Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.Liebe zur Wissenschaft hat er nicht eingesogen, denn Alles war darauf be¬ Von der theologischen Facultät in Innsbruck wollen wir blos erwähnen, So steht es um die Erziehung und Bildung der Männer, die als Lehrer Liebe zur Wissenschaft hat er nicht eingesogen, denn Alles war darauf be¬ Von der theologischen Facultät in Innsbruck wollen wir blos erwähnen, So steht es um die Erziehung und Bildung der Männer, die als Lehrer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121247"/> <p xml:id="ID_96" prev="#ID_95"> Liebe zur Wissenschaft hat er nicht eingesogen, denn Alles war darauf be¬<lb/> rechnet, ihm den Geschmack an geistiger Kost überhaupt gründlich zu verleiden.<lb/> Wenn er das Messelesen, Brevierbeten, Beichthören und Predigen hinreichend<lb/> erlernt hat, und namentlich in Letzterem dem Bauernvolke genügt, besitzt er<lb/> jede ihm zur Erfüllung seines Berufes nöthige Fähigkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_97"> Von der theologischen Facultät in Innsbruck wollen wir blos erwähnen,<lb/> daß ihre Lehrer nach dem Ministerialerlaß vom 7. November 18S7 aus¬<lb/> schließlich dem Jesuitenorden angehören, und daß von ihnen außer dem je¬<lb/> suitischen Dvctorgrade keinerlei wie immer geartete Bürgschaft für ihre ge¬<lb/> lehrte Bildung gefordert wird. Diese Lehrer werden von dem Vorsteher der<lb/> Ordensprovinz angestellt und entlassen, der academische Senat übt auf ihre<lb/> Ernennung nicht den geringsten Einfluß, sondern hat die jesuitischen vootores<lb/> ohne Weiteres als Professoren der theologischen Facultät anzuerkennen, so¬<lb/> bald sie ihm als solche namhaft gemacht werden. Localdirector der Anstalt<lb/> ist der jeweilige Rector des Jesuitencollegiums zu Innsbruck, den Decan<lb/> bestellt der Provinzvorsteher. Einrichtungen dieser Art sind selbst in Oest¬<lb/> reich nur unter dem Ministerium Leo Thun möglich gewesen; sie bestehen<lb/> aber noch gegenwärtig, und wenn man nicht wüßte, was die Jesuiten über¬<lb/> haupt unter Gottesgelahrtheit verstehen, dürfte schon die eine Thatsache darüber<lb/> Ausklärung geben, daß für Vorlesungen über Dogmatik im ersten Curse<lb/> neun, in den drei übrigen aber je zehn Stunden wöchentlich bestimmt sind,<lb/> alle übrigen Fächer mithin auf ein Minimum reducirt erscheinen. Diese An¬<lb/> stalt zählte zu Anfang des gegenwärtigen Schuljahrs 202 Schüler, wovon<lb/> 106 im Jesuitenconvicte wohnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_98" next="#ID_99"> So steht es um die Erziehung und Bildung der Männer, die als Lehrer<lb/> unseres Volkes, als dessen Seelenfreunde und Rathgeber an den Pforten<lb/> seiner Schule Wache halten, damit kein anderer, als der geläuterte Geist ihres<lb/> werkhetligen Christenthums Einlaß finde. Der sogenannte Schullehrer, der<lb/> auf dem Lande für den Unterricht im Winter häufig nur 30 bis 40 Gulden<lb/> Papiergeld erhält, ist dadurch auf das Gnadenbrod angewiesen, das er als<lb/> Meßner (Küster) und Organist aus den Händen jener Geistlichen erhält, die<lb/> ihn mit Späheraugen auf Schritt und Tritt verfolgen. Wehe ihm, wenn<lb/> er etwa zu einem ihrer Widersacher hinneigt, denn an Leuten, die an dem<lb/> Umfang des geistlichen Einflusses Anstoß nehmen, fehlt es in Tirol auch im<lb/> ärmsten Thale nicht. Verkehr mit Personen dieser Art wird als sittlicher<lb/> Makel angesehen und das Uebrige versteht sich von selbst. — „Das wird alles<lb/> anders werden" — meinen unsere Staatsmänner, „wenn nur erst das neue<lb/> Schulgesetz in volle Wirksamkeit getreten ist. Die Lehrer werden künftig<lb/> bleibend vom Staate angestellt, können dann nur in Folge von Disciplinar-<lb/> untersuchungen ihrer Stellen entsetzt werden, sie beziehen Jahrgehalte, mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Liebe zur Wissenschaft hat er nicht eingesogen, denn Alles war darauf be¬
rechnet, ihm den Geschmack an geistiger Kost überhaupt gründlich zu verleiden.
Wenn er das Messelesen, Brevierbeten, Beichthören und Predigen hinreichend
erlernt hat, und namentlich in Letzterem dem Bauernvolke genügt, besitzt er
jede ihm zur Erfüllung seines Berufes nöthige Fähigkeit.
Von der theologischen Facultät in Innsbruck wollen wir blos erwähnen,
daß ihre Lehrer nach dem Ministerialerlaß vom 7. November 18S7 aus¬
schließlich dem Jesuitenorden angehören, und daß von ihnen außer dem je¬
suitischen Dvctorgrade keinerlei wie immer geartete Bürgschaft für ihre ge¬
lehrte Bildung gefordert wird. Diese Lehrer werden von dem Vorsteher der
Ordensprovinz angestellt und entlassen, der academische Senat übt auf ihre
Ernennung nicht den geringsten Einfluß, sondern hat die jesuitischen vootores
ohne Weiteres als Professoren der theologischen Facultät anzuerkennen, so¬
bald sie ihm als solche namhaft gemacht werden. Localdirector der Anstalt
ist der jeweilige Rector des Jesuitencollegiums zu Innsbruck, den Decan
bestellt der Provinzvorsteher. Einrichtungen dieser Art sind selbst in Oest¬
reich nur unter dem Ministerium Leo Thun möglich gewesen; sie bestehen
aber noch gegenwärtig, und wenn man nicht wüßte, was die Jesuiten über¬
haupt unter Gottesgelahrtheit verstehen, dürfte schon die eine Thatsache darüber
Ausklärung geben, daß für Vorlesungen über Dogmatik im ersten Curse
neun, in den drei übrigen aber je zehn Stunden wöchentlich bestimmt sind,
alle übrigen Fächer mithin auf ein Minimum reducirt erscheinen. Diese An¬
stalt zählte zu Anfang des gegenwärtigen Schuljahrs 202 Schüler, wovon
106 im Jesuitenconvicte wohnten.
So steht es um die Erziehung und Bildung der Männer, die als Lehrer
unseres Volkes, als dessen Seelenfreunde und Rathgeber an den Pforten
seiner Schule Wache halten, damit kein anderer, als der geläuterte Geist ihres
werkhetligen Christenthums Einlaß finde. Der sogenannte Schullehrer, der
auf dem Lande für den Unterricht im Winter häufig nur 30 bis 40 Gulden
Papiergeld erhält, ist dadurch auf das Gnadenbrod angewiesen, das er als
Meßner (Küster) und Organist aus den Händen jener Geistlichen erhält, die
ihn mit Späheraugen auf Schritt und Tritt verfolgen. Wehe ihm, wenn
er etwa zu einem ihrer Widersacher hinneigt, denn an Leuten, die an dem
Umfang des geistlichen Einflusses Anstoß nehmen, fehlt es in Tirol auch im
ärmsten Thale nicht. Verkehr mit Personen dieser Art wird als sittlicher
Makel angesehen und das Uebrige versteht sich von selbst. — „Das wird alles
anders werden" — meinen unsere Staatsmänner, „wenn nur erst das neue
Schulgesetz in volle Wirksamkeit getreten ist. Die Lehrer werden künftig
bleibend vom Staate angestellt, können dann nur in Folge von Disciplinar-
untersuchungen ihrer Stellen entsetzt werden, sie beziehen Jahrgehalte, mit
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