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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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nicht selten gewesen sein, daß keiner der Wagen an das Ziel kam. Auch todte
Nennen, wo der Jockey durch zweite Aussendung (reinissus) gewann, sind
als sehr selten notirt. Deshalb muß römische Spielregel gestattet haben, daß
im Nothfalle jedes Erscheinen der Clubfarbe beim Pfosten, in römischer Sport¬
sprache etwa Mimus a.ä crewm, den Sieg entscheiden konnte, gleichviel wie
die Farbe durch die Bahn zum Ziele kam. Wenigstens war, wie man aus
Reliefs und Mosaiken sieht, längere Zeit Brauch, dem rennenden Gespann
einen Reiter in Jockeytracht und den Farben des Clubs zu gesellen; stürzte
das Gespann, so behielt der Reiter der Gesellschaft die Chance, wenn nicht
ein anderes Gespann am Ziel eintraf. Ja wenn auch die Reiter in das
Hurly eines Sturzes verwickelt wurden, oder wenn sie nicht in der Bahn
waren, dann konnte der Wagenlenker sogar zu Fuß seine Farbe an den
Pfosten und zum Siege bringen. Ein solcher Sieg zu Fuß wird allerdings
nur einmal erwähnt. Umgekehrt konnten die Gespannpferde ohne Kutscher
den Sieg erhalten. Als Kaiser Claudius das 800 jährige Jubiläum Roms
durch Rennspiele feierte, wurde der Jockey vom Club der Schimmel schon an
den Schranken aus dem Wagen geworfen, da nahm sein Gespann unter dem
Leitpferde Korar die Spitze, behauptete sie, drängte die Gegner ab, warf sie
zur Seite, that gegen sie Alles, was es ihnen unter dem kundigsten Lenker
hätte zufügen können, vollendete die sieben Umläufe eines regelrechten Rennens
und hielt zuletzt als Sieger am Kreidestrich an. -- Von anderem Rennbrauch
wissen wir leider wenig, zum Theil deshalb, weil uns bisher die Hülfe ge¬
fehlt hat, welche ein Weiser unserer Rennbahn bieten könnte; es wäre er-
freulich, wenn diese Zeilen dazu anregten.

Eines zumal möchten wir gern verstehen. Die Hauptsache bei jedem
Rennen war offenbar der Kampf um die innere Bahn. Was schon auf dem
gerittenen Rennpferd fast das Wichtigste ist. muß bei Gespannen von je vier
und mehr nebeneinander geschirrten Rossen weit schwieriger und gefährlicher,
und wenn es gelang, in der Regel sichere Bürgschaft des Erfolges gewesen
sein. Um von dieser kürzesten Rennlinie den Gegner abzudrücken, oder in sie
hinein vorzufahren, konnte die Berührung mit dem Gegner gesucht werden,
wenn man mit der Stärke des Gespanns an die Schwäche des Gegners kommen
konnte, oder vermieden, wenn ein Anlauf des Gegners auf die Schwäche
drohte. Es scheint nun, daß der feindliche Wagenlenker selbst den besten
Gegenstand zu einem Angriff bot und daß ihn im Anfahren aus der Quadriga
zu werfen, für erlaubt galt. Aber wir wissen doch gar nicht, wie weit die
Bahnlicenz bei solchem Angriff ging. Man möchte vermuthen, daß sie groß
gewesen ist, denn der römische Sport hatte mehrere verdächtige Bezeich¬
nungen für die Trennung des fahrenden Jockey von seinem Sitz: öxeuters,


nicht selten gewesen sein, daß keiner der Wagen an das Ziel kam. Auch todte
Nennen, wo der Jockey durch zweite Aussendung (reinissus) gewann, sind
als sehr selten notirt. Deshalb muß römische Spielregel gestattet haben, daß
im Nothfalle jedes Erscheinen der Clubfarbe beim Pfosten, in römischer Sport¬
sprache etwa Mimus a.ä crewm, den Sieg entscheiden konnte, gleichviel wie
die Farbe durch die Bahn zum Ziele kam. Wenigstens war, wie man aus
Reliefs und Mosaiken sieht, längere Zeit Brauch, dem rennenden Gespann
einen Reiter in Jockeytracht und den Farben des Clubs zu gesellen; stürzte
das Gespann, so behielt der Reiter der Gesellschaft die Chance, wenn nicht
ein anderes Gespann am Ziel eintraf. Ja wenn auch die Reiter in das
Hurly eines Sturzes verwickelt wurden, oder wenn sie nicht in der Bahn
waren, dann konnte der Wagenlenker sogar zu Fuß seine Farbe an den
Pfosten und zum Siege bringen. Ein solcher Sieg zu Fuß wird allerdings
nur einmal erwähnt. Umgekehrt konnten die Gespannpferde ohne Kutscher
den Sieg erhalten. Als Kaiser Claudius das 800 jährige Jubiläum Roms
durch Rennspiele feierte, wurde der Jockey vom Club der Schimmel schon an
den Schranken aus dem Wagen geworfen, da nahm sein Gespann unter dem
Leitpferde Korar die Spitze, behauptete sie, drängte die Gegner ab, warf sie
zur Seite, that gegen sie Alles, was es ihnen unter dem kundigsten Lenker
hätte zufügen können, vollendete die sieben Umläufe eines regelrechten Rennens
und hielt zuletzt als Sieger am Kreidestrich an. — Von anderem Rennbrauch
wissen wir leider wenig, zum Theil deshalb, weil uns bisher die Hülfe ge¬
fehlt hat, welche ein Weiser unserer Rennbahn bieten könnte; es wäre er-
freulich, wenn diese Zeilen dazu anregten.

Eines zumal möchten wir gern verstehen. Die Hauptsache bei jedem
Rennen war offenbar der Kampf um die innere Bahn. Was schon auf dem
gerittenen Rennpferd fast das Wichtigste ist. muß bei Gespannen von je vier
und mehr nebeneinander geschirrten Rossen weit schwieriger und gefährlicher,
und wenn es gelang, in der Regel sichere Bürgschaft des Erfolges gewesen
sein. Um von dieser kürzesten Rennlinie den Gegner abzudrücken, oder in sie
hinein vorzufahren, konnte die Berührung mit dem Gegner gesucht werden,
wenn man mit der Stärke des Gespanns an die Schwäche des Gegners kommen
konnte, oder vermieden, wenn ein Anlauf des Gegners auf die Schwäche
drohte. Es scheint nun, daß der feindliche Wagenlenker selbst den besten
Gegenstand zu einem Angriff bot und daß ihn im Anfahren aus der Quadriga
zu werfen, für erlaubt galt. Aber wir wissen doch gar nicht, wie weit die
Bahnlicenz bei solchem Angriff ging. Man möchte vermuthen, daß sie groß
gewesen ist, denn der römische Sport hatte mehrere verdächtige Bezeich¬
nungen für die Trennung des fahrenden Jockey von seinem Sitz: öxeuters,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/460>, abgerufen am 25.07.2024.