Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mußte aber seine Prahlereien theuer genug bezahlen, indem ein eifersüchtiger
Ehemann, von dessen Gattin er sich heimlicher Liebesbeweise rühmte, ihm
die Zunge durchstechen ließ. Auf einem Kreuzzuge heirathete er in Cypern
eine Griechin und kehrte mit ihr in seine Heimath zurück. Jetzt bildete er
sich ein, seine Gattin sei eine Tochter des griechischen Kaisers und er selbst
habe somit ein Recht auf den Thron seines Schwiegervaters. In Folge
dessen nahm er das griechische Wappen an, ließ sich Kaiser nennen und ge¬
dachte sogar durch Ausrüstung einer Flotte seinen Ansprüchen Geltung zu
verschaffen. Diese Thorheiten machten ihn zur Zielscheibe allgemeinen Spot-
tes und auch der Mönch von Montaudon läßt sie nicht ungerügt. "Peire
Vidal -- sagt er -- ist der allerletzten einer. Er hat nicht alle seine Glieder
und eine Zunge von Silber thäte ihm Noth. Der Elende, einst war er
ein Kürschner. Aber seit er sich selbst zum Ritter geschlagen hat. hat er allen
Verstand verloren." So geht der Mönch von Montaudon über Is berühmte
Sänger zu Gericht, und wenn der Witz mit dem Behagen nicht immer glei¬
chen Schritt hält, so kann man ihm wenigstens nicht abstreiten, daß Haß und
Verachtung ehrlich gemeint sind. Uebrigens ist auch seiner Satire eine Strophe
hinzugefügt, worin an ihm, ganz nach seiner eigenen Weise. Vergeltung
geübt wird. "Mit dem sechszehnten dieser Verse -- heißt es hier -- wird
sich der falsche Mönch von Montaudon genügen lassen, der mit Allen Streit
und Zank sucht. Er hat Gott um einen Schinken verlassen, und weil er
jemals Verse und Canzonen gemacht hat. sollte man ihn in den Wind hängen."

Mit diesem literarischen Pamphlet wollen wir den Mönch von Mon¬
taudon verlassen, dessen burleske Figur jedenfalls den eigenthümlichsten Er¬
scheinungen des schaffenden Naturhumors beizuzählen ist. Aber fast noch
wunderbarer möchte uns die Zeit erscheinen, worin ein Mönch, der ohne
Rücksicht auf heilige Gelübde im wildesten Treiben der Höfe sich tummelt,
die Freuden der Liebe kostet und wenigstens in seinen Liedern vor dem
ärgsten Cynismus nicht zurücksehend, mit voller Billigung der geistlichen und
weltlichen Autoritäten hohe Achtung bis zum Tode genießt.

Wir wenden uns zu einem zweiten hervorragenden Dichter dieses Krei-
ses, Marcabrun. Wir besitzen über seine Schicksale in den alten Handschriften
zwei kurze, jedoch nicht in allen Punkten übereinstimmende Nachrichten.
Marcabrun, erzählt die eine, wurde an die Pforte eines reichen Mannes ge¬
legt und Niemand wußte, wer er sei, noch woher. Herr Aldrie von Vikar
ließ ihn aufziehen und später blieb er so lange bei einem Trobador mit
Namen Cercamon, bis er anfing, selbständig zu dichten. Und bis dahin hatte
er den Namen Panperdut (Brodlos) geführt, aber von nun an nannte er
sich Marcabrun. Und er wurde sehr gefürchtet und gerühmt rings in der
Welt wegen seiner Zunge. Denn er liebte so die böse Nachrede, daß die


mußte aber seine Prahlereien theuer genug bezahlen, indem ein eifersüchtiger
Ehemann, von dessen Gattin er sich heimlicher Liebesbeweise rühmte, ihm
die Zunge durchstechen ließ. Auf einem Kreuzzuge heirathete er in Cypern
eine Griechin und kehrte mit ihr in seine Heimath zurück. Jetzt bildete er
sich ein, seine Gattin sei eine Tochter des griechischen Kaisers und er selbst
habe somit ein Recht auf den Thron seines Schwiegervaters. In Folge
dessen nahm er das griechische Wappen an, ließ sich Kaiser nennen und ge¬
dachte sogar durch Ausrüstung einer Flotte seinen Ansprüchen Geltung zu
verschaffen. Diese Thorheiten machten ihn zur Zielscheibe allgemeinen Spot-
tes und auch der Mönch von Montaudon läßt sie nicht ungerügt. „Peire
Vidal — sagt er — ist der allerletzten einer. Er hat nicht alle seine Glieder
und eine Zunge von Silber thäte ihm Noth. Der Elende, einst war er
ein Kürschner. Aber seit er sich selbst zum Ritter geschlagen hat. hat er allen
Verstand verloren." So geht der Mönch von Montaudon über Is berühmte
Sänger zu Gericht, und wenn der Witz mit dem Behagen nicht immer glei¬
chen Schritt hält, so kann man ihm wenigstens nicht abstreiten, daß Haß und
Verachtung ehrlich gemeint sind. Uebrigens ist auch seiner Satire eine Strophe
hinzugefügt, worin an ihm, ganz nach seiner eigenen Weise. Vergeltung
geübt wird. „Mit dem sechszehnten dieser Verse — heißt es hier — wird
sich der falsche Mönch von Montaudon genügen lassen, der mit Allen Streit
und Zank sucht. Er hat Gott um einen Schinken verlassen, und weil er
jemals Verse und Canzonen gemacht hat. sollte man ihn in den Wind hängen."

Mit diesem literarischen Pamphlet wollen wir den Mönch von Mon¬
taudon verlassen, dessen burleske Figur jedenfalls den eigenthümlichsten Er¬
scheinungen des schaffenden Naturhumors beizuzählen ist. Aber fast noch
wunderbarer möchte uns die Zeit erscheinen, worin ein Mönch, der ohne
Rücksicht auf heilige Gelübde im wildesten Treiben der Höfe sich tummelt,
die Freuden der Liebe kostet und wenigstens in seinen Liedern vor dem
ärgsten Cynismus nicht zurücksehend, mit voller Billigung der geistlichen und
weltlichen Autoritäten hohe Achtung bis zum Tode genießt.

Wir wenden uns zu einem zweiten hervorragenden Dichter dieses Krei-
ses, Marcabrun. Wir besitzen über seine Schicksale in den alten Handschriften
zwei kurze, jedoch nicht in allen Punkten übereinstimmende Nachrichten.
Marcabrun, erzählt die eine, wurde an die Pforte eines reichen Mannes ge¬
legt und Niemand wußte, wer er sei, noch woher. Herr Aldrie von Vikar
ließ ihn aufziehen und später blieb er so lange bei einem Trobador mit
Namen Cercamon, bis er anfing, selbständig zu dichten. Und bis dahin hatte
er den Namen Panperdut (Brodlos) geführt, aber von nun an nannte er
sich Marcabrun. Und er wurde sehr gefürchtet und gerühmt rings in der
Welt wegen seiner Zunge. Denn er liebte so die böse Nachrede, daß die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120745"/>
          <p xml:id="ID_141" prev="#ID_140"> mußte aber seine Prahlereien theuer genug bezahlen, indem ein eifersüchtiger<lb/>
Ehemann, von dessen Gattin er sich heimlicher Liebesbeweise rühmte, ihm<lb/>
die Zunge durchstechen ließ. Auf einem Kreuzzuge heirathete er in Cypern<lb/>
eine Griechin und kehrte mit ihr in seine Heimath zurück. Jetzt bildete er<lb/>
sich ein, seine Gattin sei eine Tochter des griechischen Kaisers und er selbst<lb/>
habe somit ein Recht auf den Thron seines Schwiegervaters. In Folge<lb/>
dessen nahm er das griechische Wappen an, ließ sich Kaiser nennen und ge¬<lb/>
dachte sogar durch Ausrüstung einer Flotte seinen Ansprüchen Geltung zu<lb/>
verschaffen. Diese Thorheiten machten ihn zur Zielscheibe allgemeinen Spot-<lb/>
tes und auch der Mönch von Montaudon läßt sie nicht ungerügt. &#x201E;Peire<lb/>
Vidal &#x2014; sagt er &#x2014; ist der allerletzten einer. Er hat nicht alle seine Glieder<lb/>
und eine Zunge von Silber thäte ihm Noth. Der Elende, einst war er<lb/>
ein Kürschner. Aber seit er sich selbst zum Ritter geschlagen hat. hat er allen<lb/>
Verstand verloren." So geht der Mönch von Montaudon über Is berühmte<lb/>
Sänger zu Gericht, und wenn der Witz mit dem Behagen nicht immer glei¬<lb/>
chen Schritt hält, so kann man ihm wenigstens nicht abstreiten, daß Haß und<lb/>
Verachtung ehrlich gemeint sind. Uebrigens ist auch seiner Satire eine Strophe<lb/>
hinzugefügt, worin an ihm, ganz nach seiner eigenen Weise. Vergeltung<lb/>
geübt wird. &#x201E;Mit dem sechszehnten dieser Verse &#x2014; heißt es hier &#x2014; wird<lb/>
sich der falsche Mönch von Montaudon genügen lassen, der mit Allen Streit<lb/>
und Zank sucht. Er hat Gott um einen Schinken verlassen, und weil er<lb/>
jemals Verse und Canzonen gemacht hat. sollte man ihn in den Wind hängen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_142"> Mit diesem literarischen Pamphlet wollen wir den Mönch von Mon¬<lb/>
taudon verlassen, dessen burleske Figur jedenfalls den eigenthümlichsten Er¬<lb/>
scheinungen des schaffenden Naturhumors beizuzählen ist. Aber fast noch<lb/>
wunderbarer möchte uns die Zeit erscheinen, worin ein Mönch, der ohne<lb/>
Rücksicht auf heilige Gelübde im wildesten Treiben der Höfe sich tummelt,<lb/>
die Freuden der Liebe kostet und wenigstens in seinen Liedern vor dem<lb/>
ärgsten Cynismus nicht zurücksehend, mit voller Billigung der geistlichen und<lb/>
weltlichen Autoritäten hohe Achtung bis zum Tode genießt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_143" next="#ID_144"> Wir wenden uns zu einem zweiten hervorragenden Dichter dieses Krei-<lb/>
ses, Marcabrun. Wir besitzen über seine Schicksale in den alten Handschriften<lb/>
zwei kurze, jedoch nicht in allen Punkten übereinstimmende Nachrichten.<lb/>
Marcabrun, erzählt die eine, wurde an die Pforte eines reichen Mannes ge¬<lb/>
legt und Niemand wußte, wer er sei, noch woher. Herr Aldrie von Vikar<lb/>
ließ ihn aufziehen und später blieb er so lange bei einem Trobador mit<lb/>
Namen Cercamon, bis er anfing, selbständig zu dichten. Und bis dahin hatte<lb/>
er den Namen Panperdut (Brodlos) geführt, aber von nun an nannte er<lb/>
sich Marcabrun. Und er wurde sehr gefürchtet und gerühmt rings in der<lb/>
Welt wegen seiner Zunge.  Denn er liebte so die böse Nachrede, daß die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0058] mußte aber seine Prahlereien theuer genug bezahlen, indem ein eifersüchtiger Ehemann, von dessen Gattin er sich heimlicher Liebesbeweise rühmte, ihm die Zunge durchstechen ließ. Auf einem Kreuzzuge heirathete er in Cypern eine Griechin und kehrte mit ihr in seine Heimath zurück. Jetzt bildete er sich ein, seine Gattin sei eine Tochter des griechischen Kaisers und er selbst habe somit ein Recht auf den Thron seines Schwiegervaters. In Folge dessen nahm er das griechische Wappen an, ließ sich Kaiser nennen und ge¬ dachte sogar durch Ausrüstung einer Flotte seinen Ansprüchen Geltung zu verschaffen. Diese Thorheiten machten ihn zur Zielscheibe allgemeinen Spot- tes und auch der Mönch von Montaudon läßt sie nicht ungerügt. „Peire Vidal — sagt er — ist der allerletzten einer. Er hat nicht alle seine Glieder und eine Zunge von Silber thäte ihm Noth. Der Elende, einst war er ein Kürschner. Aber seit er sich selbst zum Ritter geschlagen hat. hat er allen Verstand verloren." So geht der Mönch von Montaudon über Is berühmte Sänger zu Gericht, und wenn der Witz mit dem Behagen nicht immer glei¬ chen Schritt hält, so kann man ihm wenigstens nicht abstreiten, daß Haß und Verachtung ehrlich gemeint sind. Uebrigens ist auch seiner Satire eine Strophe hinzugefügt, worin an ihm, ganz nach seiner eigenen Weise. Vergeltung geübt wird. „Mit dem sechszehnten dieser Verse — heißt es hier — wird sich der falsche Mönch von Montaudon genügen lassen, der mit Allen Streit und Zank sucht. Er hat Gott um einen Schinken verlassen, und weil er jemals Verse und Canzonen gemacht hat. sollte man ihn in den Wind hängen." Mit diesem literarischen Pamphlet wollen wir den Mönch von Mon¬ taudon verlassen, dessen burleske Figur jedenfalls den eigenthümlichsten Er¬ scheinungen des schaffenden Naturhumors beizuzählen ist. Aber fast noch wunderbarer möchte uns die Zeit erscheinen, worin ein Mönch, der ohne Rücksicht auf heilige Gelübde im wildesten Treiben der Höfe sich tummelt, die Freuden der Liebe kostet und wenigstens in seinen Liedern vor dem ärgsten Cynismus nicht zurücksehend, mit voller Billigung der geistlichen und weltlichen Autoritäten hohe Achtung bis zum Tode genießt. Wir wenden uns zu einem zweiten hervorragenden Dichter dieses Krei- ses, Marcabrun. Wir besitzen über seine Schicksale in den alten Handschriften zwei kurze, jedoch nicht in allen Punkten übereinstimmende Nachrichten. Marcabrun, erzählt die eine, wurde an die Pforte eines reichen Mannes ge¬ legt und Niemand wußte, wer er sei, noch woher. Herr Aldrie von Vikar ließ ihn aufziehen und später blieb er so lange bei einem Trobador mit Namen Cercamon, bis er anfing, selbständig zu dichten. Und bis dahin hatte er den Namen Panperdut (Brodlos) geführt, aber von nun an nannte er sich Marcabrun. Und er wurde sehr gefürchtet und gerühmt rings in der Welt wegen seiner Zunge. Denn er liebte so die böse Nachrede, daß die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/58
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/58>, abgerufen am 24.07.2024.