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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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ward, ist das Gesetz vom 26. Mai 1818. Mit diesem hat also eine Ge¬
schichte des Zollvereins zu beginnen. Es läßt sich freilich nichts dagegen
einwenden, wenn kurz der frühere Zustand geschildert wird, namentlich die
Verhandlungen und Versuche von 1807 das Merkantilsystem zu beseitigen,
aber es hat keinen rechten Zweck, wenn der Verfasser, der sich vorgesetzt, die
Geschichte des Zollvereins zu schreiben, auf 125 Seiten einen Auszug der
Geschichte Deutschlands seit Mitte des 18. Jahrhunderts giebt, welcher nichts
Neues bietet und lediglich auf den bekannten Werken von Perthes. Bieder¬
mann, Hausier, Aegidi u. A. beruht. Von dem Beginn der Continentalsperre
bis auf die neueste Zeit dagegen ist die Darstellung eine durchaus tüchtige
und lobenswerthe, nicht blos in deutsch vaterländischen Sinne gehalten, son¬
dern auch auf richtigen nationalökonomischen Grundsätzen ruhend.

Nach einer beredten Schilderung der Verwüstung, welche unser Volks¬
wohlstand durch die napoleonische Herrschaft zu leiden hatte, legt der Ver¬
fasser die Anfänge der Neugestaltung in Preußen dar. Er betont mit Recht,
von welchem Gewicht es war, daß Friedrich Wilhelm III., der auf dem po¬
litischen Gebiet Stein's Reformen nur ängstlich widerstrebend folgte, von sehr
richtigen Gesichtspunkten in volkswirthschaftlicher Beziehung geleitet ward
und deshalb längst dem Merkantilsystem abgeneigt war, das in seinen Augen
den besonderen Nachtheil hatte, durch den Schmuggel die Sittlichkeit zu
untergraben. ,

"Wenn ich erwäge", schreibt der König, "wie es immer die Erfahrung be.
wiesen hat, daß die großen, den Staatsbedürfnissen angemessenen Einkünfte
nur von den ersten Lebensbedürfnissen und den gangbarsten Artikeln des
Handels aufgebracht werden können und daß die Anzahl dieser Artikel sehr
mäßige Schranken hat, so muß ich bei dem Anblick der bändereichen Accise-
und Zolltarife erschrecken."

Die Noth der Zeit half auch hier zur Reform; da die vom Feinde be¬
setzten Binnenprovinzen thatsächlich die Fabrikate nicht liefern konnten, deren
Monopol sie bisher durch die Prohibitivzölle besessen hatten, so ward die
Einfuhr fremder Waaren gegen einen Zoll von 8^/z "/<" gestattet und damit
kam ein unheilbarer Riß in das Merkantilsystem Friedrichs des Großen; die
Regierungsinstruction vom 26. Decbr. 1808 bezeichnete es bereits als un¬
haltbar. Bis zu den Freiheitskriegen blieb Alles freilich provisorisch, aber
man blieb auf richtigem Wege und die damaligen Leiter des Staates. Stein,
Hardenberg, Humboldt. Schön. Rhediger u. A. waren entschiedene Anhänger
des tüchtigen Nationalökonomen Kraus in Königsberg, welcher Adam Smith's
epochemachende Lehren zuerst auf deutschen Boden verpflanzt und auf deutsche
Verhältnisse angewandt hatte. Nach Herstellung des Friedens war nun die
große Aufgabe zu lösen, für das vergrößerte, aber in zwei Theile zerschnittene


ward, ist das Gesetz vom 26. Mai 1818. Mit diesem hat also eine Ge¬
schichte des Zollvereins zu beginnen. Es läßt sich freilich nichts dagegen
einwenden, wenn kurz der frühere Zustand geschildert wird, namentlich die
Verhandlungen und Versuche von 1807 das Merkantilsystem zu beseitigen,
aber es hat keinen rechten Zweck, wenn der Verfasser, der sich vorgesetzt, die
Geschichte des Zollvereins zu schreiben, auf 125 Seiten einen Auszug der
Geschichte Deutschlands seit Mitte des 18. Jahrhunderts giebt, welcher nichts
Neues bietet und lediglich auf den bekannten Werken von Perthes. Bieder¬
mann, Hausier, Aegidi u. A. beruht. Von dem Beginn der Continentalsperre
bis auf die neueste Zeit dagegen ist die Darstellung eine durchaus tüchtige
und lobenswerthe, nicht blos in deutsch vaterländischen Sinne gehalten, son¬
dern auch auf richtigen nationalökonomischen Grundsätzen ruhend.

Nach einer beredten Schilderung der Verwüstung, welche unser Volks¬
wohlstand durch die napoleonische Herrschaft zu leiden hatte, legt der Ver¬
fasser die Anfänge der Neugestaltung in Preußen dar. Er betont mit Recht,
von welchem Gewicht es war, daß Friedrich Wilhelm III., der auf dem po¬
litischen Gebiet Stein's Reformen nur ängstlich widerstrebend folgte, von sehr
richtigen Gesichtspunkten in volkswirthschaftlicher Beziehung geleitet ward
und deshalb längst dem Merkantilsystem abgeneigt war, das in seinen Augen
den besonderen Nachtheil hatte, durch den Schmuggel die Sittlichkeit zu
untergraben. ,

„Wenn ich erwäge", schreibt der König, „wie es immer die Erfahrung be.
wiesen hat, daß die großen, den Staatsbedürfnissen angemessenen Einkünfte
nur von den ersten Lebensbedürfnissen und den gangbarsten Artikeln des
Handels aufgebracht werden können und daß die Anzahl dieser Artikel sehr
mäßige Schranken hat, so muß ich bei dem Anblick der bändereichen Accise-
und Zolltarife erschrecken."

Die Noth der Zeit half auch hier zur Reform; da die vom Feinde be¬
setzten Binnenprovinzen thatsächlich die Fabrikate nicht liefern konnten, deren
Monopol sie bisher durch die Prohibitivzölle besessen hatten, so ward die
Einfuhr fremder Waaren gegen einen Zoll von 8^/z "/<» gestattet und damit
kam ein unheilbarer Riß in das Merkantilsystem Friedrichs des Großen; die
Regierungsinstruction vom 26. Decbr. 1808 bezeichnete es bereits als un¬
haltbar. Bis zu den Freiheitskriegen blieb Alles freilich provisorisch, aber
man blieb auf richtigem Wege und die damaligen Leiter des Staates. Stein,
Hardenberg, Humboldt. Schön. Rhediger u. A. waren entschiedene Anhänger
des tüchtigen Nationalökonomen Kraus in Königsberg, welcher Adam Smith's
epochemachende Lehren zuerst auf deutschen Boden verpflanzt und auf deutsche
Verhältnisse angewandt hatte. Nach Herstellung des Friedens war nun die
große Aufgabe zu lösen, für das vergrößerte, aber in zwei Theile zerschnittene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/96>, abgerufen am 24.07.2024.