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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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gleich thut Gott den Vorschlag, die Mönche sollten den Damen, welche die
verhängnißvolle Grenze der Fünfundzwanzig noch nicht überschritten, den Ge¬
brauch der Schminke noch fernere 20 Jahre, also etwa bis zum 45sten
Lebensjahre gestatten. Aber die ungalanter Mönche wollen höchstens zehn
Jahre bewilligen, und nur der diplomatischen Feinheit der hh. Petrus und
Laurentius gelingt es, einen Frieden zu Stande zu bringen, wonach den
Damen Is Jahre freigegeben werden. Aber, fügt der Dichter hinzu, ich
sehe den Eid gebrochen von den Frauen, die ihn doch halten sollten; das
ist nicht schön. Wenige nur giebt es. die ihrem Versprechen treu blei¬
ben. Und jetzt folgt eine detaillirte Aufzählung aller derjenigen nütz¬
licher zu verwendenden Ingredienzien, aus welchen die Schminke be¬
reitet wird. "Den alten Mönchen nehmen sie die Bohnen, die einzige
Speise, welche diese verlangen können, so daß ihnen nun nichts mehr übrig
bleibt. Auch den Safran, welchen man besser zu seinen Saucen an Ragout
benutzen könnte, haben die Frauen so vertheuert, daß man sich, wie uns
Pilger berichten, jenseit des Meeres darüber beklagt. Mögen sie doch die
Fahnen und Waffen der Kreuzfahrer ergreifen und sich aus Palästina den
Safran selbst holen, dessen sie so sehr bedürfen." -- In dem zweiten
Gedicht sind die Damen auf Verletzung des Vertrages angeklagt worden.
Der Herrgott scheint in seiner Verlegenheit, wie er sich seinen schönen Töch¬
tern gegenüber benehmen soll, den Mönch von Montaudon zu einer Vor-
berathung beschicken zu haben. "Mönch -- beginnt der Herr -- ich höre,
die Damen haben ihren Vertrag gebrochen, gehe hinunter aus Liebe zu mir,
und sage ihnen, wenn sie sich wieder mit Farben bemalen, so werde ich die¬
selben wieder abwischen. Jetzt aber nimmt der Dichter, der vielleicht seit
der letzten Scene zarten Einflüsterungen nicht unzugänglich geblieben, ent¬
schieden die Partei der Damen und spricht zu dem zürnenden Richter:
"Sachte, sachte, lieber Herr, Ihr müßt mit den Frauen Geduld haben, denn
es liegt in ihrer Natur, daß sie ihr Antlitz lieblich schmücken." Gott erwi¬
dert, die Damen würden in seine Machtvollkommenheit eingreifen, wenn sie
den Gesetzen der Natur entgegen sich durch künstliche Farben die ewige
Jugend erhalten wollten, aber der Mönch erklärt, es werde nur übrig
bleiben, den Frauen nie alternde Schönheit zu gewähren oder die Malerei
überhaupt dem Menschengeschlecht zu nehmen. Der weitere Verlauf des Ge¬
spräches wird unmittheilbar, doch scheint der Herr aus der Rolle des "guten
Mannes" trotz einiger böser Drohungen nicht heraustreten zu sollen. -- Die
kecke Persifflage auf die Schwächen der Frauen muß bei einem ritterlich ge-
bildeten Trobador Wunder nehmen, noch auffallender aber ist die unziem¬
liche Weise, in welcher die Gottheit selbst in die Handlung gezogen wird.
Mag man der Naivetät des Zeitalters noch so viel hingehen lassen, dem


gleich thut Gott den Vorschlag, die Mönche sollten den Damen, welche die
verhängnißvolle Grenze der Fünfundzwanzig noch nicht überschritten, den Ge¬
brauch der Schminke noch fernere 20 Jahre, also etwa bis zum 45sten
Lebensjahre gestatten. Aber die ungalanter Mönche wollen höchstens zehn
Jahre bewilligen, und nur der diplomatischen Feinheit der hh. Petrus und
Laurentius gelingt es, einen Frieden zu Stande zu bringen, wonach den
Damen Is Jahre freigegeben werden. Aber, fügt der Dichter hinzu, ich
sehe den Eid gebrochen von den Frauen, die ihn doch halten sollten; das
ist nicht schön. Wenige nur giebt es. die ihrem Versprechen treu blei¬
ben. Und jetzt folgt eine detaillirte Aufzählung aller derjenigen nütz¬
licher zu verwendenden Ingredienzien, aus welchen die Schminke be¬
reitet wird. „Den alten Mönchen nehmen sie die Bohnen, die einzige
Speise, welche diese verlangen können, so daß ihnen nun nichts mehr übrig
bleibt. Auch den Safran, welchen man besser zu seinen Saucen an Ragout
benutzen könnte, haben die Frauen so vertheuert, daß man sich, wie uns
Pilger berichten, jenseit des Meeres darüber beklagt. Mögen sie doch die
Fahnen und Waffen der Kreuzfahrer ergreifen und sich aus Palästina den
Safran selbst holen, dessen sie so sehr bedürfen." — In dem zweiten
Gedicht sind die Damen auf Verletzung des Vertrages angeklagt worden.
Der Herrgott scheint in seiner Verlegenheit, wie er sich seinen schönen Töch¬
tern gegenüber benehmen soll, den Mönch von Montaudon zu einer Vor-
berathung beschicken zu haben. „Mönch — beginnt der Herr — ich höre,
die Damen haben ihren Vertrag gebrochen, gehe hinunter aus Liebe zu mir,
und sage ihnen, wenn sie sich wieder mit Farben bemalen, so werde ich die¬
selben wieder abwischen. Jetzt aber nimmt der Dichter, der vielleicht seit
der letzten Scene zarten Einflüsterungen nicht unzugänglich geblieben, ent¬
schieden die Partei der Damen und spricht zu dem zürnenden Richter:
„Sachte, sachte, lieber Herr, Ihr müßt mit den Frauen Geduld haben, denn
es liegt in ihrer Natur, daß sie ihr Antlitz lieblich schmücken." Gott erwi¬
dert, die Damen würden in seine Machtvollkommenheit eingreifen, wenn sie
den Gesetzen der Natur entgegen sich durch künstliche Farben die ewige
Jugend erhalten wollten, aber der Mönch erklärt, es werde nur übrig
bleiben, den Frauen nie alternde Schönheit zu gewähren oder die Malerei
überhaupt dem Menschengeschlecht zu nehmen. Der weitere Verlauf des Ge¬
spräches wird unmittheilbar, doch scheint der Herr aus der Rolle des „guten
Mannes" trotz einiger böser Drohungen nicht heraustreten zu sollen. — Die
kecke Persifflage auf die Schwächen der Frauen muß bei einem ritterlich ge-
bildeten Trobador Wunder nehmen, noch auffallender aber ist die unziem¬
liche Weise, in welcher die Gottheit selbst in die Handlung gezogen wird.
Mag man der Naivetät des Zeitalters noch so viel hingehen lassen, dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/55>, abgerufen am 24.07.2024.