Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.hundert bei den Idealen Roms und Griechenlands verweilte; es war nicht Eine "Allgemeine Culturgeschichte" muß auf Vollständigkeit in der Anlage hundert bei den Idealen Roms und Griechenlands verweilte; es war nicht Eine „Allgemeine Culturgeschichte" muß auf Vollständigkeit in der Anlage <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121447"/> <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> hundert bei den Idealen Roms und Griechenlands verweilte; es war nicht<lb/> zufällig, daß die germanistischen Studien während der Periode der politischen<lb/> Reaction gediehen, daß die Romanlectüre in der Zeit des politischen Still¬<lb/> stands zunahm, daß der musikalische Dilettantismus in Oesterreich gerade '<lb/> zur Zeit des Metternich'schen Systems zur Blüthe gelangte. Auf solche<lb/> Wechselwirkung der Erscheinungen auf verschiedenen Culturgebieten gilt es<lb/> hinzuweisen, wenn man „Allgemeine Culturgeschichte" schreiben will. Und<lb/> eben durch solche allgemein historische Gesichtspunkte, durch den Hinweis<lb/> auf derartige Zusammenhänge hat sich die allgemein-culturgeschichtliche Be¬<lb/> handlung von der speciellen Bearbeitung der Geschichte der einzelnen Cultur¬<lb/> gebiete zu unterscheiden. So wird z. B. bei einer speciellen Behandlung<lb/> der Literaturgeschichte die ästhetische Beurtheilung der einzelnen Werke eine<lb/> ungleich hervorragendere Rolle zu spielen haben, während eine allgemein-<lb/> culturgeschichtliche Behandlung der Literatur in der Aesthetik nur einen unter¬<lb/> geordneten Maßstab bei der Beurtheilung der Bedeutung einzelner literarischer<lb/> Erscheinungen zu erblicken hat. In einer speciellen Literaturgeschichte werden<lb/> daher etwa Claurens Romane weniger Beachtung verdienen, während die<lb/> große Verbreitung derselben culturhistorisch sehr wichtig ist. Nicht die Ein¬<lb/> zelheiten der naturwissenschaftlichen Forschungen Humboldts, Bonplands,<lb/> Lavoisiers u. A. sind eulturhistorisch wichtig, sondern vielmehr die Anregung,<lb/> welche diese Studien für die geistigen Bestrebungen boten, der Einfluß, den ,,<lb/> sie etwa auf die Veränderung der Schulpläne, der Universitätsprogramme<lb/> übten u. tgi. in.; die einzelnen technischen Erfindungen haben für die Kultur¬<lb/> geschichte vorzugsweise Bedeutung, insofern sie bestimmend auf allgemeine,<lb/> bestehende Zustände einwirkten, etwa die Lage der Fabrikarbeiter umgestal¬<lb/> teten u. tgi. Es gilt, mit einem Worte, bei der Kulturgeschichte mehr auf<lb/> die Energie der einzelnen Erscheinungen, auf ihre Wirkung, auf ihren Zu¬<lb/> sammenhang mit andern Erscheinungen hinzuweisen als ihr eigenes Wesen<lb/> für sich zu ergründen; es gilt die einzelnen Momente der politischen, wirth¬<lb/> schaftlichen, literärischen, wissenschaftlichen u. f. f. Entwickelung allgemein<lb/> historisch zu würdigen, den allseitigen Fortschritt als einen organischen zu<lb/> erkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_755" next="#ID_756"> Eine „Allgemeine Culturgeschichte" muß auf Vollständigkeit in der Anlage<lb/> abzielen. Sie muß ein Ganzes bieten. Der Grundriß zu einem solchen<lb/> Werke muß die Totalität des Stoffes umfassen. Mag auch die Bearbeitung<lb/> einzelner Abschnitte, die weitere Ausführung der Einzelnheiten hier und da<lb/> wegen des Mangels an Vorarbeiten noch nicht möglich sein, so muß doch<lb/> ein Schema sür die Gesammtarbeit entworfen werden, darf kein wesent¬<lb/> liches Gebiet vergessen sein; es muß ein entsprechendes Verhältniß zwischen<lb/> den einzelnen Theilen bestehen; die Reihenfolge der Abschnitte darf nicht eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0226]
hundert bei den Idealen Roms und Griechenlands verweilte; es war nicht
zufällig, daß die germanistischen Studien während der Periode der politischen
Reaction gediehen, daß die Romanlectüre in der Zeit des politischen Still¬
stands zunahm, daß der musikalische Dilettantismus in Oesterreich gerade '
zur Zeit des Metternich'schen Systems zur Blüthe gelangte. Auf solche
Wechselwirkung der Erscheinungen auf verschiedenen Culturgebieten gilt es
hinzuweisen, wenn man „Allgemeine Culturgeschichte" schreiben will. Und
eben durch solche allgemein historische Gesichtspunkte, durch den Hinweis
auf derartige Zusammenhänge hat sich die allgemein-culturgeschichtliche Be¬
handlung von der speciellen Bearbeitung der Geschichte der einzelnen Cultur¬
gebiete zu unterscheiden. So wird z. B. bei einer speciellen Behandlung
der Literaturgeschichte die ästhetische Beurtheilung der einzelnen Werke eine
ungleich hervorragendere Rolle zu spielen haben, während eine allgemein-
culturgeschichtliche Behandlung der Literatur in der Aesthetik nur einen unter¬
geordneten Maßstab bei der Beurtheilung der Bedeutung einzelner literarischer
Erscheinungen zu erblicken hat. In einer speciellen Literaturgeschichte werden
daher etwa Claurens Romane weniger Beachtung verdienen, während die
große Verbreitung derselben culturhistorisch sehr wichtig ist. Nicht die Ein¬
zelheiten der naturwissenschaftlichen Forschungen Humboldts, Bonplands,
Lavoisiers u. A. sind eulturhistorisch wichtig, sondern vielmehr die Anregung,
welche diese Studien für die geistigen Bestrebungen boten, der Einfluß, den ,,
sie etwa auf die Veränderung der Schulpläne, der Universitätsprogramme
übten u. tgi. in.; die einzelnen technischen Erfindungen haben für die Kultur¬
geschichte vorzugsweise Bedeutung, insofern sie bestimmend auf allgemeine,
bestehende Zustände einwirkten, etwa die Lage der Fabrikarbeiter umgestal¬
teten u. tgi. Es gilt, mit einem Worte, bei der Kulturgeschichte mehr auf
die Energie der einzelnen Erscheinungen, auf ihre Wirkung, auf ihren Zu¬
sammenhang mit andern Erscheinungen hinzuweisen als ihr eigenes Wesen
für sich zu ergründen; es gilt die einzelnen Momente der politischen, wirth¬
schaftlichen, literärischen, wissenschaftlichen u. f. f. Entwickelung allgemein
historisch zu würdigen, den allseitigen Fortschritt als einen organischen zu
erkennen.
Eine „Allgemeine Culturgeschichte" muß auf Vollständigkeit in der Anlage
abzielen. Sie muß ein Ganzes bieten. Der Grundriß zu einem solchen
Werke muß die Totalität des Stoffes umfassen. Mag auch die Bearbeitung
einzelner Abschnitte, die weitere Ausführung der Einzelnheiten hier und da
wegen des Mangels an Vorarbeiten noch nicht möglich sein, so muß doch
ein Schema sür die Gesammtarbeit entworfen werden, darf kein wesent¬
liches Gebiet vergessen sein; es muß ein entsprechendes Verhältniß zwischen
den einzelnen Theilen bestehen; die Reihenfolge der Abschnitte darf nicht eine
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