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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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das einmal begonnene Werk muthig durchgeführt, und heute sind alle jene
Bedenken, die sich ihm während seiner langen Bauperiode in den Weg warfen,
so gut wie verstummt.




Correspondenz

Die viel besprochene und wiederholt aufgeschobene Reise des Königs
durch die Provinz Hannover ist endlich Thatsache geworden und mit inniger
Freude sehen die Einen, mit stillem Grolle die Anderen den für alle Theile
gleich unerwarteten Resultaten dieser Reise nach.

Wir hatten von der vorigjährigen Anwesenheit des Königs in Hannover
nicht den Eindruck gewinnen können, daß es rathsam sei, den Besuch schon
jetzt zu wiederholen. Als aber die Reise durch das Unwohlsein des Königs
hinausgeschoben wurde und dann plötzlich überall von welfischen Agitatoren
ausgesprengt wurde, das Unwohlsein des Königs sei nur fingirt und in
Wahrheit habe die durch die Wahl Ewalds documentirte Gesinnung von der
Reise zurückgeschreckt, da fühlten wir, daß die Reise eine politische Noth¬
wendigkeit geworden sei. Hatte doch die "Hannöversche Landeszeitung" für
passend gehalten, den Besuch des Königs freudig als eine Gelegenheit zu be-
grüßen, Sr. Majestät den Schmerzensschrei Hannovers laut haltend in die
Ohren zu rufen und zu zeigen, wie die Anhänglichkeit der Hannoveraner an
ihre frühere Dynastie ungetrübt fortlebe!

Der Sieg bei der Wahl Ewalds hatte die welfische Partei so übermüthig
gemacht, daß sie sich selbst einredete, eine Macht zu sein, und daß manche
auch sonst ruhige Leute in Gefahr gertethen, das, was ihnen stets vorgesprochen
wurde, zu glauben. Dem gegenüber war eine Lebensäußerung der natio¬
nalen Partei dringend geboten und keine Gelegenheit konnte dazu erwünschter
sein, als die, welche der Besuch des Königs bot. Es wurde zur Ehren¬
pflicht, an dem Empfange Theil zu nehmen, der nicht dem Könige von
Gottes Gnaden, nicht dem Landesherrn, von dessen Huld man Gnaden¬
bezeugungen erhoffte, der dem Sieger von 1866, dem Gründer des neuen
Deutschland galt.

Allgemein regte sich deshalb der Wunsch, die Reise des Königs zur bal-
digen Ausführung gebracht zu sehen und von den verschiedensten Städten und
Corporationen wurden einladende Deputationen nach Berlin gesandt. Zu¬
gleich bildeten sich Comite's, um dem Könige einen würdigen Empfang zu
bereiten.

Als endlich die Reise zur Gewißheit wurde, erfüllte eine gewisse Span-


das einmal begonnene Werk muthig durchgeführt, und heute sind alle jene
Bedenken, die sich ihm während seiner langen Bauperiode in den Weg warfen,
so gut wie verstummt.




Correspondenz

Die viel besprochene und wiederholt aufgeschobene Reise des Königs
durch die Provinz Hannover ist endlich Thatsache geworden und mit inniger
Freude sehen die Einen, mit stillem Grolle die Anderen den für alle Theile
gleich unerwarteten Resultaten dieser Reise nach.

Wir hatten von der vorigjährigen Anwesenheit des Königs in Hannover
nicht den Eindruck gewinnen können, daß es rathsam sei, den Besuch schon
jetzt zu wiederholen. Als aber die Reise durch das Unwohlsein des Königs
hinausgeschoben wurde und dann plötzlich überall von welfischen Agitatoren
ausgesprengt wurde, das Unwohlsein des Königs sei nur fingirt und in
Wahrheit habe die durch die Wahl Ewalds documentirte Gesinnung von der
Reise zurückgeschreckt, da fühlten wir, daß die Reise eine politische Noth¬
wendigkeit geworden sei. Hatte doch die „Hannöversche Landeszeitung" für
passend gehalten, den Besuch des Königs freudig als eine Gelegenheit zu be-
grüßen, Sr. Majestät den Schmerzensschrei Hannovers laut haltend in die
Ohren zu rufen und zu zeigen, wie die Anhänglichkeit der Hannoveraner an
ihre frühere Dynastie ungetrübt fortlebe!

Der Sieg bei der Wahl Ewalds hatte die welfische Partei so übermüthig
gemacht, daß sie sich selbst einredete, eine Macht zu sein, und daß manche
auch sonst ruhige Leute in Gefahr gertethen, das, was ihnen stets vorgesprochen
wurde, zu glauben. Dem gegenüber war eine Lebensäußerung der natio¬
nalen Partei dringend geboten und keine Gelegenheit konnte dazu erwünschter
sein, als die, welche der Besuch des Königs bot. Es wurde zur Ehren¬
pflicht, an dem Empfange Theil zu nehmen, der nicht dem Könige von
Gottes Gnaden, nicht dem Landesherrn, von dessen Huld man Gnaden¬
bezeugungen erhoffte, der dem Sieger von 1866, dem Gründer des neuen
Deutschland galt.

Allgemein regte sich deshalb der Wunsch, die Reise des Königs zur bal-
digen Ausführung gebracht zu sehen und von den verschiedensten Städten und
Corporationen wurden einladende Deputationen nach Berlin gesandt. Zu¬
gleich bildeten sich Comite's, um dem Könige einen würdigen Empfang zu
bereiten.

Als endlich die Reise zur Gewißheit wurde, erfüllte eine gewisse Span-


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[0021] das einmal begonnene Werk muthig durchgeführt, und heute sind alle jene Bedenken, die sich ihm während seiner langen Bauperiode in den Weg warfen, so gut wie verstummt. Correspondenz Die viel besprochene und wiederholt aufgeschobene Reise des Königs durch die Provinz Hannover ist endlich Thatsache geworden und mit inniger Freude sehen die Einen, mit stillem Grolle die Anderen den für alle Theile gleich unerwarteten Resultaten dieser Reise nach. Wir hatten von der vorigjährigen Anwesenheit des Königs in Hannover nicht den Eindruck gewinnen können, daß es rathsam sei, den Besuch schon jetzt zu wiederholen. Als aber die Reise durch das Unwohlsein des Königs hinausgeschoben wurde und dann plötzlich überall von welfischen Agitatoren ausgesprengt wurde, das Unwohlsein des Königs sei nur fingirt und in Wahrheit habe die durch die Wahl Ewalds documentirte Gesinnung von der Reise zurückgeschreckt, da fühlten wir, daß die Reise eine politische Noth¬ wendigkeit geworden sei. Hatte doch die „Hannöversche Landeszeitung" für passend gehalten, den Besuch des Königs freudig als eine Gelegenheit zu be- grüßen, Sr. Majestät den Schmerzensschrei Hannovers laut haltend in die Ohren zu rufen und zu zeigen, wie die Anhänglichkeit der Hannoveraner an ihre frühere Dynastie ungetrübt fortlebe! Der Sieg bei der Wahl Ewalds hatte die welfische Partei so übermüthig gemacht, daß sie sich selbst einredete, eine Macht zu sein, und daß manche auch sonst ruhige Leute in Gefahr gertethen, das, was ihnen stets vorgesprochen wurde, zu glauben. Dem gegenüber war eine Lebensäußerung der natio¬ nalen Partei dringend geboten und keine Gelegenheit konnte dazu erwünschter sein, als die, welche der Besuch des Königs bot. Es wurde zur Ehren¬ pflicht, an dem Empfange Theil zu nehmen, der nicht dem Könige von Gottes Gnaden, nicht dem Landesherrn, von dessen Huld man Gnaden¬ bezeugungen erhoffte, der dem Sieger von 1866, dem Gründer des neuen Deutschland galt. Allgemein regte sich deshalb der Wunsch, die Reise des Königs zur bal- digen Ausführung gebracht zu sehen und von den verschiedensten Städten und Corporationen wurden einladende Deputationen nach Berlin gesandt. Zu¬ gleich bildeten sich Comite's, um dem Könige einen würdigen Empfang zu bereiten. Als endlich die Reise zur Gewißheit wurde, erfüllte eine gewisse Span-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/21>, abgerufen am 22.07.2024.