Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.Staatsgebiet ein einheitliches Zollsystem herzustellen; es geschah durch das Grenzboten II 18K9. 12
Staatsgebiet ein einheitliches Zollsystem herzustellen; es geschah durch das Grenzboten II 18K9. 12
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0097" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120784"/> <p xml:id="ID_244" prev="#ID_243" next="#ID_245"> Staatsgebiet ein einheitliches Zollsystem herzustellen; es geschah durch das<lb/> Gesetz vom 26. Mai 1818, Die bei jeder Veranlassung divergirenden In¬<lb/> teressen der Producenten und Consumenten bekämpften sich auch hier heftig,<lb/> die ersten versicherten, die überlegene fremde Concurrenz nicht ertragen zu<lb/> können, prophezeiten namentlich von der Zulassung englischer Fabrikate die<lb/> Vernichtung der heimischen Industrie und beriefen sich für die Nothwendig¬<lb/> keit ergiebiger Schutzzölle auf das Beispiel Englands. Frankreichs. Oestreichs<lb/> und Rußlands, welche geradezu alle fremde Producte ausschlossen. Ein<lb/> zwischeninneliegender Staat, welcher das System des freien Handels einführe,<lb/> würde der Abnehmer allerübrigen Länder werden, ohne eine Reciprocität zu<lb/> genießen, die gegenwärtigen Fabriken seien hinreichend, um für die Bedürf¬<lb/> nisse des Landes zu sorgen und die innere Concurrenz durch die neuerworbe¬<lb/> nen Provinzen sei hinreichend, um die Consumenten vor aller Uebertheuerung<lb/> zu sichern. Die Fabrikanten verlangten demgemäß Wiederherstellung des<lb/> Prohibitivsystems und die Majorität der Commission, welche zur Begut¬<lb/> achtung der Frage niedergesetzt war, erklärte sich hiermit einverstanden. Die<lb/> Minorität aber widerlegte die Sophismen des Schutzzollsystems durch ein<lb/> trefflich motivirtes Separatvotum, welches Kunth und Maassen ausgearbei¬<lb/> tet hatten, und im Staatsrath trat Hoffmann auf ihre Seite. Er zeigte,<lb/> daß das augenblickliche Darniederliegen der Industrie weit weniger durch die<lb/> auswärtige Concurrenz entstanden als Folge der großen politischen Erschütte¬<lb/> rungen und Veränderungen in dem Betriebe der Manufacturen sei. Die<lb/> beiden wichtigsten Fabrikzweige Preußens, Tuch und Leinwand, seien wesent¬<lb/> lich auf auswärtigen Absatz berechnet, derselbe Stocke jetzt durch die Prohibi¬<lb/> tivzölle anderer Staaten, aber dem lasse sich nicht durch ein einheimisches<lb/> Verbotsystem abhelfen, vielmehr würden dadurch nur die Rohstoffe vertheuert<lb/> werden, welche für jene Fabrikate bisher eingeführt wurden. Außerdem sei<lb/> die jetzt fabrikreichste Gegend des Staates, die Rheinprovinz, längst fremde<lb/> Concurrenz gewohnt und werde dieselbe auch künftig bestehen; ihre Waaren<lb/> seien früher in den alten Provinzen so gut wie verboten gewesen, jetzt müsse<lb/> man sich in letzteren diese Concurrenz als binnenländische gefallen lassen, eben<lb/> so gut würden sie auch die auswärtige ertragen. Dazu komme das finan¬<lb/> zielle und sittliche Interesse des Staates, welches bei hohen Zöllen durch den<lb/> unausbleiblichen Schmuggel leide, während die Erfahrung gezeigt habe, daß<lb/> nur mäßige Eingangsabgaben einen ergiebigen Ertrag liefern könnten. Der<lb/> Verkehr müsse so wenig als möglich behindert werden und das Interesse des<lb/> Handels dürfe nicht dem der Fabriken nachgesetzt werden, welche nicht in<lb/> sich selbst die Bedingungen des Gedeihens trügen. Der König trat dieser<lb/> Ansicht bei und bestimmte durch Cabinetsordre, daß das Princip freier Ein¬<lb/> fuhr fremder Fabrikate gegen Erlegung einer verhältnißmäßigen Abgabe als</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 18K9. 12</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
Staatsgebiet ein einheitliches Zollsystem herzustellen; es geschah durch das
Gesetz vom 26. Mai 1818, Die bei jeder Veranlassung divergirenden In¬
teressen der Producenten und Consumenten bekämpften sich auch hier heftig,
die ersten versicherten, die überlegene fremde Concurrenz nicht ertragen zu
können, prophezeiten namentlich von der Zulassung englischer Fabrikate die
Vernichtung der heimischen Industrie und beriefen sich für die Nothwendig¬
keit ergiebiger Schutzzölle auf das Beispiel Englands. Frankreichs. Oestreichs
und Rußlands, welche geradezu alle fremde Producte ausschlossen. Ein
zwischeninneliegender Staat, welcher das System des freien Handels einführe,
würde der Abnehmer allerübrigen Länder werden, ohne eine Reciprocität zu
genießen, die gegenwärtigen Fabriken seien hinreichend, um für die Bedürf¬
nisse des Landes zu sorgen und die innere Concurrenz durch die neuerworbe¬
nen Provinzen sei hinreichend, um die Consumenten vor aller Uebertheuerung
zu sichern. Die Fabrikanten verlangten demgemäß Wiederherstellung des
Prohibitivsystems und die Majorität der Commission, welche zur Begut¬
achtung der Frage niedergesetzt war, erklärte sich hiermit einverstanden. Die
Minorität aber widerlegte die Sophismen des Schutzzollsystems durch ein
trefflich motivirtes Separatvotum, welches Kunth und Maassen ausgearbei¬
tet hatten, und im Staatsrath trat Hoffmann auf ihre Seite. Er zeigte,
daß das augenblickliche Darniederliegen der Industrie weit weniger durch die
auswärtige Concurrenz entstanden als Folge der großen politischen Erschütte¬
rungen und Veränderungen in dem Betriebe der Manufacturen sei. Die
beiden wichtigsten Fabrikzweige Preußens, Tuch und Leinwand, seien wesent¬
lich auf auswärtigen Absatz berechnet, derselbe Stocke jetzt durch die Prohibi¬
tivzölle anderer Staaten, aber dem lasse sich nicht durch ein einheimisches
Verbotsystem abhelfen, vielmehr würden dadurch nur die Rohstoffe vertheuert
werden, welche für jene Fabrikate bisher eingeführt wurden. Außerdem sei
die jetzt fabrikreichste Gegend des Staates, die Rheinprovinz, längst fremde
Concurrenz gewohnt und werde dieselbe auch künftig bestehen; ihre Waaren
seien früher in den alten Provinzen so gut wie verboten gewesen, jetzt müsse
man sich in letzteren diese Concurrenz als binnenländische gefallen lassen, eben
so gut würden sie auch die auswärtige ertragen. Dazu komme das finan¬
zielle und sittliche Interesse des Staates, welches bei hohen Zöllen durch den
unausbleiblichen Schmuggel leide, während die Erfahrung gezeigt habe, daß
nur mäßige Eingangsabgaben einen ergiebigen Ertrag liefern könnten. Der
Verkehr müsse so wenig als möglich behindert werden und das Interesse des
Handels dürfe nicht dem der Fabriken nachgesetzt werden, welche nicht in
sich selbst die Bedingungen des Gedeihens trügen. Der König trat dieser
Ansicht bei und bestimmte durch Cabinetsordre, daß das Princip freier Ein¬
fuhr fremder Fabrikate gegen Erlegung einer verhältnißmäßigen Abgabe als
Grenzboten II 18K9. 12
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