Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.wird, die Hinrichtung desselben vollziehen zu lassen. Es folgen ferner Zu dem abendländischen Theater zurückkehrend zeichnet Herr Royer mit wird, die Hinrichtung desselben vollziehen zu lassen. Es folgen ferner Zu dem abendländischen Theater zurückkehrend zeichnet Herr Royer mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0166" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121387"/> <p xml:id="ID_517" prev="#ID_516"> wird, die Hinrichtung desselben vollziehen zu lassen. Es folgen ferner<lb/> Märtyrergeschichten wie der Tod Alis, der Tod Moslems und seiner Söhne,<lb/> endlich „das Haupt des Imaus Hussein", in welchem Stücke Adam, Abraham,<lb/> Christus, Moses. Muhamed, Eva und die Jungfrau Maria auftreten. Diese<lb/> alle nämlich kommen, um dem abgeschnittenen Haupte jenes Märtyrers ihre<lb/> Trauer zu bezeugen, das seinerseits ihnen in frommer Rede antwortet. Die<lb/> Scene ist in einem Kloster, wo das Haupt einstweilen niedergelegt worden;<lb/> der Prior desselben, geblendet von all den wunderbaren Prophetenvisionen,<lb/> die sich seinen Augen darbieten, tritt am Schlüsse des Stücks zum Islam<lb/> über. In der Würde und Feinheit des Gefühlsausdrucks zeigen diese Dramen,<lb/> für deren geschmackvolle Analysen wir Herrn Royer besonders dankbar sind,<lb/> ebensowohl eine Verwandtschaft mit der antiken Tragödie, wie in ihrer Ten¬<lb/> denz andererseits mit den mittelalterlichen Mysterien.</p><lb/> <p xml:id="ID_518" next="#ID_519"> Zu dem abendländischen Theater zurückkehrend zeichnet Herr Royer mit<lb/> vieler Klarheit den Uebergang aus der Periode des Glaubens in die des<lb/> Zweifels und der kirchlichen Opposition, wie er sich auf diesem Gebiete dar.<lb/> stellt. Einen wärmeren Antheil vermag er freilich als guter Katholik, dem<lb/> die Greuel der Bartholomäusnacht durch den Scheiterhaufen Servets wett<lb/> gemacht erscheinen, an den revolutionären Leistungen nicht zu nehmen, doch<lb/> hat er den Inhalt des „kranken Papstes" von Theodor Beza, (eines Stückes,<lb/> das trotz der Bekanntheit seines Titels bei der Seltenheit des Buches nur<lb/> sehr Wenigen zu Gesicht gekommen ist) durch gute Reproduktion wieder in<lb/> Erinnerung gebracht. Hier sängt nun die deutsche Literatur an, sich in<lb/> deutlicheren Umrissen zu zeigen und wird im folgenden Bande bis zum Ende<lb/> des 16. Jahrhunderts (den Schluß bildet eine Scene aus der „Susanne"<lb/> Herzog Heinrichs von Braunschweig) fortgeführt. Sie ist meist nach Kurz<lb/> dargestellt. Bei Gelegenheit des Hans Sachs, dessen Charakteristik er seinen<lb/> Landsleuten sehr mit Recht im Anschlusse an das goethesche Gedicht gibt,<lb/> rügt er nachdrücklich, daß sich kein Exemplar der Originalausgabe seiner<lb/> Werke auf der Pariser Bibliothek befinde. — Auslassungen wären öfter an¬<lb/> zumerken; eine gewisse Unsicherheit zeigt sich namentlich in den Streiflichtern,<lb/> die gelegentlich auf die späteren Epochen fallen. So sollte z. B. einem<lb/> Literaturhistoriker von Goethes Studium der alten deutschen Volksbücher<lb/> aus Wahrheit und Dichtung so viel bekannt sein, daß er nicht behaupten<lb/> dürfte, unser Dichter habe gewähnt, das Liebesverhältniß des Faust zur<lb/> Helena zuerst erfunden zu haben. — Volle Gerechtigkeit spendet Royer uns<lb/> Deutschen für das Verdienst, Shakspeare zuerst wieder zu Ehren gebracht<lb/> zu haben. Auch mit der blinden Shakspearemanie, die er uns in der Folge<lb/> vorwirft, hat er leider im Allgemeinen nicht unrecht, was unsere neueste<lb/> Geschichte des Dramas zur Genüge beweist; wenn er aber behauptet, Frank-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0166]
wird, die Hinrichtung desselben vollziehen zu lassen. Es folgen ferner
Märtyrergeschichten wie der Tod Alis, der Tod Moslems und seiner Söhne,
endlich „das Haupt des Imaus Hussein", in welchem Stücke Adam, Abraham,
Christus, Moses. Muhamed, Eva und die Jungfrau Maria auftreten. Diese
alle nämlich kommen, um dem abgeschnittenen Haupte jenes Märtyrers ihre
Trauer zu bezeugen, das seinerseits ihnen in frommer Rede antwortet. Die
Scene ist in einem Kloster, wo das Haupt einstweilen niedergelegt worden;
der Prior desselben, geblendet von all den wunderbaren Prophetenvisionen,
die sich seinen Augen darbieten, tritt am Schlüsse des Stücks zum Islam
über. In der Würde und Feinheit des Gefühlsausdrucks zeigen diese Dramen,
für deren geschmackvolle Analysen wir Herrn Royer besonders dankbar sind,
ebensowohl eine Verwandtschaft mit der antiken Tragödie, wie in ihrer Ten¬
denz andererseits mit den mittelalterlichen Mysterien.
Zu dem abendländischen Theater zurückkehrend zeichnet Herr Royer mit
vieler Klarheit den Uebergang aus der Periode des Glaubens in die des
Zweifels und der kirchlichen Opposition, wie er sich auf diesem Gebiete dar.
stellt. Einen wärmeren Antheil vermag er freilich als guter Katholik, dem
die Greuel der Bartholomäusnacht durch den Scheiterhaufen Servets wett
gemacht erscheinen, an den revolutionären Leistungen nicht zu nehmen, doch
hat er den Inhalt des „kranken Papstes" von Theodor Beza, (eines Stückes,
das trotz der Bekanntheit seines Titels bei der Seltenheit des Buches nur
sehr Wenigen zu Gesicht gekommen ist) durch gute Reproduktion wieder in
Erinnerung gebracht. Hier sängt nun die deutsche Literatur an, sich in
deutlicheren Umrissen zu zeigen und wird im folgenden Bande bis zum Ende
des 16. Jahrhunderts (den Schluß bildet eine Scene aus der „Susanne"
Herzog Heinrichs von Braunschweig) fortgeführt. Sie ist meist nach Kurz
dargestellt. Bei Gelegenheit des Hans Sachs, dessen Charakteristik er seinen
Landsleuten sehr mit Recht im Anschlusse an das goethesche Gedicht gibt,
rügt er nachdrücklich, daß sich kein Exemplar der Originalausgabe seiner
Werke auf der Pariser Bibliothek befinde. — Auslassungen wären öfter an¬
zumerken; eine gewisse Unsicherheit zeigt sich namentlich in den Streiflichtern,
die gelegentlich auf die späteren Epochen fallen. So sollte z. B. einem
Literaturhistoriker von Goethes Studium der alten deutschen Volksbücher
aus Wahrheit und Dichtung so viel bekannt sein, daß er nicht behaupten
dürfte, unser Dichter habe gewähnt, das Liebesverhältniß des Faust zur
Helena zuerst erfunden zu haben. — Volle Gerechtigkeit spendet Royer uns
Deutschen für das Verdienst, Shakspeare zuerst wieder zu Ehren gebracht
zu haben. Auch mit der blinden Shakspearemanie, die er uns in der Folge
vorwirft, hat er leider im Allgemeinen nicht unrecht, was unsere neueste
Geschichte des Dramas zur Genüge beweist; wenn er aber behauptet, Frank-
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