Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Schicksale des sächsischen Corps in den letzten Wochen zdes Feldzugs
bieten einiges Merkwürdige. Unter Anderm war uns neu, daß das Corps
bei dem gestörten Rückzug von Olmütz nach Wien in acht Theile zerrissen
wurde, welche sich spät, zum Theil erst nach Abschluß der Nikolsburger Präli¬
minarien, wieder zusammenfanden. Ferner ist hervor zuHeben, daß das Corps
in dieser Zeit seine Verluste reichlich aus einer Depot-Brigade aller Waffen
von zusammen c. 5000 Mann, 968 Pferoen zu ergänzen vermochte, welche
bereits beim Abzug des Corps aus Sachsen formirt war, während einiger
Kriegswochen bei Linz gesammelt stand und durch Reservisten, die während
der preußischen Occupation Sachsens aus dem Lande gezogen waren, vermehrt
wurde. Die Ergänzung und technische Ausbildung der Truppe wurde auch
nach dem Friedensschluß mit Oestreich rüstig sortgesetzt, weil es im höchsten
Interesse des sächsischen Königshauses lag, bis zum Abschluß der Verhand¬
lungen mit Preußen, die Kriegsherrlichkeit über ein schlagfertiges Corps
festzuhalten.

Das sächsische Armeecorps hatte beim Beginn des Krieges in Böhmen
(am 25. Juni) einen Verpflegungsstand von 26,226 Mann, darunter 540
Nichtstreitende, und von 7,560 Pferden, außerdem von 4,961 Mann und
968 Pferden im Depot, also zusammen von 31,265 Mann und 8,528 Pferden.
Es verlor vor dem Feind bei (Kitschin und Königgräy an Todten 38 Officiere
579 Mann; an Verwundeten 44 Officiere 1303 Mann; an unverwundet Ge-
fangenen 4 Officiere 193 Mann, zusammen 86 Officiere und 2075 Mann,
1 Geschütz.

Die sächsische Armee hat Grund ihre Leistungen in der Campagne von
1866 als eine wohlbestandene Prüfung ihrer militairischen Tüchtigkeit zu
betrachten. Sie litt an den Nachtheilen, welche für jede Truppe und noch
mehr für die Gesechtsleitung unvermeidlich aus der Beschränkung auf einen
kleineren militairischen Organismus hervorgehen, aber in Treue gegen den
Kriegsherrn, in militairischer Zucht und sicherem Ehrgefühl waren Officiere
und Soldaten ihren Verbündeten von 1866 beträchtlich überlegen. Dies an¬
erkennende Urtheil wurde schon während dem Kriege häusig von competenten
Beurtheilern im preußischen Heere ausgesprochen.

Durch die Schrift des sächsischen Generalstabs ist d. Bl. wieder die
Pflicht auferlegt worden auf den Feldzug des Jahres 1866 zurückzukommen.
Niemals dünkt die Kruik des Zuschauers dem Handelnden widerwärtiger,
als nach einer militairischen Action, welche dem Charakter des Feldherrn die
stärkste erdenkliche Prüfung auferlegt hat; und nirgend hat der Urtheilende
mehr Ursache Anerkennung in den Vordergrund zu stellen als bei so großer
That wie eine gewonnene Schlacht ist. In Wahrheit ist auch der Feldzug
von 1866 im Ganzen betrachtet, dadurch von anderen modernen Campagnen,


Die Schicksale des sächsischen Corps in den letzten Wochen zdes Feldzugs
bieten einiges Merkwürdige. Unter Anderm war uns neu, daß das Corps
bei dem gestörten Rückzug von Olmütz nach Wien in acht Theile zerrissen
wurde, welche sich spät, zum Theil erst nach Abschluß der Nikolsburger Präli¬
minarien, wieder zusammenfanden. Ferner ist hervor zuHeben, daß das Corps
in dieser Zeit seine Verluste reichlich aus einer Depot-Brigade aller Waffen
von zusammen c. 5000 Mann, 968 Pferoen zu ergänzen vermochte, welche
bereits beim Abzug des Corps aus Sachsen formirt war, während einiger
Kriegswochen bei Linz gesammelt stand und durch Reservisten, die während
der preußischen Occupation Sachsens aus dem Lande gezogen waren, vermehrt
wurde. Die Ergänzung und technische Ausbildung der Truppe wurde auch
nach dem Friedensschluß mit Oestreich rüstig sortgesetzt, weil es im höchsten
Interesse des sächsischen Königshauses lag, bis zum Abschluß der Verhand¬
lungen mit Preußen, die Kriegsherrlichkeit über ein schlagfertiges Corps
festzuhalten.

Das sächsische Armeecorps hatte beim Beginn des Krieges in Böhmen
(am 25. Juni) einen Verpflegungsstand von 26,226 Mann, darunter 540
Nichtstreitende, und von 7,560 Pferden, außerdem von 4,961 Mann und
968 Pferden im Depot, also zusammen von 31,265 Mann und 8,528 Pferden.
Es verlor vor dem Feind bei (Kitschin und Königgräy an Todten 38 Officiere
579 Mann; an Verwundeten 44 Officiere 1303 Mann; an unverwundet Ge-
fangenen 4 Officiere 193 Mann, zusammen 86 Officiere und 2075 Mann,
1 Geschütz.

Die sächsische Armee hat Grund ihre Leistungen in der Campagne von
1866 als eine wohlbestandene Prüfung ihrer militairischen Tüchtigkeit zu
betrachten. Sie litt an den Nachtheilen, welche für jede Truppe und noch
mehr für die Gesechtsleitung unvermeidlich aus der Beschränkung auf einen
kleineren militairischen Organismus hervorgehen, aber in Treue gegen den
Kriegsherrn, in militairischer Zucht und sicherem Ehrgefühl waren Officiere
und Soldaten ihren Verbündeten von 1866 beträchtlich überlegen. Dies an¬
erkennende Urtheil wurde schon während dem Kriege häusig von competenten
Beurtheilern im preußischen Heere ausgesprochen.

Durch die Schrift des sächsischen Generalstabs ist d. Bl. wieder die
Pflicht auferlegt worden auf den Feldzug des Jahres 1866 zurückzukommen.
Niemals dünkt die Kruik des Zuschauers dem Handelnden widerwärtiger,
als nach einer militairischen Action, welche dem Charakter des Feldherrn die
stärkste erdenkliche Prüfung auferlegt hat; und nirgend hat der Urtheilende
mehr Ursache Anerkennung in den Vordergrund zu stellen als bei so großer
That wie eine gewonnene Schlacht ist. In Wahrheit ist auch der Feldzug
von 1866 im Ganzen betrachtet, dadurch von anderen modernen Campagnen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121461"/>
          <p xml:id="ID_792"> Die Schicksale des sächsischen Corps in den letzten Wochen zdes Feldzugs<lb/>
bieten einiges Merkwürdige. Unter Anderm war uns neu, daß das Corps<lb/>
bei dem gestörten Rückzug von Olmütz nach Wien in acht Theile zerrissen<lb/>
wurde, welche sich spät, zum Theil erst nach Abschluß der Nikolsburger Präli¬<lb/>
minarien, wieder zusammenfanden. Ferner ist hervor zuHeben, daß das Corps<lb/>
in dieser Zeit seine Verluste reichlich aus einer Depot-Brigade aller Waffen<lb/>
von zusammen c. 5000 Mann, 968 Pferoen zu ergänzen vermochte, welche<lb/>
bereits beim Abzug des Corps aus Sachsen formirt war, während einiger<lb/>
Kriegswochen bei Linz gesammelt stand und durch Reservisten, die während<lb/>
der preußischen Occupation Sachsens aus dem Lande gezogen waren, vermehrt<lb/>
wurde. Die Ergänzung und technische Ausbildung der Truppe wurde auch<lb/>
nach dem Friedensschluß mit Oestreich rüstig sortgesetzt, weil es im höchsten<lb/>
Interesse des sächsischen Königshauses lag, bis zum Abschluß der Verhand¬<lb/>
lungen mit Preußen, die Kriegsherrlichkeit über ein schlagfertiges Corps<lb/>
festzuhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_793"> Das sächsische Armeecorps hatte beim Beginn des Krieges in Böhmen<lb/>
(am 25. Juni) einen Verpflegungsstand von 26,226 Mann, darunter 540<lb/>
Nichtstreitende, und von 7,560 Pferden, außerdem von 4,961 Mann und<lb/>
968 Pferden im Depot, also zusammen von 31,265 Mann und 8,528 Pferden.<lb/>
Es verlor vor dem Feind bei (Kitschin und Königgräy an Todten 38 Officiere<lb/>
579 Mann; an Verwundeten 44 Officiere 1303 Mann; an unverwundet Ge-<lb/>
fangenen 4 Officiere 193 Mann, zusammen 86 Officiere und 2075 Mann,<lb/>
1 Geschütz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_794"> Die sächsische Armee hat Grund ihre Leistungen in der Campagne von<lb/>
1866 als eine wohlbestandene Prüfung ihrer militairischen Tüchtigkeit zu<lb/>
betrachten. Sie litt an den Nachtheilen, welche für jede Truppe und noch<lb/>
mehr für die Gesechtsleitung unvermeidlich aus der Beschränkung auf einen<lb/>
kleineren militairischen Organismus hervorgehen, aber in Treue gegen den<lb/>
Kriegsherrn, in militairischer Zucht und sicherem Ehrgefühl waren Officiere<lb/>
und Soldaten ihren Verbündeten von 1866 beträchtlich überlegen. Dies an¬<lb/>
erkennende Urtheil wurde schon während dem Kriege häusig von competenten<lb/>
Beurtheilern im preußischen Heere ausgesprochen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_795" next="#ID_796"> Durch die Schrift des sächsischen Generalstabs ist d. Bl. wieder die<lb/>
Pflicht auferlegt worden auf den Feldzug des Jahres 1866 zurückzukommen.<lb/>
Niemals dünkt die Kruik des Zuschauers dem Handelnden widerwärtiger,<lb/>
als nach einer militairischen Action, welche dem Charakter des Feldherrn die<lb/>
stärkste erdenkliche Prüfung auferlegt hat; und nirgend hat der Urtheilende<lb/>
mehr Ursache Anerkennung in den Vordergrund zu stellen als bei so großer<lb/>
That wie eine gewonnene Schlacht ist. In Wahrheit ist auch der Feldzug<lb/>
von 1866 im Ganzen betrachtet, dadurch von anderen modernen Campagnen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0240] Die Schicksale des sächsischen Corps in den letzten Wochen zdes Feldzugs bieten einiges Merkwürdige. Unter Anderm war uns neu, daß das Corps bei dem gestörten Rückzug von Olmütz nach Wien in acht Theile zerrissen wurde, welche sich spät, zum Theil erst nach Abschluß der Nikolsburger Präli¬ minarien, wieder zusammenfanden. Ferner ist hervor zuHeben, daß das Corps in dieser Zeit seine Verluste reichlich aus einer Depot-Brigade aller Waffen von zusammen c. 5000 Mann, 968 Pferoen zu ergänzen vermochte, welche bereits beim Abzug des Corps aus Sachsen formirt war, während einiger Kriegswochen bei Linz gesammelt stand und durch Reservisten, die während der preußischen Occupation Sachsens aus dem Lande gezogen waren, vermehrt wurde. Die Ergänzung und technische Ausbildung der Truppe wurde auch nach dem Friedensschluß mit Oestreich rüstig sortgesetzt, weil es im höchsten Interesse des sächsischen Königshauses lag, bis zum Abschluß der Verhand¬ lungen mit Preußen, die Kriegsherrlichkeit über ein schlagfertiges Corps festzuhalten. Das sächsische Armeecorps hatte beim Beginn des Krieges in Böhmen (am 25. Juni) einen Verpflegungsstand von 26,226 Mann, darunter 540 Nichtstreitende, und von 7,560 Pferden, außerdem von 4,961 Mann und 968 Pferden im Depot, also zusammen von 31,265 Mann und 8,528 Pferden. Es verlor vor dem Feind bei (Kitschin und Königgräy an Todten 38 Officiere 579 Mann; an Verwundeten 44 Officiere 1303 Mann; an unverwundet Ge- fangenen 4 Officiere 193 Mann, zusammen 86 Officiere und 2075 Mann, 1 Geschütz. Die sächsische Armee hat Grund ihre Leistungen in der Campagne von 1866 als eine wohlbestandene Prüfung ihrer militairischen Tüchtigkeit zu betrachten. Sie litt an den Nachtheilen, welche für jede Truppe und noch mehr für die Gesechtsleitung unvermeidlich aus der Beschränkung auf einen kleineren militairischen Organismus hervorgehen, aber in Treue gegen den Kriegsherrn, in militairischer Zucht und sicherem Ehrgefühl waren Officiere und Soldaten ihren Verbündeten von 1866 beträchtlich überlegen. Dies an¬ erkennende Urtheil wurde schon während dem Kriege häusig von competenten Beurtheilern im preußischen Heere ausgesprochen. Durch die Schrift des sächsischen Generalstabs ist d. Bl. wieder die Pflicht auferlegt worden auf den Feldzug des Jahres 1866 zurückzukommen. Niemals dünkt die Kruik des Zuschauers dem Handelnden widerwärtiger, als nach einer militairischen Action, welche dem Charakter des Feldherrn die stärkste erdenkliche Prüfung auferlegt hat; und nirgend hat der Urtheilende mehr Ursache Anerkennung in den Vordergrund zu stellen als bei so großer That wie eine gewonnene Schlacht ist. In Wahrheit ist auch der Feldzug von 1866 im Ganzen betrachtet, dadurch von anderen modernen Campagnen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/240
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/240>, abgerufen am 22.07.2024.