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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Banditen erinnert wird, welcher vor dem beabsichtigten Raubzug noch erst
einmal sein Madonnenbild um Schutz ansieht. Als Gegenstück zu diesen
beiden Liedern theilt uns der Mönch in einem dritten mit, welche Dinge ihm
gut und erfreulich dünken. Hierher gehören zunächst Lust und Fröhlichkeit,
Gastereien, freigebiges ritterliches Wesen und edle Frauen. An einem vor¬
nehmen Mann, liebt er vor Allem gegen die Freunde treues redliches Be¬
zeigen, den Feinden gegenüber aber bitteren Haß. Dieselbe unchristliche Ge¬
sinnung wiederholt er noch einmal im Verlauf des Gedichtes, wo es heißt:


Es freut mich, wenn mein Feind muß sterben,
Noch mehr, stürz' ich ihn ins Verderben.

Aber der Dichter ist auch sanfteren Regungen nicht verschlossen. In zwei
reizenden melodischen Strophen schildert er die Lust, mit der Geliebten im
Arm, am Bach unter blühenden Büschen die schönen Sommertage zu ver¬
träumen. Dabei sind aber die Freuden der Tafel nicht vergessen und kommen
in diesem Gedichte durch den materiellen Wunsch nach einem recht großen
Salm zur Römerzeit zum berechtigten Ausdruck. , >

Man wird es begreiflich finden, daß ein so entschieden zu derber Reali¬
stik neigender Dichter, wie der Mönch von Montaudon, in den überschwäng-
lichen Anschauungen des ritterlichen Minneliedes sich nicht heimisch fühlen
konnte. So sind denn auch die Canzonen unseres Trobadors, welche er dem
Gebrauche der Zeit gemäß zum Preise einer Dame zu singen fast verpflichtet
war, mehr durch anziehende oft schlagende Vergleiche als durch Wärme der
Empfindung ausgezeichnet. Sein Feld war die satirische Bekämpfung ihm
entgegenstrebender Zeitströmungen und gerade gegen die höchsten Ideale ritter¬
lichen Fühlens, gegen die Frauen richtete er mit Vorliebe die Pfeile seines
Witzes. Es gehören hierher zwei Sirventese unseres Trobadors, welche durch
Originalität der Einkleidung und beißende Schärfe der Satire Berücksich¬
tigung verdienen. Beide Gedichte behandeln die schon damals übliche Sitte
oder Unsitte des schönen Geschlechts die Jugenddlüche der Wangen durch
Mittel der Kunst noch zu erhöhen, oder ihr frühzeitiges Welken zu verhüllen.
Der Dichter führt uns in die Debatte eines Nechtshandels ein. Der Schau¬
platz ist der Himmel, der Richter niemand geringeres als Gott Vater in
eigener Person, Kläger sind die Mönche, welche behaupten, daß die Damen
durch ihre gemalten Wangen den Glanz der Votivbilder noch überstrahlen;
die Malerei sei ihre, der Mönche Erfindung und die Damen hätten gar kein
Recht, dieselbe zu ihren profanen Zwecken zu mißbrauchen.

Aber die Damen weisen die Anklage mit Entrüstung zurück und ver¬
sichern ihrerseits, die Kunst des Malens sei von den Frauen schon geübt
worden, noch ehe man überhaupt an Votivgemälde gedacht habe. Zum Aus-


Banditen erinnert wird, welcher vor dem beabsichtigten Raubzug noch erst
einmal sein Madonnenbild um Schutz ansieht. Als Gegenstück zu diesen
beiden Liedern theilt uns der Mönch in einem dritten mit, welche Dinge ihm
gut und erfreulich dünken. Hierher gehören zunächst Lust und Fröhlichkeit,
Gastereien, freigebiges ritterliches Wesen und edle Frauen. An einem vor¬
nehmen Mann, liebt er vor Allem gegen die Freunde treues redliches Be¬
zeigen, den Feinden gegenüber aber bitteren Haß. Dieselbe unchristliche Ge¬
sinnung wiederholt er noch einmal im Verlauf des Gedichtes, wo es heißt:


Es freut mich, wenn mein Feind muß sterben,
Noch mehr, stürz' ich ihn ins Verderben.

Aber der Dichter ist auch sanfteren Regungen nicht verschlossen. In zwei
reizenden melodischen Strophen schildert er die Lust, mit der Geliebten im
Arm, am Bach unter blühenden Büschen die schönen Sommertage zu ver¬
träumen. Dabei sind aber die Freuden der Tafel nicht vergessen und kommen
in diesem Gedichte durch den materiellen Wunsch nach einem recht großen
Salm zur Römerzeit zum berechtigten Ausdruck. , >

Man wird es begreiflich finden, daß ein so entschieden zu derber Reali¬
stik neigender Dichter, wie der Mönch von Montaudon, in den überschwäng-
lichen Anschauungen des ritterlichen Minneliedes sich nicht heimisch fühlen
konnte. So sind denn auch die Canzonen unseres Trobadors, welche er dem
Gebrauche der Zeit gemäß zum Preise einer Dame zu singen fast verpflichtet
war, mehr durch anziehende oft schlagende Vergleiche als durch Wärme der
Empfindung ausgezeichnet. Sein Feld war die satirische Bekämpfung ihm
entgegenstrebender Zeitströmungen und gerade gegen die höchsten Ideale ritter¬
lichen Fühlens, gegen die Frauen richtete er mit Vorliebe die Pfeile seines
Witzes. Es gehören hierher zwei Sirventese unseres Trobadors, welche durch
Originalität der Einkleidung und beißende Schärfe der Satire Berücksich¬
tigung verdienen. Beide Gedichte behandeln die schon damals übliche Sitte
oder Unsitte des schönen Geschlechts die Jugenddlüche der Wangen durch
Mittel der Kunst noch zu erhöhen, oder ihr frühzeitiges Welken zu verhüllen.
Der Dichter führt uns in die Debatte eines Nechtshandels ein. Der Schau¬
platz ist der Himmel, der Richter niemand geringeres als Gott Vater in
eigener Person, Kläger sind die Mönche, welche behaupten, daß die Damen
durch ihre gemalten Wangen den Glanz der Votivbilder noch überstrahlen;
die Malerei sei ihre, der Mönche Erfindung und die Damen hätten gar kein
Recht, dieselbe zu ihren profanen Zwecken zu mißbrauchen.

Aber die Damen weisen die Anklage mit Entrüstung zurück und ver¬
sichern ihrerseits, die Kunst des Malens sei von den Frauen schon geübt
worden, noch ehe man überhaupt an Votivgemälde gedacht habe. Zum Aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/54>, abgerufen am 24.07.2024.