war, damit sie bei Leibe nicht mehr wüßten, als die be¬
scheidenen Geistlichen. Dazu kommen noch die Lehrerprüfung und zwei Probe¬
jahre." Trotz alle- und alledem wird aber die Erziehung des Volkes nicht
fortschreiten, so lange nicht in die Geistlichen selbst ein besserer Geist fährt. ^
In katholischen Ländern und namentlich in dem von der Außenwelt so gut
wie abgeschnittenen Tirol, ist der Einfluß des Clerus auf die ländliche Be¬
völkerung zu maßgebend, als daß eine gedeihliche Entwickelung der geistigen
Anlagen und Kräfte festen Grund fassen könnte, so lange nicht auch der Geist¬
liche dazu beiträgt, richtigere Vorstellungen von der Aufgabe des Menschen
und dem Ziel seines irdischen Daseins, als dies bisher der Fall war, zu
verbreiten, wenn nicht auch der Clerus Tirols sich aus dem Sumpfe seiner
gegenwärtigen Verkommenheit erhebt. Dazu aber sind nothwendig: die Ab¬
schaffung der geistlichen Knabeninstitute an den Gymnasien, die Aufhebung
der bischöflichen Seminarien zu Trient und Brixen, sowie der Jesuitenfacultät
und des Convictes in Innsbruck, endlich die Besetzung der theologischen Lehr¬
anstalt mit dazu vom Staate berufenen, den Standpunkt der modernen Wissen¬
schaft währenden Professoren. An die angehenden Geistlichen ist aber vor
Empfang der Weihen die Anforderung zu stellen, daß sie sich durch eine
strenge Prüfung nicht nur über die erworbenen theologischen Kenntnisse,
sondern auch namentlich über ihre allgemeine Bildung ausweisen- Selbst¬
verständlich ist hierbei mit allem und jedem gründlich aufzuräumen, was an
die sogenannte „freie katholische Universität" der Dr. Buß und Genossen
erinnern könnte. Wir begreifen wohl, daß der gegenwärtige östreichische
Unterrichtsminister zu Wünschen solcher Art lächelnd die Achsel zucken wird,
verzweifeln aber dennoch nicht daran, daß sie endlich in Ausführung kommen.
Vielleicht sind es eben die erbittertsten Feinde des Fortschritts, die Wortführer
in Rom, die in ihrer Verblendung und Herrschsucht zur schnelleren Be¬
seitigung der ägyptischen Finsterniß helfen, als es allmälige Reformen ver¬
möchten, und die schließlich auch in Oestreich (wie es bereits im westlichen
Deutschland geschah), zu Protesten gegen das uns in Aussicht gestellte Dogma
von der Unfehlbarkeit des Papstes und seiner Jesuiten drängen werden. Zerfalle
einmal jener morsche, mittelalterliche Bau, dann sproßt wohl auch der Keim
neuen Lebens aus den Ruinen.
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