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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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gegen die Umwandlung zu schützen, zu welcher die Bundesgesetzgebung das¬
selbe immer stärker und unwiderstehlicher zwingt.

Allerdings steht der Graf hierin genau auf demselben Punkte, auf welchem
die Lenker unser Staatsangelegenheiten auch schon vor ihm standen, und nur
darin mag vielleicht ein geringer subjectiver Unterschied zwischen ihm und
seinem unmittelbaren Vorgänger liegen, daß er noch weniger geneigt sein
wird, auf die Forderungen der Zeit zu merken und dem Drucke der That¬
sachen nachzugeben. Jedenfalls wird, so lange er eine Stimme dabei hat,
die Regierung fortfahren, nach bestem Vermögen die alte Landesverfassung
bei Bestand zu erhalten und im Bundesrathe gegen eine freiheitliche Gesetz¬
gebung zu kämpfen, wo dies aber nicht gelingt, der Wirksamkeit der Bundes¬
gesetze möglichst enge Schranken anzuweisen.

Freilich wird er mit solchen Gedanken und Absichten nicht so offen her¬
vortreten, wie diejenigen seiner politischen Freunde, welche sich nicht scheuten,
auf dem letzten Landtage es vor aller Welt als die Aufgabe der Mecklen¬
burgischen Stände zu bezeichnen, die Bundesgesetze für Mecklenburg so viel
als möglich unwirksam zu machen. Und noch weniger liegt es in seiner
Natur, gleich seinem bisherigen Collegen in dem ständischen Amte eines
Landraths, dem Herrn v. Plüskow auf Kowalz, dem Norddeutschen Bunde
und feiner Verfassung offen den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Herr von
Plüskow und sein Anhang in der Ritterschaft traten schon auf dem außer¬
ordentlichen Landtage vom September 1866 mit dem Antrage auf Verwerfung
des Bündnißvertrags hervor. Später ging Herr v. Plüskow eine enge
Verbindung mit der Welfenpartei in Hannover ein und im Februar dieses
Jahres veröffentlichte er in einem kleinen, nach kurzem Dasein wieder ein¬
gegangenen Winkelblatt des obotritischen Welfenthums einen mit schwarzer
Galle getränkten Bannfluch gegen Bismarck und den norddeutschen Bund
und den in beiden nach seiner Vorstellung sich darstellenden preußischen Ueber¬
muth. Durch den Schluß dieses Artikels, wonach Angesichts der neuesten
Umgestaltungen in Deutschland "selbst Lämmer Tigerzähne bekommen
müßten", überlieferte er sich den Zähnen der Witzblätter, und durch den übri¬
gen Inhalt desselben brachte er sich in eine Untersuchung wegen Preßver-
gehens, welche zu einer Verurtheilung in einige Wochen Gefängniß und eine
Geldbuße führte. Stärkeres gegen Preußen und dessen leitenden Staats¬
mann wird man kaum in den radicalsten deutschen Blättern lesen, als ihm
hier von konservativer Seite gesagt wird. Die vom Grasen Bismarck vertre¬
tenen Interessen werden als "erbärmliche, kleinliche, dynastische Interessen"
bezeichnet; ihm wird der Vorwurf gemacht, daß er das Wohl des deutschen
Vaterlandes gründlich geopfert, Conspirationen mit dem Auslande keineswegs
verschmäht und mit Deutschland ein frevelhaftes Spiel getrieben habe. In-


gegen die Umwandlung zu schützen, zu welcher die Bundesgesetzgebung das¬
selbe immer stärker und unwiderstehlicher zwingt.

Allerdings steht der Graf hierin genau auf demselben Punkte, auf welchem
die Lenker unser Staatsangelegenheiten auch schon vor ihm standen, und nur
darin mag vielleicht ein geringer subjectiver Unterschied zwischen ihm und
seinem unmittelbaren Vorgänger liegen, daß er noch weniger geneigt sein
wird, auf die Forderungen der Zeit zu merken und dem Drucke der That¬
sachen nachzugeben. Jedenfalls wird, so lange er eine Stimme dabei hat,
die Regierung fortfahren, nach bestem Vermögen die alte Landesverfassung
bei Bestand zu erhalten und im Bundesrathe gegen eine freiheitliche Gesetz¬
gebung zu kämpfen, wo dies aber nicht gelingt, der Wirksamkeit der Bundes¬
gesetze möglichst enge Schranken anzuweisen.

Freilich wird er mit solchen Gedanken und Absichten nicht so offen her¬
vortreten, wie diejenigen seiner politischen Freunde, welche sich nicht scheuten,
auf dem letzten Landtage es vor aller Welt als die Aufgabe der Mecklen¬
burgischen Stände zu bezeichnen, die Bundesgesetze für Mecklenburg so viel
als möglich unwirksam zu machen. Und noch weniger liegt es in seiner
Natur, gleich seinem bisherigen Collegen in dem ständischen Amte eines
Landraths, dem Herrn v. Plüskow auf Kowalz, dem Norddeutschen Bunde
und feiner Verfassung offen den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Herr von
Plüskow und sein Anhang in der Ritterschaft traten schon auf dem außer¬
ordentlichen Landtage vom September 1866 mit dem Antrage auf Verwerfung
des Bündnißvertrags hervor. Später ging Herr v. Plüskow eine enge
Verbindung mit der Welfenpartei in Hannover ein und im Februar dieses
Jahres veröffentlichte er in einem kleinen, nach kurzem Dasein wieder ein¬
gegangenen Winkelblatt des obotritischen Welfenthums einen mit schwarzer
Galle getränkten Bannfluch gegen Bismarck und den norddeutschen Bund
und den in beiden nach seiner Vorstellung sich darstellenden preußischen Ueber¬
muth. Durch den Schluß dieses Artikels, wonach Angesichts der neuesten
Umgestaltungen in Deutschland „selbst Lämmer Tigerzähne bekommen
müßten", überlieferte er sich den Zähnen der Witzblätter, und durch den übri¬
gen Inhalt desselben brachte er sich in eine Untersuchung wegen Preßver-
gehens, welche zu einer Verurtheilung in einige Wochen Gefängniß und eine
Geldbuße führte. Stärkeres gegen Preußen und dessen leitenden Staats¬
mann wird man kaum in den radicalsten deutschen Blättern lesen, als ihm
hier von konservativer Seite gesagt wird. Die vom Grasen Bismarck vertre¬
tenen Interessen werden als „erbärmliche, kleinliche, dynastische Interessen"
bezeichnet; ihm wird der Vorwurf gemacht, daß er das Wohl des deutschen
Vaterlandes gründlich geopfert, Conspirationen mit dem Auslande keineswegs
verschmäht und mit Deutschland ein frevelhaftes Spiel getrieben habe. In-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/269>, abgerufen am 25.08.2024.