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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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uns das Stadtende eines fortdauernden, von keinem Metter unterbrochenen
Schifffahrtsbetriebes zu sichern, mußte man zu dem eben charakterisirten mo¬
dernen englischen Verfahren übergehen.

Zugleich aber sahen die Gründer in dem Fange frischer Seefische auch
die einzig wahrhaft zuverlässige Basis, um den abhanden gekommenen See¬
fischfang im Großen an den deutschen Nordseeküsten wieder heimisch zu
machen. Der ostfriesische Heringsfang des vorigen Jahrhunderts war frei¬
lich nur eine Treibhausblüthe. Friedrichs des Großen Staatsmaßregeln,
zumal das Verbot der Einfuhr holländischer Heringe brachte ihn zu einer
erkünstelten Entwickelung, mit deren Stützen er selbst alsbald wieder zusam¬
menfiel. Aber die Erinnerung spukt doch einmal in den Köpfen nach, und
so gut wie die Holländer immer noch einen kleinen Theil des continentalen
Heringsverbrauchs von der schottischen Küste wegholen, wiewohl die Schotten
ihnen das Handelsgeheimniß des "Brandes", der officiellen Garantiemarke
auf den Tonnen, längst abgesehen haben, so gut könnten am Ende auch
deutsche Schiffe sich an dem Fange längs der schottischen und norwegischen
Küste betheiligen. Aber der Hering geht nicht alle Jahre gleich reichlich ins
Netz. Man muß ungünstige Jahre überstehen können, wenn man ihm nach¬
stellen will, und dazu mag eben die immer lohnende Frischfischerei dienen.
In noch höherem Grade gilt dies von der Jagd auf Thranthiere, Walfische
und Robben, deren Betrieb von Hamburg und Bremen aus um die letzte
Jahrhundert-Wende herum schwunghaft ging. Ganz neuerdings haben ein¬
zelne Unternehmer in Bremen und Bremerhafen den seit einem Menschen¬
alter abgerissenen Faden wieder anzuknüpfen gesucht, -- man muß abwarten,
mit welchem schließlichen Erfolg. Die dänische Fischereigesellschaft in Kopen¬
hagen, deren Admiral der aus dem Kriege von 1864 her bekannte thatkräftige
Capitain Hammer ist, macht bis jetzt trübe Erfahrungen mit einem Betriebe,
der lediglich auf diese Eismeerfahrten gerichtet ist. Das ursprüngliche Actien-
capital ist consumirt, und schon zum zweiten Mal binnen vier Jahren hat
die Frühjahrsausrüstung durch einen Nachschuß der Actionaire beschafft wer¬
den müssen. Indessen verliert man bis jetzt den Muth nicht; man hat aller¬
dings auch einen halbpolitischen Nebenzweck bei der Sache, nämlich den, den
gedrückten Erwerbsverhältnissen Islands vom Mutterlande her zu Hülfe zu
kommen.

Die Solidität der ökonomischen Basis, welche man in Bremen und
Hamburg gewählt hat, darf nun allerdings nicht nach den finanziellen Er¬
gebnissen der Lehrjahre bemessen werden. Beide Gesellschaften finden bestätigt
daß sie etwas ebenso Schwieriges, als Verdienstvolles unternommen haben.
Genau da, wo die Schwierigkeit,' liegt auch das ihnen winkende öffentliche
Verdienst: in der Heranbildung der Mannschaft zu ordentlichem Fischfang.


uns das Stadtende eines fortdauernden, von keinem Metter unterbrochenen
Schifffahrtsbetriebes zu sichern, mußte man zu dem eben charakterisirten mo¬
dernen englischen Verfahren übergehen.

Zugleich aber sahen die Gründer in dem Fange frischer Seefische auch
die einzig wahrhaft zuverlässige Basis, um den abhanden gekommenen See¬
fischfang im Großen an den deutschen Nordseeküsten wieder heimisch zu
machen. Der ostfriesische Heringsfang des vorigen Jahrhunderts war frei¬
lich nur eine Treibhausblüthe. Friedrichs des Großen Staatsmaßregeln,
zumal das Verbot der Einfuhr holländischer Heringe brachte ihn zu einer
erkünstelten Entwickelung, mit deren Stützen er selbst alsbald wieder zusam¬
menfiel. Aber die Erinnerung spukt doch einmal in den Köpfen nach, und
so gut wie die Holländer immer noch einen kleinen Theil des continentalen
Heringsverbrauchs von der schottischen Küste wegholen, wiewohl die Schotten
ihnen das Handelsgeheimniß des „Brandes", der officiellen Garantiemarke
auf den Tonnen, längst abgesehen haben, so gut könnten am Ende auch
deutsche Schiffe sich an dem Fange längs der schottischen und norwegischen
Küste betheiligen. Aber der Hering geht nicht alle Jahre gleich reichlich ins
Netz. Man muß ungünstige Jahre überstehen können, wenn man ihm nach¬
stellen will, und dazu mag eben die immer lohnende Frischfischerei dienen.
In noch höherem Grade gilt dies von der Jagd auf Thranthiere, Walfische
und Robben, deren Betrieb von Hamburg und Bremen aus um die letzte
Jahrhundert-Wende herum schwunghaft ging. Ganz neuerdings haben ein¬
zelne Unternehmer in Bremen und Bremerhafen den seit einem Menschen¬
alter abgerissenen Faden wieder anzuknüpfen gesucht, — man muß abwarten,
mit welchem schließlichen Erfolg. Die dänische Fischereigesellschaft in Kopen¬
hagen, deren Admiral der aus dem Kriege von 1864 her bekannte thatkräftige
Capitain Hammer ist, macht bis jetzt trübe Erfahrungen mit einem Betriebe,
der lediglich auf diese Eismeerfahrten gerichtet ist. Das ursprüngliche Actien-
capital ist consumirt, und schon zum zweiten Mal binnen vier Jahren hat
die Frühjahrsausrüstung durch einen Nachschuß der Actionaire beschafft wer¬
den müssen. Indessen verliert man bis jetzt den Muth nicht; man hat aller¬
dings auch einen halbpolitischen Nebenzweck bei der Sache, nämlich den, den
gedrückten Erwerbsverhältnissen Islands vom Mutterlande her zu Hülfe zu
kommen.

Die Solidität der ökonomischen Basis, welche man in Bremen und
Hamburg gewählt hat, darf nun allerdings nicht nach den finanziellen Er¬
gebnissen der Lehrjahre bemessen werden. Beide Gesellschaften finden bestätigt
daß sie etwas ebenso Schwieriges, als Verdienstvolles unternommen haben.
Genau da, wo die Schwierigkeit,' liegt auch das ihnen winkende öffentliche
Verdienst: in der Heranbildung der Mannschaft zu ordentlichem Fischfang.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/80>, abgerufen am 24.07.2024.