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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Der Widerstand der Bischöfe stützt sich zunächst auf die Hoffnung, es
werde dem gegenwärtigen Ministerium unmöglich gemacht sein, das Reichs¬
gesetz über die Schulaufsicht ohne ihre Beihülfe durchzuführen. Sie erblickten
in den vom Ministerium an den Landtag gebrachten Anträgen, und in der
ministeriellen Geneigtheit, den Landesschulrath unter eine clericale Majorität
zu stellen, eine Schwäche der Staatsverwaltung, und glaubten der Regierung
den Boden unter den Füßen wegziehen zu können, indem sie die Anstellung
geistlicher Jnspectoren unmöglich machen, und das Volk durch Warnungen vor
Entchristlichung der Schule ängstigen. In dieser Richtung wird gegenwärtig
mit rührenden Scenen vorgegangen. Die Pfarrer und Katecheten nehmen
von den Kindern thränenreichen Abschied. "Man wird uns trennen und
andere, keine geistlichen Lehrer anstellen," klagen sie, um den Eltern das
Herz schwer zu machen. Daß die Geistlichen nicht entfernt daran denken,
den Religionsunterricht aus Händen zu lassen, versteht sich von selbst. Des
kräftigsten Hinterhaltes sind sich aber die Inhaber der Hirtenstühle an der
reactionären Partei bewußt, die am Hofe einen mächtigen Einfluß übt. Es
ist nach einer allgemein verbreiteten Meinung der Clericalen und Feudalen
nur eine Frage der Zeit, wann die Thun und Genossen wieder ans Ruder
kommen, und dann tritt das Concoroat, das ja überhaupt nur theilweise auf¬
gehoben ist, von neuem in volle Kraft; die Ehe- und Schulgesetze werden dann
ststirt. und mit Beihülfe der Landtage wird so lange an dem neuen constitu-
tionellen Bau gerüttelt, bis kein Stein mehr auf dem andern bleibt. Mittler¬
weile läßt der noch schwebende Ausgleich mit den Polen und Czechen die
Frage über die Verstärkung des Abgeordnetenhauses und die Einführung
directer Wahlen nicht zum Austrag kommen, und eine dunkle Hand schreibt
ihr Mene Mene Tekel an die Wand des Ministersaales.


"Und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt, ->
Verlieren so der Handlung Namen." --

Darum dieser Mangel an Thatkraft auf der einen, Trotz und Hoch¬
muth auf der anderen Seite. Erst ließ man den richtigen Moment ver¬
streichen, den rennenden Landtag, der offen dem Reichsgesetze Hohn sprach,
aufzuheben; als dann der Bischof von Brixen die Herausgabe von Ehe¬
gerichtsacten verweigerte, blieb es bei der Androhung der Execution; gegen¬
wärtig wird der Trotz, mit welchem auch die-Aushändigung der Schulauf-
sichtsschriften abgelehnt, die Fortsetzung der Functionen der bisherigen geist¬
lichen Schuldistrictsaufseher aufrechterhalten, und von den Gemeindevorstehern
gegen die Durchführung der Ministerialverordnung protestirt wird, ruhig
hingenommen; schließlich zögert man noch mit der Einsetzung der proviso-


Der Widerstand der Bischöfe stützt sich zunächst auf die Hoffnung, es
werde dem gegenwärtigen Ministerium unmöglich gemacht sein, das Reichs¬
gesetz über die Schulaufsicht ohne ihre Beihülfe durchzuführen. Sie erblickten
in den vom Ministerium an den Landtag gebrachten Anträgen, und in der
ministeriellen Geneigtheit, den Landesschulrath unter eine clericale Majorität
zu stellen, eine Schwäche der Staatsverwaltung, und glaubten der Regierung
den Boden unter den Füßen wegziehen zu können, indem sie die Anstellung
geistlicher Jnspectoren unmöglich machen, und das Volk durch Warnungen vor
Entchristlichung der Schule ängstigen. In dieser Richtung wird gegenwärtig
mit rührenden Scenen vorgegangen. Die Pfarrer und Katecheten nehmen
von den Kindern thränenreichen Abschied. „Man wird uns trennen und
andere, keine geistlichen Lehrer anstellen," klagen sie, um den Eltern das
Herz schwer zu machen. Daß die Geistlichen nicht entfernt daran denken,
den Religionsunterricht aus Händen zu lassen, versteht sich von selbst. Des
kräftigsten Hinterhaltes sind sich aber die Inhaber der Hirtenstühle an der
reactionären Partei bewußt, die am Hofe einen mächtigen Einfluß übt. Es
ist nach einer allgemein verbreiteten Meinung der Clericalen und Feudalen
nur eine Frage der Zeit, wann die Thun und Genossen wieder ans Ruder
kommen, und dann tritt das Concoroat, das ja überhaupt nur theilweise auf¬
gehoben ist, von neuem in volle Kraft; die Ehe- und Schulgesetze werden dann
ststirt. und mit Beihülfe der Landtage wird so lange an dem neuen constitu-
tionellen Bau gerüttelt, bis kein Stein mehr auf dem andern bleibt. Mittler¬
weile läßt der noch schwebende Ausgleich mit den Polen und Czechen die
Frage über die Verstärkung des Abgeordnetenhauses und die Einführung
directer Wahlen nicht zum Austrag kommen, und eine dunkle Hand schreibt
ihr Mene Mene Tekel an die Wand des Ministersaales.


„Und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt, ->
Verlieren so der Handlung Namen." —

Darum dieser Mangel an Thatkraft auf der einen, Trotz und Hoch¬
muth auf der anderen Seite. Erst ließ man den richtigen Moment ver¬
streichen, den rennenden Landtag, der offen dem Reichsgesetze Hohn sprach,
aufzuheben; als dann der Bischof von Brixen die Herausgabe von Ehe¬
gerichtsacten verweigerte, blieb es bei der Androhung der Execution; gegen¬
wärtig wird der Trotz, mit welchem auch die-Aushändigung der Schulauf-
sichtsschriften abgelehnt, die Fortsetzung der Functionen der bisherigen geist¬
lichen Schuldistrictsaufseher aufrechterhalten, und von den Gemeindevorstehern
gegen die Durchführung der Ministerialverordnung protestirt wird, ruhig
hingenommen; schließlich zögert man noch mit der Einsetzung der proviso-


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[0078] Der Widerstand der Bischöfe stützt sich zunächst auf die Hoffnung, es werde dem gegenwärtigen Ministerium unmöglich gemacht sein, das Reichs¬ gesetz über die Schulaufsicht ohne ihre Beihülfe durchzuführen. Sie erblickten in den vom Ministerium an den Landtag gebrachten Anträgen, und in der ministeriellen Geneigtheit, den Landesschulrath unter eine clericale Majorität zu stellen, eine Schwäche der Staatsverwaltung, und glaubten der Regierung den Boden unter den Füßen wegziehen zu können, indem sie die Anstellung geistlicher Jnspectoren unmöglich machen, und das Volk durch Warnungen vor Entchristlichung der Schule ängstigen. In dieser Richtung wird gegenwärtig mit rührenden Scenen vorgegangen. Die Pfarrer und Katecheten nehmen von den Kindern thränenreichen Abschied. „Man wird uns trennen und andere, keine geistlichen Lehrer anstellen," klagen sie, um den Eltern das Herz schwer zu machen. Daß die Geistlichen nicht entfernt daran denken, den Religionsunterricht aus Händen zu lassen, versteht sich von selbst. Des kräftigsten Hinterhaltes sind sich aber die Inhaber der Hirtenstühle an der reactionären Partei bewußt, die am Hofe einen mächtigen Einfluß übt. Es ist nach einer allgemein verbreiteten Meinung der Clericalen und Feudalen nur eine Frage der Zeit, wann die Thun und Genossen wieder ans Ruder kommen, und dann tritt das Concoroat, das ja überhaupt nur theilweise auf¬ gehoben ist, von neuem in volle Kraft; die Ehe- und Schulgesetze werden dann ststirt. und mit Beihülfe der Landtage wird so lange an dem neuen constitu- tionellen Bau gerüttelt, bis kein Stein mehr auf dem andern bleibt. Mittler¬ weile läßt der noch schwebende Ausgleich mit den Polen und Czechen die Frage über die Verstärkung des Abgeordnetenhauses und die Einführung directer Wahlen nicht zum Austrag kommen, und eine dunkle Hand schreibt ihr Mene Mene Tekel an die Wand des Ministersaales. „Und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck, Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt, -> Verlieren so der Handlung Namen." — Darum dieser Mangel an Thatkraft auf der einen, Trotz und Hoch¬ muth auf der anderen Seite. Erst ließ man den richtigen Moment ver¬ streichen, den rennenden Landtag, der offen dem Reichsgesetze Hohn sprach, aufzuheben; als dann der Bischof von Brixen die Herausgabe von Ehe¬ gerichtsacten verweigerte, blieb es bei der Androhung der Execution; gegen¬ wärtig wird der Trotz, mit welchem auch die-Aushändigung der Schulauf- sichtsschriften abgelehnt, die Fortsetzung der Functionen der bisherigen geist¬ lichen Schuldistrictsaufseher aufrechterhalten, und von den Gemeindevorstehern gegen die Durchführung der Ministerialverordnung protestirt wird, ruhig hingenommen; schließlich zögert man noch mit der Einsetzung der proviso-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/78>, abgerufen am 24.07.2024.