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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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sich jedoch nicht daran. Zuerst ging er nach Constantinopel. um sich mit
den nöthigen Legitimationen Seitens der schwedischen Gesandtschaft zu ver¬
sehen, kam dann wieder zurück, ging darauf nach Rußland, wo er von
Petersburg aus das von der russischen Regierung eben ausgearbeitete Gesetz
über die evangelisch-lutherische Kirche in Rußland zur Annahme nach Bukarest
schickte, und reiste weiter nach Schweden. Hier bewirkte er, daß der Erz-
bischof von Upsala dem König die Einführung des russischen Gesetzes mit
gewissen Modifikationen für die Bukarester Gemeinde empfahl. Er erreichte
ferner, daß die schwedische Regierung der russischen die Theilnahme an ihrem
Schutzrecht über die Gemeinde antrug, welche die Russen merkwürdigerweise
sich nicht anzunehmen beeilten.

Mittlerweile hatte sich Tükei, der Pfarrer der bereits erwähnten reformir-
ten Gemeinde, an die sich unzufriedene Mitglieder der lutherischen Gemeinde,
darunter eine Anzahl Preußen, angeschlossen hatten, auch auf eine Collecten-
reise begeben, sich dabei als Pfarrer einer unirten lutherisch-reformirten Ge¬
meinde gerirt und besonders in Preußen eine reiche Sammlung gemacht.
Preußen hatre seit einigen Jahren auch einen Agenten in Bukarest, außer¬
dem kamen dem Pfarrer Tükei die preußischen Unionsbestrebungen zu Gute.
Als beide Pfarrer wieder nach Bukarest heimgekehrt waren, wurden nun
mannigfache Versuche zu einer Verschmelzung beider Gemeinden gemacht, und
da auch die preußische Regierung die Annahme des russischen Kirchengesetzes
empfahl, so wäre vielleicht eine Einigung zu Stande gekommen, wenn nicht
inzwischen der Widerwille der lutherischen Gemeinde gegen ihren Pfarrer in
Folge seiner Verschwendung auf der Collectenreise aufs Aeußerste gestiegen
wäre. Das russische Kirchengesetz mit den von ihm proponirten Modifikatio¬
nen, welches er nach längerem Sträuben einem Ausschuß der Gemeinde vor-
legte, war für die einfachen Verhältnisse viel zu complicirt. Es enthielt nicht
weniger als 442 Paragraphen, von denen viele im Widerspruch mit den
Landesgesetzen standen, und projectirte höchst kostspielige hierarchisch - bureau"
kratische Einrichtungen. Trotzdem suchte Sarai im EinVerständniß mit dem
inzwischen ernannten schwedischen Viceconsul v. Gaudi einem bisherigen Ge-
meindemitgliede, auch gegen den Willen der Gemeinde das Gesetz zur Geltung
zu bringen, und es entspann sich wie-der ein langer Competenzstreit, der ihn
endlich zu Fall brachte. Die Eigenmächtigkeit des schwedischen Viceeonsuls
ging so weit, daß er ohne Bevollmächtigung Sarai zum Superintendenten
und zum Viceprästdenten des zu bildenden Consistoriums ernannte, während
er sich das Präsidium vorbehielt. Da setzte die -gereizte Gemeinde am 19.
Juli 1837, freilich ohne Rechtsverfahren. Sarai als Pfarrer ab.

Eine directe Nachwirkung dieser unerquicklichen Streitigkeiten war es,
daß 1839 die schwedische Regierung ihr Patronatsrecht auf Preußen und


sich jedoch nicht daran. Zuerst ging er nach Constantinopel. um sich mit
den nöthigen Legitimationen Seitens der schwedischen Gesandtschaft zu ver¬
sehen, kam dann wieder zurück, ging darauf nach Rußland, wo er von
Petersburg aus das von der russischen Regierung eben ausgearbeitete Gesetz
über die evangelisch-lutherische Kirche in Rußland zur Annahme nach Bukarest
schickte, und reiste weiter nach Schweden. Hier bewirkte er, daß der Erz-
bischof von Upsala dem König die Einführung des russischen Gesetzes mit
gewissen Modifikationen für die Bukarester Gemeinde empfahl. Er erreichte
ferner, daß die schwedische Regierung der russischen die Theilnahme an ihrem
Schutzrecht über die Gemeinde antrug, welche die Russen merkwürdigerweise
sich nicht anzunehmen beeilten.

Mittlerweile hatte sich Tükei, der Pfarrer der bereits erwähnten reformir-
ten Gemeinde, an die sich unzufriedene Mitglieder der lutherischen Gemeinde,
darunter eine Anzahl Preußen, angeschlossen hatten, auch auf eine Collecten-
reise begeben, sich dabei als Pfarrer einer unirten lutherisch-reformirten Ge¬
meinde gerirt und besonders in Preußen eine reiche Sammlung gemacht.
Preußen hatre seit einigen Jahren auch einen Agenten in Bukarest, außer¬
dem kamen dem Pfarrer Tükei die preußischen Unionsbestrebungen zu Gute.
Als beide Pfarrer wieder nach Bukarest heimgekehrt waren, wurden nun
mannigfache Versuche zu einer Verschmelzung beider Gemeinden gemacht, und
da auch die preußische Regierung die Annahme des russischen Kirchengesetzes
empfahl, so wäre vielleicht eine Einigung zu Stande gekommen, wenn nicht
inzwischen der Widerwille der lutherischen Gemeinde gegen ihren Pfarrer in
Folge seiner Verschwendung auf der Collectenreise aufs Aeußerste gestiegen
wäre. Das russische Kirchengesetz mit den von ihm proponirten Modifikatio¬
nen, welches er nach längerem Sträuben einem Ausschuß der Gemeinde vor-
legte, war für die einfachen Verhältnisse viel zu complicirt. Es enthielt nicht
weniger als 442 Paragraphen, von denen viele im Widerspruch mit den
Landesgesetzen standen, und projectirte höchst kostspielige hierarchisch - bureau»
kratische Einrichtungen. Trotzdem suchte Sarai im EinVerständniß mit dem
inzwischen ernannten schwedischen Viceconsul v. Gaudi einem bisherigen Ge-
meindemitgliede, auch gegen den Willen der Gemeinde das Gesetz zur Geltung
zu bringen, und es entspann sich wie-der ein langer Competenzstreit, der ihn
endlich zu Fall brachte. Die Eigenmächtigkeit des schwedischen Viceeonsuls
ging so weit, daß er ohne Bevollmächtigung Sarai zum Superintendenten
und zum Viceprästdenten des zu bildenden Consistoriums ernannte, während
er sich das Präsidium vorbehielt. Da setzte die -gereizte Gemeinde am 19.
Juli 1837, freilich ohne Rechtsverfahren. Sarai als Pfarrer ab.

Eine directe Nachwirkung dieser unerquicklichen Streitigkeiten war es,
daß 1839 die schwedische Regierung ihr Patronatsrecht auf Preußen und


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[0519] sich jedoch nicht daran. Zuerst ging er nach Constantinopel. um sich mit den nöthigen Legitimationen Seitens der schwedischen Gesandtschaft zu ver¬ sehen, kam dann wieder zurück, ging darauf nach Rußland, wo er von Petersburg aus das von der russischen Regierung eben ausgearbeitete Gesetz über die evangelisch-lutherische Kirche in Rußland zur Annahme nach Bukarest schickte, und reiste weiter nach Schweden. Hier bewirkte er, daß der Erz- bischof von Upsala dem König die Einführung des russischen Gesetzes mit gewissen Modifikationen für die Bukarester Gemeinde empfahl. Er erreichte ferner, daß die schwedische Regierung der russischen die Theilnahme an ihrem Schutzrecht über die Gemeinde antrug, welche die Russen merkwürdigerweise sich nicht anzunehmen beeilten. Mittlerweile hatte sich Tükei, der Pfarrer der bereits erwähnten reformir- ten Gemeinde, an die sich unzufriedene Mitglieder der lutherischen Gemeinde, darunter eine Anzahl Preußen, angeschlossen hatten, auch auf eine Collecten- reise begeben, sich dabei als Pfarrer einer unirten lutherisch-reformirten Ge¬ meinde gerirt und besonders in Preußen eine reiche Sammlung gemacht. Preußen hatre seit einigen Jahren auch einen Agenten in Bukarest, außer¬ dem kamen dem Pfarrer Tükei die preußischen Unionsbestrebungen zu Gute. Als beide Pfarrer wieder nach Bukarest heimgekehrt waren, wurden nun mannigfache Versuche zu einer Verschmelzung beider Gemeinden gemacht, und da auch die preußische Regierung die Annahme des russischen Kirchengesetzes empfahl, so wäre vielleicht eine Einigung zu Stande gekommen, wenn nicht inzwischen der Widerwille der lutherischen Gemeinde gegen ihren Pfarrer in Folge seiner Verschwendung auf der Collectenreise aufs Aeußerste gestiegen wäre. Das russische Kirchengesetz mit den von ihm proponirten Modifikatio¬ nen, welches er nach längerem Sträuben einem Ausschuß der Gemeinde vor- legte, war für die einfachen Verhältnisse viel zu complicirt. Es enthielt nicht weniger als 442 Paragraphen, von denen viele im Widerspruch mit den Landesgesetzen standen, und projectirte höchst kostspielige hierarchisch - bureau» kratische Einrichtungen. Trotzdem suchte Sarai im EinVerständniß mit dem inzwischen ernannten schwedischen Viceconsul v. Gaudi einem bisherigen Ge- meindemitgliede, auch gegen den Willen der Gemeinde das Gesetz zur Geltung zu bringen, und es entspann sich wie-der ein langer Competenzstreit, der ihn endlich zu Fall brachte. Die Eigenmächtigkeit des schwedischen Viceeonsuls ging so weit, daß er ohne Bevollmächtigung Sarai zum Superintendenten und zum Viceprästdenten des zu bildenden Consistoriums ernannte, während er sich das Präsidium vorbehielt. Da setzte die -gereizte Gemeinde am 19. Juli 1837, freilich ohne Rechtsverfahren. Sarai als Pfarrer ab. Eine directe Nachwirkung dieser unerquicklichen Streitigkeiten war es, daß 1839 die schwedische Regierung ihr Patronatsrecht auf Preußen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/519>, abgerufen am 24.07.2024.