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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Malern, den Giunta. Guido u. A. abzurechnen, wobei das schließliche Ueber¬
gewicht von Florenz zu Tage tritt, so gab die Schilderung der Franeiskaner-
kirche von Assisi ihnen den Anlaß, Cimabue's Thätigkeit zu erörtern.

"Assisi. das Heiligthum des ältesten Bettelordens, erhielt schon unter
lombardischem Regiment malerischen Schmuck, gewann aber <rst weltgeschicht¬
liche Bedeutung als letzte Ruhestätte des wunderthätigen Mannes, den man
kühnlich mit Christus verglich, der recht eigentlich der Heilige der armen
Leute war, die offenes Auge hatten für die Laster der Geistlichen und Laien.
Tüchtige Männer hielten es ebenso für zeitlichen wie für ewigen Gewinn.
Einfluß und Gnadenspender der Bettelmönche zu theilen und traten schlie߬
lich in die Zahl der Laienbrüder. Enthusiasmus und Steine wurden dem
Orden allenthalben reichlich entgegengebracht und so erhob sich die Kirche
S. Francesco zu Assisi als Denkmal umbrischen und toscanischen Glaubens¬
eifers; über der ersten entstand eine zweite Kirche zu Ehren des Heiligen
und die monumentale Kunst schärfte den Pilgern die hohe Bedeutsamkeit seiner
Wunderthaten dadurch ein, daß sie dieselben mit denen des Heilands in
Parallele stellte. Darstellungen, die zuerst schlechten Künstlern aus Francis-
cus eigenen Tagen anvertraut gewesen waren, wurden durch Giunta's rohere
Hand wiederholt, der selbst wieder dem Cimabue wich. Seitdem bildete sich
hier eine ganze Malerschule; aus ihr erwuchsen Giotto und Andere, welche
die florentinische Kunst über Italien ausbreiteten, und mit ihnen wetteiferten
die Sienesen durch die Talente ihres Simone und Lorenzetti."

Die Verfasser, sonst sparsam mit culturhistorischen Notizen, kommen noch
einmal auf den Einfluß des Franziskanerordens zurück, bei Gelegenheit der
Schilderung von Giotto's Kunstanfängen. Man kann daraus ersehen, welche
Größe sie jenem beimessen. Und mit Recht. Im Angesichts der Schmutz¬
finken, welche heutzutage in brauner Kutte in Rom herumwandern, in Neapel
betteln, könnte man zwar ungläubig werden und die Behauptung, daß die
Kunst wie das sociale Leben von den Brüdern des heiligen Franziscus be¬
herrscht würden, als Ausfluß clericalen Fanatismus zurückweisen. Man wird
aber hier wie in allen anderen Fällen dem Mittelalter nur dann gerecht,
wenn man von allen modernen Erscheinungen, die sich als legitimer Erbe
desselben darstellen, absieht. Den Bettelmönchen und den mit ihnen con¬
currirenden Dominikanern, mit dem demokratischen Element in der italieni¬
schen Commune engverschwistert, hat in der That die Poesie ihre Richtung
auf das Visionäre, die eifrig gepflegte Vorliebe für die Allegorie zu verdanken,
beide Orden sind Träger der gothischen Architektur in Italien, man kann nicht
Dante in der Poesie, nicht Giotto in der Malerei nennen, ohne an die
Ordensheiligen Franziscus und Thomas erinnert zu werden, welche den Jdeen-
kreis begründeten, dessen Verherrlichung der Dichter und der Maler dienten.


Malern, den Giunta. Guido u. A. abzurechnen, wobei das schließliche Ueber¬
gewicht von Florenz zu Tage tritt, so gab die Schilderung der Franeiskaner-
kirche von Assisi ihnen den Anlaß, Cimabue's Thätigkeit zu erörtern.

„Assisi. das Heiligthum des ältesten Bettelordens, erhielt schon unter
lombardischem Regiment malerischen Schmuck, gewann aber <rst weltgeschicht¬
liche Bedeutung als letzte Ruhestätte des wunderthätigen Mannes, den man
kühnlich mit Christus verglich, der recht eigentlich der Heilige der armen
Leute war, die offenes Auge hatten für die Laster der Geistlichen und Laien.
Tüchtige Männer hielten es ebenso für zeitlichen wie für ewigen Gewinn.
Einfluß und Gnadenspender der Bettelmönche zu theilen und traten schlie߬
lich in die Zahl der Laienbrüder. Enthusiasmus und Steine wurden dem
Orden allenthalben reichlich entgegengebracht und so erhob sich die Kirche
S. Francesco zu Assisi als Denkmal umbrischen und toscanischen Glaubens¬
eifers; über der ersten entstand eine zweite Kirche zu Ehren des Heiligen
und die monumentale Kunst schärfte den Pilgern die hohe Bedeutsamkeit seiner
Wunderthaten dadurch ein, daß sie dieselben mit denen des Heilands in
Parallele stellte. Darstellungen, die zuerst schlechten Künstlern aus Francis-
cus eigenen Tagen anvertraut gewesen waren, wurden durch Giunta's rohere
Hand wiederholt, der selbst wieder dem Cimabue wich. Seitdem bildete sich
hier eine ganze Malerschule; aus ihr erwuchsen Giotto und Andere, welche
die florentinische Kunst über Italien ausbreiteten, und mit ihnen wetteiferten
die Sienesen durch die Talente ihres Simone und Lorenzetti."

Die Verfasser, sonst sparsam mit culturhistorischen Notizen, kommen noch
einmal auf den Einfluß des Franziskanerordens zurück, bei Gelegenheit der
Schilderung von Giotto's Kunstanfängen. Man kann daraus ersehen, welche
Größe sie jenem beimessen. Und mit Recht. Im Angesichts der Schmutz¬
finken, welche heutzutage in brauner Kutte in Rom herumwandern, in Neapel
betteln, könnte man zwar ungläubig werden und die Behauptung, daß die
Kunst wie das sociale Leben von den Brüdern des heiligen Franziscus be¬
herrscht würden, als Ausfluß clericalen Fanatismus zurückweisen. Man wird
aber hier wie in allen anderen Fällen dem Mittelalter nur dann gerecht,
wenn man von allen modernen Erscheinungen, die sich als legitimer Erbe
desselben darstellen, absieht. Den Bettelmönchen und den mit ihnen con¬
currirenden Dominikanern, mit dem demokratischen Element in der italieni¬
schen Commune engverschwistert, hat in der That die Poesie ihre Richtung
auf das Visionäre, die eifrig gepflegte Vorliebe für die Allegorie zu verdanken,
beide Orden sind Träger der gothischen Architektur in Italien, man kann nicht
Dante in der Poesie, nicht Giotto in der Malerei nennen, ohne an die
Ordensheiligen Franziscus und Thomas erinnert zu werden, welche den Jdeen-
kreis begründeten, dessen Verherrlichung der Dichter und der Maler dienten.


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[0094] Malern, den Giunta. Guido u. A. abzurechnen, wobei das schließliche Ueber¬ gewicht von Florenz zu Tage tritt, so gab die Schilderung der Franeiskaner- kirche von Assisi ihnen den Anlaß, Cimabue's Thätigkeit zu erörtern. „Assisi. das Heiligthum des ältesten Bettelordens, erhielt schon unter lombardischem Regiment malerischen Schmuck, gewann aber <rst weltgeschicht¬ liche Bedeutung als letzte Ruhestätte des wunderthätigen Mannes, den man kühnlich mit Christus verglich, der recht eigentlich der Heilige der armen Leute war, die offenes Auge hatten für die Laster der Geistlichen und Laien. Tüchtige Männer hielten es ebenso für zeitlichen wie für ewigen Gewinn. Einfluß und Gnadenspender der Bettelmönche zu theilen und traten schlie߬ lich in die Zahl der Laienbrüder. Enthusiasmus und Steine wurden dem Orden allenthalben reichlich entgegengebracht und so erhob sich die Kirche S. Francesco zu Assisi als Denkmal umbrischen und toscanischen Glaubens¬ eifers; über der ersten entstand eine zweite Kirche zu Ehren des Heiligen und die monumentale Kunst schärfte den Pilgern die hohe Bedeutsamkeit seiner Wunderthaten dadurch ein, daß sie dieselben mit denen des Heilands in Parallele stellte. Darstellungen, die zuerst schlechten Künstlern aus Francis- cus eigenen Tagen anvertraut gewesen waren, wurden durch Giunta's rohere Hand wiederholt, der selbst wieder dem Cimabue wich. Seitdem bildete sich hier eine ganze Malerschule; aus ihr erwuchsen Giotto und Andere, welche die florentinische Kunst über Italien ausbreiteten, und mit ihnen wetteiferten die Sienesen durch die Talente ihres Simone und Lorenzetti." Die Verfasser, sonst sparsam mit culturhistorischen Notizen, kommen noch einmal auf den Einfluß des Franziskanerordens zurück, bei Gelegenheit der Schilderung von Giotto's Kunstanfängen. Man kann daraus ersehen, welche Größe sie jenem beimessen. Und mit Recht. Im Angesichts der Schmutz¬ finken, welche heutzutage in brauner Kutte in Rom herumwandern, in Neapel betteln, könnte man zwar ungläubig werden und die Behauptung, daß die Kunst wie das sociale Leben von den Brüdern des heiligen Franziscus be¬ herrscht würden, als Ausfluß clericalen Fanatismus zurückweisen. Man wird aber hier wie in allen anderen Fällen dem Mittelalter nur dann gerecht, wenn man von allen modernen Erscheinungen, die sich als legitimer Erbe desselben darstellen, absieht. Den Bettelmönchen und den mit ihnen con¬ currirenden Dominikanern, mit dem demokratischen Element in der italieni¬ schen Commune engverschwistert, hat in der That die Poesie ihre Richtung auf das Visionäre, die eifrig gepflegte Vorliebe für die Allegorie zu verdanken, beide Orden sind Träger der gothischen Architektur in Italien, man kann nicht Dante in der Poesie, nicht Giotto in der Malerei nennen, ohne an die Ordensheiligen Franziscus und Thomas erinnert zu werden, welche den Jdeen- kreis begründeten, dessen Verherrlichung der Dichter und der Maler dienten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/94>, abgerufen am 24.07.2024.