Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erscheint neben den großartigen Kämpfen im Walde von Maslowed und neben
dem verzweifelten Ringen um den Besitz von Roßberitz wie ein blutiges Idyll,
es hat außerdem die merkwürdige Eigenheit, daß es auf dem begränzten
Terrain des linken östreichischen Flügels den strategischen Verlauf der Gesammt-
schlacht in kleinerem Maßstabe fast genau wiederholt. Die Preußen halten
den Kampf in der Front hin und erlangen den Sieg durch Umgehung und
Eindrückung der beiden Flanken ihres Gegners. Die Sachsen lassen sich
durch die frontale Stärke ihrer Stellung und den für Oestreich im Allgemeinen
günstigen Stand des Gefechts um Mittag zu einem Heraustreten aus der
Defensive und zu einem Angriff auf die Preußen in der Front verleiten,
ähnlich wie das 2. und 4. östreichische Armeecorps im Walde von Maslowed.
Und wie die Oestreicher sich durch jene verfehlten Offensivstöße bei Maslowed
die Möglichkeit nehmen, der angreifenden 2. Armee der Preußen rechtzeitig
auf günstigem Terrain starken Widerstand entgegenzusetzen, ebenso verfallen
die Sachsen durch ihre versuchte Offensive zu sehr und zu früh den Folgen
der preußischen Umgehung, die ihnen doch nicht unbekannt gewesen war, für
deren Abwehr sie aber ungenügende Sorge getragen hatten. Die Bataillone
des 8. östreichischen Corps wurden von der preußischen Division Canstein
aus dem Walde von Hradeck gegen die vorgerückten Bataillone der Sachsen
geschleudert und die sächsischen Bataillone von beiden Seiten in der Thal¬
mulde vor Neu-Prim zusammengedrückt. Nur durch schnellen Rückzug und
unter nicht unbedeutenden Verlusten vermochten sich die Sachsen aus dieser
schlimmen Lage zu retten. Noch einmal hielten sie Stand bei Problus, aber
einem zweiten Angriff der Preußen, welche jetzt wie auf dem Exercierplatz
tambour battg.ut in der Front eindrangen, -- es war nach dem Bericht von
Augenzeugen ein großer und imposanter Anblick -- vermochte das erschütterte
sächsische Corps nicht zu widerstehen. Die Sachsen traten in guter Ordnung
ihren Rückzug an, von General Herwarth, der den Angriff bis dahin vor¬
sichtig, methodisch, mit ruhiger Kraft geleitet hatte, ohne Nachdruck verfolgt.
Der sächsische Bericht bestätigt, daß die Geschütze der Cavalleriedivifion Edels-
heim hinreichten, die preußische Verfolgung unmittelbar hinter dem Schlacht¬
feld zum Stillstand zu bringen. Das Lob, welches diesen Batterien gezollt
wird, unterrichtet uns, daß die 1. leichte Cavalleriedivifion wenigstens durch
Geschützfeuer an der Schlacht thätigen Theil genommen hat. Wer die Schil¬
derung des Rückzugs in dem sächsischen Werke liest und sich über die Dis¬
ciplin und feste Haltung der sächsischen Truppen in dem Chaos der Flucht
freut, der wird auch veranlaßt, immer aufs Neue auszusprechen, daß der mi¬
litärische Ertrag des Sieges noch ein ganz anderer hätte sein können, wenn
die Preußen am Abend, der Schlacht nur eine halbe Meile weiter verfolgt
hätten. Wiederholt deutet das der sächsische Bericht an.


erscheint neben den großartigen Kämpfen im Walde von Maslowed und neben
dem verzweifelten Ringen um den Besitz von Roßberitz wie ein blutiges Idyll,
es hat außerdem die merkwürdige Eigenheit, daß es auf dem begränzten
Terrain des linken östreichischen Flügels den strategischen Verlauf der Gesammt-
schlacht in kleinerem Maßstabe fast genau wiederholt. Die Preußen halten
den Kampf in der Front hin und erlangen den Sieg durch Umgehung und
Eindrückung der beiden Flanken ihres Gegners. Die Sachsen lassen sich
durch die frontale Stärke ihrer Stellung und den für Oestreich im Allgemeinen
günstigen Stand des Gefechts um Mittag zu einem Heraustreten aus der
Defensive und zu einem Angriff auf die Preußen in der Front verleiten,
ähnlich wie das 2. und 4. östreichische Armeecorps im Walde von Maslowed.
Und wie die Oestreicher sich durch jene verfehlten Offensivstöße bei Maslowed
die Möglichkeit nehmen, der angreifenden 2. Armee der Preußen rechtzeitig
auf günstigem Terrain starken Widerstand entgegenzusetzen, ebenso verfallen
die Sachsen durch ihre versuchte Offensive zu sehr und zu früh den Folgen
der preußischen Umgehung, die ihnen doch nicht unbekannt gewesen war, für
deren Abwehr sie aber ungenügende Sorge getragen hatten. Die Bataillone
des 8. östreichischen Corps wurden von der preußischen Division Canstein
aus dem Walde von Hradeck gegen die vorgerückten Bataillone der Sachsen
geschleudert und die sächsischen Bataillone von beiden Seiten in der Thal¬
mulde vor Neu-Prim zusammengedrückt. Nur durch schnellen Rückzug und
unter nicht unbedeutenden Verlusten vermochten sich die Sachsen aus dieser
schlimmen Lage zu retten. Noch einmal hielten sie Stand bei Problus, aber
einem zweiten Angriff der Preußen, welche jetzt wie auf dem Exercierplatz
tambour battg.ut in der Front eindrangen, — es war nach dem Bericht von
Augenzeugen ein großer und imposanter Anblick — vermochte das erschütterte
sächsische Corps nicht zu widerstehen. Die Sachsen traten in guter Ordnung
ihren Rückzug an, von General Herwarth, der den Angriff bis dahin vor¬
sichtig, methodisch, mit ruhiger Kraft geleitet hatte, ohne Nachdruck verfolgt.
Der sächsische Bericht bestätigt, daß die Geschütze der Cavalleriedivifion Edels-
heim hinreichten, die preußische Verfolgung unmittelbar hinter dem Schlacht¬
feld zum Stillstand zu bringen. Das Lob, welches diesen Batterien gezollt
wird, unterrichtet uns, daß die 1. leichte Cavalleriedivifion wenigstens durch
Geschützfeuer an der Schlacht thätigen Theil genommen hat. Wer die Schil¬
derung des Rückzugs in dem sächsischen Werke liest und sich über die Dis¬
ciplin und feste Haltung der sächsischen Truppen in dem Chaos der Flucht
freut, der wird auch veranlaßt, immer aufs Neue auszusprechen, daß der mi¬
litärische Ertrag des Sieges noch ein ganz anderer hätte sein können, wenn
die Preußen am Abend, der Schlacht nur eine halbe Meile weiter verfolgt
hätten. Wiederholt deutet das der sächsische Bericht an.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121460"/>
          <p xml:id="ID_791" prev="#ID_790"> erscheint neben den großartigen Kämpfen im Walde von Maslowed und neben<lb/>
dem verzweifelten Ringen um den Besitz von Roßberitz wie ein blutiges Idyll,<lb/>
es hat außerdem die merkwürdige Eigenheit, daß es auf dem begränzten<lb/>
Terrain des linken östreichischen Flügels den strategischen Verlauf der Gesammt-<lb/>
schlacht in kleinerem Maßstabe fast genau wiederholt. Die Preußen halten<lb/>
den Kampf in der Front hin und erlangen den Sieg durch Umgehung und<lb/>
Eindrückung der beiden Flanken ihres Gegners. Die Sachsen lassen sich<lb/>
durch die frontale Stärke ihrer Stellung und den für Oestreich im Allgemeinen<lb/>
günstigen Stand des Gefechts um Mittag zu einem Heraustreten aus der<lb/>
Defensive und zu einem Angriff auf die Preußen in der Front verleiten,<lb/>
ähnlich wie das 2. und 4. östreichische Armeecorps im Walde von Maslowed.<lb/>
Und wie die Oestreicher sich durch jene verfehlten Offensivstöße bei Maslowed<lb/>
die Möglichkeit nehmen, der angreifenden 2. Armee der Preußen rechtzeitig<lb/>
auf günstigem Terrain starken Widerstand entgegenzusetzen, ebenso verfallen<lb/>
die Sachsen durch ihre versuchte Offensive zu sehr und zu früh den Folgen<lb/>
der preußischen Umgehung, die ihnen doch nicht unbekannt gewesen war, für<lb/>
deren Abwehr sie aber ungenügende Sorge getragen hatten. Die Bataillone<lb/>
des 8. östreichischen Corps wurden von der preußischen Division Canstein<lb/>
aus dem Walde von Hradeck gegen die vorgerückten Bataillone der Sachsen<lb/>
geschleudert und die sächsischen Bataillone von beiden Seiten in der Thal¬<lb/>
mulde vor Neu-Prim zusammengedrückt. Nur durch schnellen Rückzug und<lb/>
unter nicht unbedeutenden Verlusten vermochten sich die Sachsen aus dieser<lb/>
schlimmen Lage zu retten. Noch einmal hielten sie Stand bei Problus, aber<lb/>
einem zweiten Angriff der Preußen, welche jetzt wie auf dem Exercierplatz<lb/>
tambour battg.ut in der Front eindrangen, &#x2014; es war nach dem Bericht von<lb/>
Augenzeugen ein großer und imposanter Anblick &#x2014; vermochte das erschütterte<lb/>
sächsische Corps nicht zu widerstehen. Die Sachsen traten in guter Ordnung<lb/>
ihren Rückzug an, von General Herwarth, der den Angriff bis dahin vor¬<lb/>
sichtig, methodisch, mit ruhiger Kraft geleitet hatte, ohne Nachdruck verfolgt.<lb/>
Der sächsische Bericht bestätigt, daß die Geschütze der Cavalleriedivifion Edels-<lb/>
heim hinreichten, die preußische Verfolgung unmittelbar hinter dem Schlacht¬<lb/>
feld zum Stillstand zu bringen. Das Lob, welches diesen Batterien gezollt<lb/>
wird, unterrichtet uns, daß die 1. leichte Cavalleriedivifion wenigstens durch<lb/>
Geschützfeuer an der Schlacht thätigen Theil genommen hat. Wer die Schil¬<lb/>
derung des Rückzugs in dem sächsischen Werke liest und sich über die Dis¬<lb/>
ciplin und feste Haltung der sächsischen Truppen in dem Chaos der Flucht<lb/>
freut, der wird auch veranlaßt, immer aufs Neue auszusprechen, daß der mi¬<lb/>
litärische Ertrag des Sieges noch ein ganz anderer hätte sein können, wenn<lb/>
die Preußen am Abend, der Schlacht nur eine halbe Meile weiter verfolgt<lb/>
hätten. Wiederholt deutet das der sächsische Bericht an.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0239] erscheint neben den großartigen Kämpfen im Walde von Maslowed und neben dem verzweifelten Ringen um den Besitz von Roßberitz wie ein blutiges Idyll, es hat außerdem die merkwürdige Eigenheit, daß es auf dem begränzten Terrain des linken östreichischen Flügels den strategischen Verlauf der Gesammt- schlacht in kleinerem Maßstabe fast genau wiederholt. Die Preußen halten den Kampf in der Front hin und erlangen den Sieg durch Umgehung und Eindrückung der beiden Flanken ihres Gegners. Die Sachsen lassen sich durch die frontale Stärke ihrer Stellung und den für Oestreich im Allgemeinen günstigen Stand des Gefechts um Mittag zu einem Heraustreten aus der Defensive und zu einem Angriff auf die Preußen in der Front verleiten, ähnlich wie das 2. und 4. östreichische Armeecorps im Walde von Maslowed. Und wie die Oestreicher sich durch jene verfehlten Offensivstöße bei Maslowed die Möglichkeit nehmen, der angreifenden 2. Armee der Preußen rechtzeitig auf günstigem Terrain starken Widerstand entgegenzusetzen, ebenso verfallen die Sachsen durch ihre versuchte Offensive zu sehr und zu früh den Folgen der preußischen Umgehung, die ihnen doch nicht unbekannt gewesen war, für deren Abwehr sie aber ungenügende Sorge getragen hatten. Die Bataillone des 8. östreichischen Corps wurden von der preußischen Division Canstein aus dem Walde von Hradeck gegen die vorgerückten Bataillone der Sachsen geschleudert und die sächsischen Bataillone von beiden Seiten in der Thal¬ mulde vor Neu-Prim zusammengedrückt. Nur durch schnellen Rückzug und unter nicht unbedeutenden Verlusten vermochten sich die Sachsen aus dieser schlimmen Lage zu retten. Noch einmal hielten sie Stand bei Problus, aber einem zweiten Angriff der Preußen, welche jetzt wie auf dem Exercierplatz tambour battg.ut in der Front eindrangen, — es war nach dem Bericht von Augenzeugen ein großer und imposanter Anblick — vermochte das erschütterte sächsische Corps nicht zu widerstehen. Die Sachsen traten in guter Ordnung ihren Rückzug an, von General Herwarth, der den Angriff bis dahin vor¬ sichtig, methodisch, mit ruhiger Kraft geleitet hatte, ohne Nachdruck verfolgt. Der sächsische Bericht bestätigt, daß die Geschütze der Cavalleriedivifion Edels- heim hinreichten, die preußische Verfolgung unmittelbar hinter dem Schlacht¬ feld zum Stillstand zu bringen. Das Lob, welches diesen Batterien gezollt wird, unterrichtet uns, daß die 1. leichte Cavalleriedivifion wenigstens durch Geschützfeuer an der Schlacht thätigen Theil genommen hat. Wer die Schil¬ derung des Rückzugs in dem sächsischen Werke liest und sich über die Dis¬ ciplin und feste Haltung der sächsischen Truppen in dem Chaos der Flucht freut, der wird auch veranlaßt, immer aufs Neue auszusprechen, daß der mi¬ litärische Ertrag des Sieges noch ein ganz anderer hätte sein können, wenn die Preußen am Abend, der Schlacht nur eine halbe Meile weiter verfolgt hätten. Wiederholt deutet das der sächsische Bericht an.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/239
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/239>, abgerufen am 24.08.2024.