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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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"Ich denke, ich lasse mich hier zum Senator wählen", hat Graf Bismarck
zu seinem Wirthe, dem Reichstagsmitglied H. H. Meier gesagt. Der gute
Geschmack, der in den Empfangsanstalten hervortrat, in der von ihrem Er¬
bauer Heinrich Müller glänzend decorirten neuen Börse, wie in dem statt¬
lichen Triumphbogen am Heerdenthor. wurde nicht minder anerkannt. Wenn
die Künste in dieser arbeitsamen Handelsstadt auch wenig mitzusprechen
haben, so sind sie doch durch würdige und leistungsfähige Kräfte repräsen¬
tier. Aus der abendlichen Illumination ragte das Haus hervor, in welchem
Graf Bismarck wohnte: es zeigte in Flammenpracht die Krone Kaiser Karls
des Großen. Unter ihr war es, daß der Bundeskanzler, um der unablässig
rufenden Menge zu genügen, gegen Mitternacht auf den Altan heraustrat,
und für die ihm zu Theil werdenden Huldigungen dankte.

Der Zukunftsgedanke, welcher in der flammenden Kaiserkrone lag,
braucht den Bremern nicht erst empfohlen zu werden. Sie wünschen sich
nichts besseres, als daß das "Haupt der Nation", wie ihr prästdirender
Bürgermeister den König in feierlicher Rede nannte, sich bald die Krone
aufsetzen könne, welche die allgemeine Anerkennung dieser seiner Würde be¬
deuten würde. Sie sind auch bereit, "dem Kaiser zu geben was des Kaisers
ist", der nationalen Centralisation zu opfern was' nöthig befunden wird.
Dahin rechnen zwar Einige von ihnen auch, was Andere lieber vorbehalten
möchten; z. B. die Rechtspflege. Aber in der Hauptsache sind sie Alle einig,
-- sowohl darin, daß die Einheit nach außen hin aller inneren Selbständig¬
keit vorgeht, wie darin daß die eigentlich communalen Angelegenheiten
sammt Kirchen- und Schulwesen nicht von Berlin her geleitet werden sollen.
Umgekehrt, sehen sie es als die zeitgenössische Aufgabe der Hansestädte an,
durch ihr Beispiel und ihr entschlossenes, wohlüberlegtes Zuthun dazu mit¬
zuwirken , daß ihre eigene städtische Freiheit mit der Zeit in Deutschland
allgemein werde.

Jede der bedeutenderen Städte, welche der König diesmal zuerst besucht
hat, Bremen, Emden und Osnabrück, ist überzeugt, so scheint es, daß es in
ihren Mauern am herzlichsten und begeistertsten zugegangen sei. Nichts kann
beredter dasür sprechen, wie echt allenthalben die entgegenkommende Stim¬
mung war.

Andere Gedanken standen im Vordergrunde, als der königliche Besuch das
Meer berührte, in Bremerhaven und Heppens. Der heitere Schmuck der
Flaggen und Wimpel, der Bremerhaven neben einer jubelnden Menge belebte,
lud gewissermaßen ein, sich getrost aufs Meer hinauszuwagen. Das geschah nun
zwar nicht buchstäblich; der König scheint das moderne Motto der Hohen-
zollern "Vom Fels zum Meer" für seine Person mit der ihm zustehenden
Freiheit fast so auszulegen, wie einst die Niederländer das völkerrechtliche


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„Ich denke, ich lasse mich hier zum Senator wählen", hat Graf Bismarck
zu seinem Wirthe, dem Reichstagsmitglied H. H. Meier gesagt. Der gute
Geschmack, der in den Empfangsanstalten hervortrat, in der von ihrem Er¬
bauer Heinrich Müller glänzend decorirten neuen Börse, wie in dem statt¬
lichen Triumphbogen am Heerdenthor. wurde nicht minder anerkannt. Wenn
die Künste in dieser arbeitsamen Handelsstadt auch wenig mitzusprechen
haben, so sind sie doch durch würdige und leistungsfähige Kräfte repräsen¬
tier. Aus der abendlichen Illumination ragte das Haus hervor, in welchem
Graf Bismarck wohnte: es zeigte in Flammenpracht die Krone Kaiser Karls
des Großen. Unter ihr war es, daß der Bundeskanzler, um der unablässig
rufenden Menge zu genügen, gegen Mitternacht auf den Altan heraustrat,
und für die ihm zu Theil werdenden Huldigungen dankte.

Der Zukunftsgedanke, welcher in der flammenden Kaiserkrone lag,
braucht den Bremern nicht erst empfohlen zu werden. Sie wünschen sich
nichts besseres, als daß das „Haupt der Nation", wie ihr prästdirender
Bürgermeister den König in feierlicher Rede nannte, sich bald die Krone
aufsetzen könne, welche die allgemeine Anerkennung dieser seiner Würde be¬
deuten würde. Sie sind auch bereit, „dem Kaiser zu geben was des Kaisers
ist", der nationalen Centralisation zu opfern was' nöthig befunden wird.
Dahin rechnen zwar Einige von ihnen auch, was Andere lieber vorbehalten
möchten; z. B. die Rechtspflege. Aber in der Hauptsache sind sie Alle einig,
— sowohl darin, daß die Einheit nach außen hin aller inneren Selbständig¬
keit vorgeht, wie darin daß die eigentlich communalen Angelegenheiten
sammt Kirchen- und Schulwesen nicht von Berlin her geleitet werden sollen.
Umgekehrt, sehen sie es als die zeitgenössische Aufgabe der Hansestädte an,
durch ihr Beispiel und ihr entschlossenes, wohlüberlegtes Zuthun dazu mit¬
zuwirken , daß ihre eigene städtische Freiheit mit der Zeit in Deutschland
allgemein werde.

Jede der bedeutenderen Städte, welche der König diesmal zuerst besucht
hat, Bremen, Emden und Osnabrück, ist überzeugt, so scheint es, daß es in
ihren Mauern am herzlichsten und begeistertsten zugegangen sei. Nichts kann
beredter dasür sprechen, wie echt allenthalben die entgegenkommende Stim¬
mung war.

Andere Gedanken standen im Vordergrunde, als der königliche Besuch das
Meer berührte, in Bremerhaven und Heppens. Der heitere Schmuck der
Flaggen und Wimpel, der Bremerhaven neben einer jubelnden Menge belebte,
lud gewissermaßen ein, sich getrost aufs Meer hinauszuwagen. Das geschah nun
zwar nicht buchstäblich; der König scheint das moderne Motto der Hohen-
zollern „Vom Fels zum Meer" für seine Person mit der ihm zustehenden
Freiheit fast so auszulegen, wie einst die Niederländer das völkerrechtliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/19>, abgerufen am 25.08.2024.