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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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auf einem Fünftel ihrer urbaren Felder Zuckerrohr zu pflanzen und gegen
äußerst geringen Preis an die europäischen oder chinesischen Inhaber der
örtlichen Zuckermühlen zu liefern. Der Zuckermüller ist dagegen verpflichtet,
der Regierung wieder zu geringem Preise sein Fabrikat zu verkaufen, wobei
ihm jedoch immer noch ein beträchtlicher Gewinn bleibt. Der Lohn, den die
Bevölkerung bezieht, beläuft sich dagegen durchschnittlich auf einige wenige
Gulden für das ganze Jahr.

Die Bearbeitung des Kaffee's geschieht nicht wie beim Zucker im Großen,
sondern sie ist einfacher und wird von den Eingebornen selbst betrieben. Das
Product muß. sowie es in Europa an den Markt gebracht wird, an die Re¬
gierungsmagazine abgeliefert werden. Für das Picul Kaffee wird ein Preis
von 3 bis 10 Gulden gezahlt, während der Werth 40 bis SO Gulden be¬
trägt. Auf diese Weise erhält eine Familie von fünf Personen, die beim
Zuckerbau beschäftigt ist, jährlich zwischen 2^y und 15 Gulden für hundert¬
tägige Arbeit. Dafür muß nicht allein gesät, geerntet und das Product
zubereitet, sondern auch die Plantage von Unkraut gereinigt werden, was bei
dem tropischen Klima die Hauptarbeit bildet. Da der Kasseebaum nur in
einem Alter von 6 bis 16 Jahren trägt, muß ferner immer für jungen An¬
wuchs gesorgt werden. Nach dem Gesetz soll der Bevölkerung der Markt¬
preis nach Abzug von zwei Fünfteln für Landrente und 3 Gulden Trans¬
portkosten nach den Hafenplätzen, vergütet werden, was bei dem niedrigen
Preise von 35 Gulden das Picul etwa 18 Gulden ausmachte. Demnach ver¬
dient die Regierung schon gesetzlich 10 Gulden an jedem Picul und bei einer
jährlichen durchschnittlichen Ernte von 800.000 Picul 8 Millionen Gulden. --
Daß die Bevölkerung Java's nicht freiwillig für so geringen Lohn arbeitet,
und daß sie durch den angewandten harten Zwang demoralisirt wird, ver¬
steht sich von selbst.

Bekanntlich steht an der Spitze der ostindischen Regierung der General¬
gouvemeur mit viceköniglicher Gewalt. Unter ihm werden die 21 Provinzen
(Residentien) Java's durch Residenten mit Assistenzresidenten und Controleuren
verwaltet. Diese europäischen Beamten besorgen außer der Administration
auch den größten Theil der Justiz. Jede Provinz ist in Regentschaften ein¬
getheilt, an deren Spitze der inländische Regent mit ihm untergebenen
Districts- und Dessa-Häuptlingen steht. Um die Bevölkerung zur Lieferung
der Producte zwingen zu können, mußte, die Regierung alle Beamten und
hauptsächlich die Inländer (d. h. die Javanen) in ihrer Hand haben. Dazu
hat sie folgende Mittel angewandt, durch ' welche das Interesse dieser Be¬
amten mit dem der Negierung eng verbunden wurde: den Inländern unter
den Beamten überwies die Regierung bald die Steuer einer gewissen
Länderstrecke zur Belohnung, bald überließ sie ihnen so wie den Europäern


auf einem Fünftel ihrer urbaren Felder Zuckerrohr zu pflanzen und gegen
äußerst geringen Preis an die europäischen oder chinesischen Inhaber der
örtlichen Zuckermühlen zu liefern. Der Zuckermüller ist dagegen verpflichtet,
der Regierung wieder zu geringem Preise sein Fabrikat zu verkaufen, wobei
ihm jedoch immer noch ein beträchtlicher Gewinn bleibt. Der Lohn, den die
Bevölkerung bezieht, beläuft sich dagegen durchschnittlich auf einige wenige
Gulden für das ganze Jahr.

Die Bearbeitung des Kaffee's geschieht nicht wie beim Zucker im Großen,
sondern sie ist einfacher und wird von den Eingebornen selbst betrieben. Das
Product muß. sowie es in Europa an den Markt gebracht wird, an die Re¬
gierungsmagazine abgeliefert werden. Für das Picul Kaffee wird ein Preis
von 3 bis 10 Gulden gezahlt, während der Werth 40 bis SO Gulden be¬
trägt. Auf diese Weise erhält eine Familie von fünf Personen, die beim
Zuckerbau beschäftigt ist, jährlich zwischen 2^y und 15 Gulden für hundert¬
tägige Arbeit. Dafür muß nicht allein gesät, geerntet und das Product
zubereitet, sondern auch die Plantage von Unkraut gereinigt werden, was bei
dem tropischen Klima die Hauptarbeit bildet. Da der Kasseebaum nur in
einem Alter von 6 bis 16 Jahren trägt, muß ferner immer für jungen An¬
wuchs gesorgt werden. Nach dem Gesetz soll der Bevölkerung der Markt¬
preis nach Abzug von zwei Fünfteln für Landrente und 3 Gulden Trans¬
portkosten nach den Hafenplätzen, vergütet werden, was bei dem niedrigen
Preise von 35 Gulden das Picul etwa 18 Gulden ausmachte. Demnach ver¬
dient die Regierung schon gesetzlich 10 Gulden an jedem Picul und bei einer
jährlichen durchschnittlichen Ernte von 800.000 Picul 8 Millionen Gulden. —
Daß die Bevölkerung Java's nicht freiwillig für so geringen Lohn arbeitet,
und daß sie durch den angewandten harten Zwang demoralisirt wird, ver¬
steht sich von selbst.

Bekanntlich steht an der Spitze der ostindischen Regierung der General¬
gouvemeur mit viceköniglicher Gewalt. Unter ihm werden die 21 Provinzen
(Residentien) Java's durch Residenten mit Assistenzresidenten und Controleuren
verwaltet. Diese europäischen Beamten besorgen außer der Administration
auch den größten Theil der Justiz. Jede Provinz ist in Regentschaften ein¬
getheilt, an deren Spitze der inländische Regent mit ihm untergebenen
Districts- und Dessa-Häuptlingen steht. Um die Bevölkerung zur Lieferung
der Producte zwingen zu können, mußte, die Regierung alle Beamten und
hauptsächlich die Inländer (d. h. die Javanen) in ihrer Hand haben. Dazu
hat sie folgende Mittel angewandt, durch ' welche das Interesse dieser Be¬
amten mit dem der Negierung eng verbunden wurde: den Inländern unter
den Beamten überwies die Regierung bald die Steuer einer gewissen
Länderstrecke zur Belohnung, bald überließ sie ihnen so wie den Europäern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/109>, abgerufen am 25.08.2024.