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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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gelegentlich auf fünf verkürzt wurde, so muß doch jedes Rennen bei zwei
Dritteln einer deutschen Meile 8 bis 12 Minuten gedauert haben. Die Zahl
der Rennen aber wurde seit dem ersten Jahrhundert unablässig vermehrt, von
10 und 12 seit Caligula bis auf 24, 25, 30, zuweilen wurde sogar die Nacht
zu Hülfe genommen und in glänzend erleuchteten Circus gerannt. Die
Schnelligkeit, mit welcher die Rennen auf einander folgten, und die Be¬
hendigkeit der Vorbereitungen muß deshalb größer gewesen sein, als bei uns.
in einer Stunde zuweilen drei Rennen; fast unbegreiflich groß aber die Kraft
und Ausdauer der kutschirenden Jockey's. Der Kutscher Diokles zur Zeit
des Kaiser Hadrian hat in 24 Jahren 5251 mal mit dem Mergespann ge¬
rannt. Rechnet man auf das Jahr mit Friedländer etwa 50 Renntage, so
würde derselbe an jedem Renntag 4 bis 5 mal gerannt sein, aber man wird;
da nicht jedes Jahr für diese Feste günstig war, die Zahl der jährlichen
Renntage zu Rom im Durchschnitt schwerlich höher als auf 40 setzen dürfen,
also auf eine Tagesleistung von 6 bis 6 Nennen. Da dies undenkbar ist, so
müssen die Jockey's an freien Tagen in der Provinz gearbeitet haben.

In den Rennen war weit mehr Abwechslung, als gegenwärtig. Sie
wurden unterschieden zuerst nach der Zahl der Gespannpferde. Das Wett¬
rennen im Zweigespann war sehr gewöhnlich, es galt für die Schule junger
Jockey's, wurde verhältnißmäßig wenig geachtet und die dabei erfochtenen
Siege unter den ruhmvollen Thaten großer Bahnhelden gar nicht mitgezählt.
Dagegen muß das Rennen mit Dreigespann von Kennern als feine Kunst¬
arbeit geschätzt worden sein, denn es wurden dafür auch hohe Preise aus¬
gesetzt, und die Wagenlenker rühmen sich dieser Siege. Aber Hauptsache aller
Cireusfeste waren die Rennen vom hohen Wagen des Viergespanns. Auch
größere Zahl von Pferden wurde zusammengespannt, 6, 7, 8, sogar 10, als
seltene Rennen berühmter Virtuosen um besondere hohe Preise, bei denen die Ab¬
fahrt nicht aus den Thoren, sondern von einem weißen Strich der Bahn erfolgt
zu sein scheint. Die Pferde wurden stets in eine Reihe nebeneinander gespannt.

Ferner war die Zahl der Wagen, welche zugleich rannten, verschieden.
Das gewöhnliche Rennen der Viergespanne war, daß jede der vier Parteien
eine Quadriga in den Kampf stellte, dann hatten die Wagen reichlichen
Raum, die Schnelligkeit und Schulung der Pferde und die Kunst des Lenkers
vermochten sich am deutlichsten zu zeigen, die Siege darin wurden von den
Kutschern als besonders ehrenvoll aufgezählt. Die Rennen von je zwei
Viergespannen der einen Partei, also von acht Wagen, waren nicht selten,
auch hier wechselte der Zeitgeschmack, sie scheinen am Ende des 2. Jahr¬
hunderts besonders beliebt gewesen zu sein; seltener waren Rennen zu je
drei Gespannen, sie konnten nur im großen Circus und da stattfinden, wo
12 Rennthore vorhanden waren, bei ihnen war die Abfahrtstellung der letzten


gelegentlich auf fünf verkürzt wurde, so muß doch jedes Rennen bei zwei
Dritteln einer deutschen Meile 8 bis 12 Minuten gedauert haben. Die Zahl
der Rennen aber wurde seit dem ersten Jahrhundert unablässig vermehrt, von
10 und 12 seit Caligula bis auf 24, 25, 30, zuweilen wurde sogar die Nacht
zu Hülfe genommen und in glänzend erleuchteten Circus gerannt. Die
Schnelligkeit, mit welcher die Rennen auf einander folgten, und die Be¬
hendigkeit der Vorbereitungen muß deshalb größer gewesen sein, als bei uns.
in einer Stunde zuweilen drei Rennen; fast unbegreiflich groß aber die Kraft
und Ausdauer der kutschirenden Jockey's. Der Kutscher Diokles zur Zeit
des Kaiser Hadrian hat in 24 Jahren 5251 mal mit dem Mergespann ge¬
rannt. Rechnet man auf das Jahr mit Friedländer etwa 50 Renntage, so
würde derselbe an jedem Renntag 4 bis 5 mal gerannt sein, aber man wird;
da nicht jedes Jahr für diese Feste günstig war, die Zahl der jährlichen
Renntage zu Rom im Durchschnitt schwerlich höher als auf 40 setzen dürfen,
also auf eine Tagesleistung von 6 bis 6 Nennen. Da dies undenkbar ist, so
müssen die Jockey's an freien Tagen in der Provinz gearbeitet haben.

In den Rennen war weit mehr Abwechslung, als gegenwärtig. Sie
wurden unterschieden zuerst nach der Zahl der Gespannpferde. Das Wett¬
rennen im Zweigespann war sehr gewöhnlich, es galt für die Schule junger
Jockey's, wurde verhältnißmäßig wenig geachtet und die dabei erfochtenen
Siege unter den ruhmvollen Thaten großer Bahnhelden gar nicht mitgezählt.
Dagegen muß das Rennen mit Dreigespann von Kennern als feine Kunst¬
arbeit geschätzt worden sein, denn es wurden dafür auch hohe Preise aus¬
gesetzt, und die Wagenlenker rühmen sich dieser Siege. Aber Hauptsache aller
Cireusfeste waren die Rennen vom hohen Wagen des Viergespanns. Auch
größere Zahl von Pferden wurde zusammengespannt, 6, 7, 8, sogar 10, als
seltene Rennen berühmter Virtuosen um besondere hohe Preise, bei denen die Ab¬
fahrt nicht aus den Thoren, sondern von einem weißen Strich der Bahn erfolgt
zu sein scheint. Die Pferde wurden stets in eine Reihe nebeneinander gespannt.

Ferner war die Zahl der Wagen, welche zugleich rannten, verschieden.
Das gewöhnliche Rennen der Viergespanne war, daß jede der vier Parteien
eine Quadriga in den Kampf stellte, dann hatten die Wagen reichlichen
Raum, die Schnelligkeit und Schulung der Pferde und die Kunst des Lenkers
vermochten sich am deutlichsten zu zeigen, die Siege darin wurden von den
Kutschern als besonders ehrenvoll aufgezählt. Die Rennen von je zwei
Viergespannen der einen Partei, also von acht Wagen, waren nicht selten,
auch hier wechselte der Zeitgeschmack, sie scheinen am Ende des 2. Jahr¬
hunderts besonders beliebt gewesen zu sein; seltener waren Rennen zu je
drei Gespannen, sie konnten nur im großen Circus und da stattfinden, wo
12 Rennthore vorhanden waren, bei ihnen war die Abfahrtstellung der letzten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/458>, abgerufen am 04.07.2024.