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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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worrenen Nachrichten bei Vasari entnimmt man das Eine mit Bestimmtheit,
daß Niecola rege Beziehungen mit Unteritalien unterhielt, daß zu seiner Zeit
noch der Süden an der italienischen Kunstentwickelung eifrig theilnahm.
Nach Vasari freilich so, daß die activen Einwirkungen von Pisa und Florenz
kamen. Erwägt man, daß nach einer Leseart Niccola's Vate'' aus Apulien
stammt, daß der "aredittettv e seultore övrentmo ?ueeio" bei Vasari. der
dann mit Kaiser Friedrich nach dem Süden zieht, einen Namen trägt, der
unwillkürlich an Foggia anklingt, wo wir auf eine berühmte Künstlerfamilie
treffen, so neigt die Entscheidung zu Gunsten Süditaliens. Der Monumen¬
tenbefund stärkt diesen Glauben. Wer in Ravello gewesen, hat hier Sculp-
turen gesehen, welche im gleichen Stil gearbeitet sind, wie die Pisaner des
Niccola. Die Marmorbüste von Sigalgaita Rufolo (ein guter Gypsabguß
im Museum zu Neapel) z. B. mit den breiten Wangen, dem breitgeöffneten
Munde, den regelmäßigen, kräftigen Zügen würde, in Pisa aufgestellt, un¬
bedingt für ein Werk Niccola's gelten. Nehmen wir an, daß in Ravello
ein Pisaner Meister gearbeitet, so bliebe das Phänomen des plötzlichen Auf¬
schwunges der Plastik im 13. Jahrhundert nach wie vor unerklärlich; gehen
wir dagegen auf einen einheimischen Meister zurück -- und als solcher zeigt
sich Nicolaus, Sohn des Bartholomäus aus Foggia -- so gewinnen wir
alsbald eine ziemlich geschlossene Kette künstlerischer Entwickelung. Schon im
12. Jahrhundert war Unteritalien, Sicilien mit eingeschlossen, dem übrigen
Lande an künstlerischer Thätigkeit und Tüchtigkeit weit voraus. Der stetige
Zusammenhang mit Byzanz, dessen Kunstleben gewöhnlich viel zu gering
angeschlagen wird, wo sich, wenn auch keine lebendigen doch zahlreiche Kunst¬
fertigkeiten erhalten haben, gibt einen ausreichenden Grund dafür ab. Die
Mosaikgemälde in Cefalu, Monreale und Palermo (hier wären die großen
Bilder aus dem Leben Jesu im rechten Seitenchor (Querwand) zu erwähnen
gewesen) stehen weit über den gleichzeitigen Leistungen des italienischen Con-
tinents. In der Bronzetechnik gehen die Süditaliener, Schüler der Byzan¬
tiner, gleichfalls den Zeltgenossen voran. Wenn man aus dem Zunamen des
Bonannus, welcher die Hauptthüre in Monreale goß: "Liois I>isg,ruf", das
Gegentheil schließen wollte, so wäre zu entgegnen, daß die Seitenthüren des
Doms von Monreale, von Barisanus aus Trani gearbeitet, die mit jener
von Ravello und Trani übereinstimmen, also auf heimische Uebung hindeuten,
von ungleich höherem Kunstwerth sind. Neben den Mosaizisten und Erz-
gießern verdienen aber auch die Marmorarbeiter rühmlichste Erwähnung, ins¬
besondere in allen Werken der Decoration. Die mit Blattgewinden über¬
zogenen Ecksäulen im Klosterhof zu Monreale, die Blattcapitaler dort und in
Palermitaner Kirchen, sämmtlich aus dem 12. Jahrhundert, verrathen Kennt¬
niß der Antike und eine große technische Gewandtheit. Die figürlichen Dar-


worrenen Nachrichten bei Vasari entnimmt man das Eine mit Bestimmtheit,
daß Niecola rege Beziehungen mit Unteritalien unterhielt, daß zu seiner Zeit
noch der Süden an der italienischen Kunstentwickelung eifrig theilnahm.
Nach Vasari freilich so, daß die activen Einwirkungen von Pisa und Florenz
kamen. Erwägt man, daß nach einer Leseart Niccola's Vate'' aus Apulien
stammt, daß der „aredittettv e seultore övrentmo ?ueeio" bei Vasari. der
dann mit Kaiser Friedrich nach dem Süden zieht, einen Namen trägt, der
unwillkürlich an Foggia anklingt, wo wir auf eine berühmte Künstlerfamilie
treffen, so neigt die Entscheidung zu Gunsten Süditaliens. Der Monumen¬
tenbefund stärkt diesen Glauben. Wer in Ravello gewesen, hat hier Sculp-
turen gesehen, welche im gleichen Stil gearbeitet sind, wie die Pisaner des
Niccola. Die Marmorbüste von Sigalgaita Rufolo (ein guter Gypsabguß
im Museum zu Neapel) z. B. mit den breiten Wangen, dem breitgeöffneten
Munde, den regelmäßigen, kräftigen Zügen würde, in Pisa aufgestellt, un¬
bedingt für ein Werk Niccola's gelten. Nehmen wir an, daß in Ravello
ein Pisaner Meister gearbeitet, so bliebe das Phänomen des plötzlichen Auf¬
schwunges der Plastik im 13. Jahrhundert nach wie vor unerklärlich; gehen
wir dagegen auf einen einheimischen Meister zurück — und als solcher zeigt
sich Nicolaus, Sohn des Bartholomäus aus Foggia — so gewinnen wir
alsbald eine ziemlich geschlossene Kette künstlerischer Entwickelung. Schon im
12. Jahrhundert war Unteritalien, Sicilien mit eingeschlossen, dem übrigen
Lande an künstlerischer Thätigkeit und Tüchtigkeit weit voraus. Der stetige
Zusammenhang mit Byzanz, dessen Kunstleben gewöhnlich viel zu gering
angeschlagen wird, wo sich, wenn auch keine lebendigen doch zahlreiche Kunst¬
fertigkeiten erhalten haben, gibt einen ausreichenden Grund dafür ab. Die
Mosaikgemälde in Cefalu, Monreale und Palermo (hier wären die großen
Bilder aus dem Leben Jesu im rechten Seitenchor (Querwand) zu erwähnen
gewesen) stehen weit über den gleichzeitigen Leistungen des italienischen Con-
tinents. In der Bronzetechnik gehen die Süditaliener, Schüler der Byzan¬
tiner, gleichfalls den Zeltgenossen voran. Wenn man aus dem Zunamen des
Bonannus, welcher die Hauptthüre in Monreale goß: „Liois I>isg,ruf", das
Gegentheil schließen wollte, so wäre zu entgegnen, daß die Seitenthüren des
Doms von Monreale, von Barisanus aus Trani gearbeitet, die mit jener
von Ravello und Trani übereinstimmen, also auf heimische Uebung hindeuten,
von ungleich höherem Kunstwerth sind. Neben den Mosaizisten und Erz-
gießern verdienen aber auch die Marmorarbeiter rühmlichste Erwähnung, ins¬
besondere in allen Werken der Decoration. Die mit Blattgewinden über¬
zogenen Ecksäulen im Klosterhof zu Monreale, die Blattcapitaler dort und in
Palermitaner Kirchen, sämmtlich aus dem 12. Jahrhundert, verrathen Kennt¬
niß der Antike und eine große technische Gewandtheit. Die figürlichen Dar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/92>, abgerufen am 24.07.2024.