Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.der Folge rächt; ohne Kritik kann nun einmal auch eine Literaturgeschichte Indeß wir sind in Hinsicht auf fremde literaturgeschichtliche Werke doch Herr Royer glaubt an den edlen und hohen Beruf der Schaubühne der Folge rächt; ohne Kritik kann nun einmal auch eine Literaturgeschichte Indeß wir sind in Hinsicht auf fremde literaturgeschichtliche Werke doch Herr Royer glaubt an den edlen und hohen Beruf der Schaubühne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121383"/> <p xml:id="ID_505" prev="#ID_504"> der Folge rächt; ohne Kritik kann nun einmal auch eine Literaturgeschichte<lb/> nicht bestehen, und gerade an Stellen, wo ein auf festen Principien ruhen¬<lb/> des, tief eingehendes ästhetisches Urtheil unumgänglich war, sieht sich der Ver¬<lb/> fasser meist von dem seinigen verlassen und genöthigt, auf die Aussprüche an¬<lb/> derer französischer Autoritäten, wie Guizot, PH. Chasles u. A. hinzuweisen,<lb/> die freilich für den deutschen Forscher nicht immer als vollwichtig zu gelten<lb/> vermögen.</p><lb/> <p xml:id="ID_506"> Indeß wir sind in Hinsicht auf fremde literaturgeschichtliche Werke doch<lb/> in unseren Ansprüchen oft übermäßig heilet. Ich erinnere nur daran, wie<lb/> wenig sich z. B. das große Werk Mures über altgriechische Literatur trotz<lb/> Welckers gewichtiger Empfehlung bei uns Anerkennung verschafft; wir soll¬<lb/> ten aber bei jenem Buche, und so auch hier berücksichtigen, wie viel der<lb/> Verfasser für seine Landsleute geleistet, und werden dabei bald inne werden,<lb/> wie viel der von dem unsrigen so verschiedenartige Gesichtspunkt des fremden<lb/> Forschers auch für uns Beachtenswerthes und Belehrendes in sich schließt;<lb/> und da wir in unseren dramatischen Theorien nur zu oft die Rücksicht auf<lb/> das samisch Wirksame vernachlässigen, so muß es uns von besonderer Wich¬<lb/> tigkeit sein, die Ansichten eines der erfahrensten französischen Bühnentechniker<lb/> kennen zu lernen. Das ist Herr Royer; was ihn aber vor seinen Lands¬<lb/> leuten noch vortheilhaft auszeichnet, ist sein Bestreben, den absoluten Werth<lb/> ausländischer dramatischer Production zu erkennen und zur Geltung zu<lb/> bringen, ein Bestreben, das er seit Jahren durch die That bewährt hat. Als<lb/> früherer Director des Ooeontheaters ist er es namentlich gewesen, der fremde,<lb/> auch deutsche Dramen dem Pariser Repertoire einzuverleiben suchte. Und<lb/> wenn er sein Publicum so gut kannte, daß er ihm immer nur die wirksamsten<lb/> Bearbeitungen darbot und späterhin, zum Director der großen Oper berufen,<lb/> auch dieser die ergiebigsten Einnahmen zu eröffnen verstand, so bleibt es doch<lb/> ein ehrendes Zeugniß sür ihn, daß er bei alledem den Sinn für das Aechte<lb/> und Höchste in der dramatischen Kunst sich gewahrt und im vorliegenden<lb/> Buch ausdrücklich den Zweck verfolgt, die dramatischen Schöpfungen des Aus¬<lb/> landes von allen verstümmelnden und verunstaltenden Bearbeitungen zu eman-<lb/> cipiren und jedes werthvolle Werk in seiner Integrität genießbar zu machen.<lb/> Hier reicht ihm der Deutsche die Hand: das sind die Wege Lessings und<lb/> Schröters, auf denen auch unser jüngster Dramaturg Lorbeeren gepflückt,<lb/> die uns in seinem Werke über das Hofburgtheater zu dauerndem Nutzen<lb/> aufbewahrt bleiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_507" next="#ID_508"> Herr Royer glaubt an den edlen und hohen Beruf der Schaubühne<lb/> und sucht überall nachzuweisen, wie eine Verachtung und Verdammung der¬<lb/> selben immer nur aus einem zeitweiligen Verfall des Dramas sich erzeugen<lb/> konnte. Darum ist er sich auch bewußt und bekennt es mit einer musterhaften</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0162]
der Folge rächt; ohne Kritik kann nun einmal auch eine Literaturgeschichte
nicht bestehen, und gerade an Stellen, wo ein auf festen Principien ruhen¬
des, tief eingehendes ästhetisches Urtheil unumgänglich war, sieht sich der Ver¬
fasser meist von dem seinigen verlassen und genöthigt, auf die Aussprüche an¬
derer französischer Autoritäten, wie Guizot, PH. Chasles u. A. hinzuweisen,
die freilich für den deutschen Forscher nicht immer als vollwichtig zu gelten
vermögen.
Indeß wir sind in Hinsicht auf fremde literaturgeschichtliche Werke doch
in unseren Ansprüchen oft übermäßig heilet. Ich erinnere nur daran, wie
wenig sich z. B. das große Werk Mures über altgriechische Literatur trotz
Welckers gewichtiger Empfehlung bei uns Anerkennung verschafft; wir soll¬
ten aber bei jenem Buche, und so auch hier berücksichtigen, wie viel der
Verfasser für seine Landsleute geleistet, und werden dabei bald inne werden,
wie viel der von dem unsrigen so verschiedenartige Gesichtspunkt des fremden
Forschers auch für uns Beachtenswerthes und Belehrendes in sich schließt;
und da wir in unseren dramatischen Theorien nur zu oft die Rücksicht auf
das samisch Wirksame vernachlässigen, so muß es uns von besonderer Wich¬
tigkeit sein, die Ansichten eines der erfahrensten französischen Bühnentechniker
kennen zu lernen. Das ist Herr Royer; was ihn aber vor seinen Lands¬
leuten noch vortheilhaft auszeichnet, ist sein Bestreben, den absoluten Werth
ausländischer dramatischer Production zu erkennen und zur Geltung zu
bringen, ein Bestreben, das er seit Jahren durch die That bewährt hat. Als
früherer Director des Ooeontheaters ist er es namentlich gewesen, der fremde,
auch deutsche Dramen dem Pariser Repertoire einzuverleiben suchte. Und
wenn er sein Publicum so gut kannte, daß er ihm immer nur die wirksamsten
Bearbeitungen darbot und späterhin, zum Director der großen Oper berufen,
auch dieser die ergiebigsten Einnahmen zu eröffnen verstand, so bleibt es doch
ein ehrendes Zeugniß sür ihn, daß er bei alledem den Sinn für das Aechte
und Höchste in der dramatischen Kunst sich gewahrt und im vorliegenden
Buch ausdrücklich den Zweck verfolgt, die dramatischen Schöpfungen des Aus¬
landes von allen verstümmelnden und verunstaltenden Bearbeitungen zu eman-
cipiren und jedes werthvolle Werk in seiner Integrität genießbar zu machen.
Hier reicht ihm der Deutsche die Hand: das sind die Wege Lessings und
Schröters, auf denen auch unser jüngster Dramaturg Lorbeeren gepflückt,
die uns in seinem Werke über das Hofburgtheater zu dauerndem Nutzen
aufbewahrt bleiben.
Herr Royer glaubt an den edlen und hohen Beruf der Schaubühne
und sucht überall nachzuweisen, wie eine Verachtung und Verdammung der¬
selben immer nur aus einem zeitweiligen Verfall des Dramas sich erzeugen
konnte. Darum ist er sich auch bewußt und bekennt es mit einer musterhaften
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